Dass neben den gewerkschaftlichen Hauptveranstaltern CC.OO. und UGT, auch linke Parteien, vorne dabei PSOE und Podemos Flagge zeigten und Redebeiträge lieferten, war für die konservative andalusische Landesregierung Beleg, „dass es nicht um gesellschaftlichen Protest, sondern eine Polit-Veranstaltung“ ging, so Andalusiens Gesundheitsminister Jesús Aguirre, der nachschiebt, dass „jene, die sich hinter den Transparenten verstecken, die gleichen sind, die den Niedergang des öffentlichen Gesundheitssystems bis 2019 zu verantworten haben.“
Doch Andalusiens Gesundheitsminister verschwieg, dass an der Demo auch Rentnerorganisationen, ländliche Interessensvertreter, Ärztevereinigungen und die „Marea blanca“, die weiße Flut teilnahmen, ein Bündnis von genau jenen einst als Helden in der Corona-Pandemie in Spanien gefeierten und mittlerweile ausgelaugten Mitarbeitern des Gesundheitswesens, auf dessen Rücken die Politik ihre Machtkämpfe austrägt. Auf die Hauptvorwürfe reagierte der Minister nicht. Die Junta hatte angekündigt, den Haushaltsüberschuss von 2,3 Milliarden Euro in das öffentliche Gesundheitswesen zu stecken. Das tat sie aber nicht. Im Oktober weigerte sich die Landesregierung, die Verträge von 8.000 für die Pandemiebewältigung eingestellten Fachkräfte zu verlängern, obwohl das Geld dafür aus Madrid und von der EU gekommen wäre.
Die Folge, so UGT, „die Erstversorgung sei kollabiert“, Andalusien habe die wenigsten Gesundheitsmitarbeiter pro Kopf in Spanien, „endlose Schlangen und Wartelisten von 720.000 Personen, mehr als Katalonien und Madrid“. „Die Erst- und Notfallversorgung muss zurück in die ländlichen Gebiete und kleinen Städte, überall wird mehr Personal gebraucht“. „Mareas Blancas“ fordert zudem einen Standard von maximal zwei Tagen Terminvorlauf in den Centros de Salud, die, genauso wie die Fachkliniken, flächendeckend nachmittags zu öffnen seien. Die durchschnittliche Behandlungszeit von 12 Minuten pro Arzt und Patient sei durchzusetzen, „im Moment liegt sie bei zwei Minuten“.
Doch, so die Gewerkschafter: Die Junta lege es auf eine „mittelmäßige öffentliche Versorgung geradezu an“, um Privatversicherungen attraktiver zu machen und öffentliche Gelder an private Anbieter umleiten zu können. Schon unter den Sozialisten wurde gespart, so die Kritik, aber das seit 2010 unveränderte jährliche Gesundheitsbudget von rund 14,5 Milliarden Euro „nie an die veränderte Altersstruktur angepasst“. Dagegen „stiegen die Haushaltsausgaben für private Gesundheitsdienstleistungen unter dieser Regierung um 43 Prozent in einem Jahr – Sie machen aus der Gesundheit ein Business“, kritisieren die Gewerkschafter.
Allein 2020 verließen über 500 Fachärzte ihre andalusische Heimat. Denn die Bezahlung in Andalusien liegt um 500 Euro unter dem Landesschnitt. Die Anpassung der Arztgehälter an den spanischen Schnitt aber war eines der zentralen Wahlversprechen von Landesministerpräsident Juanma Moreno. Für die Organisatoren waren die Demos am Wochenende daher nur ein weiterer „Auftakt“. Im Dezember, spätestens, sind Landtagswahlen.
„Paro agrario“ - Stillstand der Landwirtschaft. So lautet das Protest-Motto der größten Agrarverbände, deren Landwirte „längst am Limit“ seien. Für Freitag, 25. Februar, haben sie eine Großaktion in Sevilla angekündigt, ein Warnstreik, mit dem sie sowohl Produktion und Auslieferung für einen Tag einstellen, als auch die Straßen der Hauptstadt blockieren wollen. Denn „ohne Landwirte, gibt es kein Essen“, „ohne Landwirte stirbt das Land“, so die radikale Message. Lösungen gegen anhaltende Dürre, steigende Wasserpreise, Billigkonkurrenz, unzuverlässige EU-Politik müssten her. Vom Staat.
Allein die Kosten für Tierfutter seien um 30 Prozent in einem Jahr gestiegen, Saatgut um ein Fünftel teurer, Düngemittel gar um 150 Prozent. Für Wasser zahlten die Bauern ein Drittel, für Plastikplanen der Gewächshäuser 46 Prozent mehr. Doch am härtesten träfen Erzeuger der Anstieg der Dieselpreise für Traktoren (+73 Prozent) sowie des Stroms für Pumpen und Maschinen um 270 Prozent. Mit der Mindestlohnanhebung stiegen zudem die Lohnkosten um 36 Prozent in nur drei Jahren. Hingegen würde vom Anstieg der Preise in Spaniens Supermärkten „so gut wie nichts“ bei den Erzeugern hängen bleiben. Für Andalusien komme hinzu, dass die Reform der EU-Agrarordnung mehrere Regionen aus der Förderung benachteiligter Gebiete herausnehme, 450 Millionen Euro gingen so flöten. Außerdem müssten sie „höhere Umweltauflagen ohne höhere Förderungen“ umsetzen.
Zum Thema: Extreme Dürre in Spanien.