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Jahrhundert-Dürre in Spanien: Bauern fürchten totalen Ausfall bei Ernte - Rettung mit der Gießkanne

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Von: Marco Schicker

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Stausee Yesa in Aragón
Der Stausee Yesa in Aragón. Selbst hier, am Fuße der Pyrenäen von Spanien herrscht eine Dürre, wie man sie Jahrhunderte nicht sah. © Jesús Diges/EFE

Die „Getreideernte in Spanien ist 2023 praktisch verloren“, vor allem kleine Landwirte bangen um ihre Existenz. Die Politik betreibt Gießkannen-Politik, an heilige Kühe will niemand ran - obwohl auch das Viehfutter ausgeht. Konsequenzen wird Spaniens Dürre für ganz Europa haben.

Sevilla – „Den Leuten ist nicht wirklich klar, wie schlimm die Lage ist. Alte Bauern erzählen mir von üblen Dürreperioden, in den 1930er Jahren zum Beispiel. Aber sie sagen, selbst damals gab es noch irgendetwas zu ernten. Dieses Jahr könnte das erste sein, in dem sie absolut gar nichts vom Feld holen“. Daniel Trenado ist Jungbauer und Biologe unweit von Badajoz in der Extremadura im Südwesten Spaniens. „Ich baue Gerste, Roggen, Erbsen an, das meiste ist als Viehfutter gedacht. Doch die Triebe sind fast alle vertrocknet, ich brauche die Erntemaschine nicht mal aus der Garage zu holen“.

Der 32-Jährige erklärt im TV-Kanal La Sexta, welch fatale Abwärtsspirale „die trockensten Monate seit Menschengedenken“ in Spanien in Gang setzen. Schon die Saat sei extrem teuer gewesen, der Ernteausfall bringt nun auch die Viehzüchter in Bedrängnis, die auf „unbezahlbares“ industrielles Futter umsatteln oder mit hohen Verlusten notschlachten müssten. Die „Getreideernte in Spanien ist 2023 praktisch verloren“, in der Extremadura, in Andalusien und in Castilla-La Mancha. „Nicht ein Korn“ werde wachsen auf mindestens 3,5 Millionen Hektar, das ist eine Fläche so groß wie die Regionen Valencia und Murcia zusammen. Und das just in einem Jahr, da viele Landwirte wegen der Ukraine-Krise wieder auf Getreide und Sonnenblumen umstellten, weil sich da ein Markt auftat.

Kein Regen: Dürre in Spanien von Katalonien, über Madrid bis Andalusien

Ausgetrocknetes Feld in Spanien.
Irgendwo in Spanien 2023: Eine Jahrhundert-Dürre hat das Land fest im Griff. Bauern fürchten Totalausfall, bald werden auch die privaten Konsumenten Restriktionen erleiden. © Emilio Morenatti/dpa

In Spanien fielen in diesem Jahr im Schnitt bisher nur 178 der durchschnittlich 360 Liter. „Mit 270 Liter können wir noch irgendwie leben“, doch „dieses Jahr fielen vier Tropfen, auf Böden, die seit Jahren im Defizit sind, die Situation ist irreparabel“. Er warnt, „im Norden Spaniens ist es kühler, das Wachstum langsamer, den Bauern dort bleiben noch ein paar Wochen, doch Aemet hat auch für sie keine guten Aussichten“. Doch große Teile Spaniens leiden bereits im April an einer Hitzewelle, die eines Hochsommers würdig ist.

Besonders schlimm ist die Lage in Katalonien, wo bereits auch Restriktionen für die kommunalen Wasserversorgungen und Private greifen, noch vor dem Sommer. „Wir brauchen hier mindestens 400 Liter Regen pro Quadratmeter und zwar jetzt, um das Schlimmste zu verhindern“, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium in Barcelona. Katalanische Obstbauern flehen die EU um Sonderhilfen an, damit sie die noch unreifen Früchte abernten können, „um wenigstens die Bäume und so sieben Jahre Arbeit und Investitionen zu retten“. Die Stauseen sind bei einem Viertel ihrer Kapazität, die geben nichts mehr her, Trinkwasser für die Bevölkerung geht vor.

Ein Bauer auf einem Feld in Spanien.
Bauern in ganz Spanien fürchten wegen der Trockenheit um ihre Ernten. Besonders übel erwischt es Andalusien. © Morell/EFE

Auch in der Region Madrid wurde Landwirten schon der Hahn abgedreht, die Melonenbauern der Zuckermelone Villaconejos, das sind hunderte, „können nicht pflanzen“, zeigt sich Agim-Verbandschef José Carlos Velasco resigniert. Er spricht „den schlechten Zustand der Bewässerungskanäle“ an, 90 Prozent des eingeleiteten Wassers würde „verschwinden“, bis ein Tropfen auf den Feldern landet. „Jeder Bauer investiert um die 5.000 Euro pro Hektar, die Pflanzen werden in Gewächshäusern vorgezüchtet, ihnen droht der Totalverlust, es ist eine Schande“.

Schon 2022 sanken die Einkommen der spanischen Landwirte im Schnitt um sechs Prozent, bei der bekannt hohen Inflation bedeutet das reale Kaufkraftverluste von 20 Prozent und mehr. Bei kleinen Landwirten werden aber Haus, Feld und Hof aus der gleichen Kasse bezahlt. Es geht nicht um ein Jahr mit Einbußen, sondern um die Existenz. Und was das mit der Inflation macht, die bei Lebensmitteln ohnehin sehr hoch war und sich gerade etwas beruhigt zu haben schien, kann man sich ausmalen. Auch Lieferengpässe für Deutschland und Europa bei Obst und Gemüse aus Spanien werden wieder ein Thema.

In Andalusien besteht diese Existenz für zigtausende Familien aus Olivenhainen. Deren Ernte beginnt Ende Oktober, die Oliven werden dann meist zu Kooperativen gefahren, die das Öl herstellen und vermarkten. Doch schon jetzt fürchten die Andalusier um ihr wichtigstes Exportgut, könnten als Weltmarktführer Kunden und Marktanteile verlieren, die man nur mit enormem Preisdumping zurückerobern könne. Bis zu 50 Prozent der bewässerten Olivenernte und 70 Prozent der Olivenbäume „en secano“, die also nur vom Regen leben, stünden auf der Kippe, die vorige Ernte fiel um 40 Prozent geringer aus als im Schnitt. Dass deshalb auch in Deutschland die Preise für Olivenöl steigen, berichtet heidelberg24.de. Auch die Reisfelder sind in Gefahr, Andalusien baut den meisten Reis in Spanien an, weit vor Valencia. Es geht auch um den Wein für den Sherry, vor allem aber um Grundnahrungsmittel und Viehfutter.

Spaniens Wasserwirtschaft im Fokus: Wasser für Tourismus gibt es

Andalusiens Ministerpräsident, Juanma Moreno, delegiert die Schuld für fehlendes Wasser nicht an den Himmel oder die Verschwendung. Für ihn ist Pedro Sánchez, der sozialistische Regierungschef in Madrid, der Schuldige, der Investitionen in Überleitungen und Entsalzung unterlasse, natürlich als politische Bestrafung, weil seine Volkspartei, PP, nach 40 Jahren die Macht in Andalusien übernommen habe.

Demonstranten gegen Wasserkürzungen in Madrid mit Plakaten.
Bauern aus dem Süden Spaniens protestieren in Madrid gegen Wasserkürzungen: „Ihr lasst uns ertrinken, aber nicht im Wasser.“ © dpa/Manu Fernandez

Moreno verspricht dieser Tage beim „dritten Dürre-Gipfel“ in Sevilla 163 Millionen Euro Investitionen in die Wasserwirtschaft, davon 40 Millionen Euro Direkthilfen für Landwirte. Der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Aus Madrid kommt auch einer: Um ein Viertel wird die Einkommenssteuer für 800.000 Bauern gesenkt, das spare, so die Regierung am Dienstag, den Produzenten eine Milliarde Euro. Moreno garantiert „die städtische Wasserversorgung für die kommenden eineinhalb Jahre“. Tourismus-Minister Arturo Bernal legt nach: „auch das Wasser für die Sommersaison“ an der Costa del Sol und den anderen Urlaubsregionen sei „sicher, es wird keine Lieferengpässe geben“. Die Golfplätze bleiben grün.

Was Morenos Landesregierung vor den Kommunalwahlen tunlichst verschweigt, ist der Umstand, dass die Andalusier über die Jahre hunderte Millionen Euro Investitionsabgaben über ihre Wasserrechnungen angespart haben, die aber nicht zweckbestimmt eingesetzt wurden. Auch sagt Moreno nicht, dass nicht Madrid, sondern er für alle Gewässer zuständig ist, die vollständig auf Landesterritorium verlaufen, wie der Guadalquivir. Die Stauseen sind zwar staatlich, die Verbindungen zwischen ihnen aber nicht. Erst jetzt regt der Wasserversorger eine „Wasserautobahn“ von Cádiz nach Málaga an. Die Costa del Sol muss Wasser importieren.

Heilige Kuh Viehfutter: „Revolution“ in der Landwirtschaft immer wieder verschoben

Ein ausgetrockneter Staussee mit Risse im Boden statt Wasser.
Die Iberische Halbinsel erlebt eine schlimme Trockenheit, weshalb mancherorts Behörden den Wasserverbrauch einschränken müssen. © Ángel García

Seit 20 Jahren wird von der „Revolution in der Landwirtschaft“ gesprochen, genauso lange wird sie verhindert: Von altehrwürdigen Bewässerungsgesellschaften, die auf alten Wasserrechten aus der Überleitung quer durch das trockener werdene Land bestehen, von Agrarkonzernen, die unter Plastikplanen mitten in einer Quasi-Wüste Obst und Gemüse für halb Europa produzieren, von „Investoren“ in durstige Tropenfrüchte wie Mangos oder Avocados in Málaga.

Über 70 Prozent der Anbauflächen in Spanien gehen für Viehfutter drauf, auch das ist eine „heilige Kuh“, die sich kein Politiker zu schlachten traut - oder: wenn einer die Massentierhaltung in Spanien als ökologisches und strukturelles Problem benennt, wird er zum Verräter an der eigenen Nation gestempelt. Der Raubbau der Erdbeerbauern am Naturpark Doñana wird von der Landesregierung Andalusiens gerade mit negationistischen Argumenten legalisiert. Jungbauer Daniel Trenado resümiert fatalistisch: „Es gibt immer weniger junge Leute, die in den Beruf gehen, die meisten Höfe werden von Bauern über 60 geführt, die keine Nachfolger finden. Wer von einem Hof leben will, braucht heute eine Million Euro Kapital. Und Regen. Man muss schon etwas masochistisch sein, um sich das noch anzutun“.

Die Urlaubsregionen warten indes auf den großen Ansturm, die Buchungen versprechen einen spanischen Rekordsommer 2023, bei der Zahl der Touristen, den Einnahmen, den Jobs. Aber wohl auch bei Hitzetoten und Waldbränden. Solange die Supermärkte gefüllt sind, wird im Wassermangel kaum eine ernste Bedrohung gesehen. Erst wenn aus Hotelduschen kein Wasser mehr strömt, Pools leer bleiben, das Kilo Freilandtomaten 15 Euro kostet und Paella mit Basmati-Reis serviert wird, dürfte die Message bei allen angekommen sein. Nun ja, bei fast allen, denn die Golfplätze sind dann immer noch schön grün und die Limetten für den Gin Tonic kommen ohnehin aus Peru.

Zum Thema: Andalusien kündigt Wasser-Rationierung ab Herbst 2023 an. Milliarden-Investitionen gegen Dürre in Spanien.

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