1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Politik und Wirtschaft

Dürre in Spanien: Sevilla ruft Wasser-Notstand aus - Lange Liste mit Verboten

Erstellt:

Von: Marco Schicker

Kommentare

Lagune El Rincón in Aguilar
Lagune El Rincón in Aguilar de la Frontera, Provinz Córdoba. Der Pegelmesser steht im Freien. © Salas/EFE

Die Provinz Sevilla ruft den Wassernotstand für 2 Millionen Bürger aus. Weitere Regionen Spaniens werden folgen. Ab Oktober gilt eine lange Liste an Verboten bei der Verwendung von Trinkwasser. Auch die Rationierung steht im Raum.

Sevilla - Werden die berühmten Parks in Sevilla nun vertrocknen müssen, die Stadt am Guadalquivir seine "color especial", seine spezielle Farbe verlieren? Was wird aus den Reisfeldern, auf denen jedes zweite spanische Reiskorn gezogen wird, den Erdbeeren aus Huelva, ohne die ganz Europa nur mit Kohl und Rüben durch den Winter kommen müsste? Müssen die Valencianer bald Paella mit importiertem Basmati-Reis oder gar Kartoffeln zubereiten? Dreht man den Touristen nach zwei Minuten die Duschen ab? Der Reihe nach.

Wassermangel in Spanien: Andalusien ist nur der Anfang

Seit November 2021 stand praktisch ganz Andalusien unter der Vorwarnstufe für extreme Trockenheit, im Frühjahr 2022 rief Málaga bereits den Wasser-Notstand aus, als schlagartig wochenlange, extreme Regenfälle einsetzten. „Bis 2024 haben wir Wasser“ riefen die Behörden, nach „Celia“. Danach fiel lange kein Tropfen mehr, folgte der wärmste Sommer in Spanien seit Beginn exakter Aufzeichnungen 1961, Avocadobauern, Massentourismus, Golfplätze, Verdunstung und leckende Rohrleitungen leerten Flüsse und Stauseen im Handumdrehen.

Mehrere Gemeinden mussten mit Tankwagen versorgt werden, neue Überleitungen von einem Stausee in den anderen, bringen kurz Entspannung, bis sie den Wassermangel quasi exportieren. Selbst in Galicien, Spaniens regenreichster Region, führten weniger Regen, extreme Temperaturen im Sommer und höherer Verbrauch für Landwirtschaft und Tourismus zu einem nie gesehenen Mangel.

Wassermangel in Spanien und Andalusien: Absehbare Katastrophe

Vor einigen Wochen trocknete der Nationalpark Doñana - eigentlich eines der größten Feuchtgebiete Europas - endgültig aus, die letzte Lagune wurde durch tausende illegale Brunnen und Ableitungen für Erdbeerplantagen leergesaugt, zudem regnet es seit einer Dekade um ein Drittel weniger als zuvor. Der Pegel des Flusses Guadalquivir, die Lebensader Andalusiens, steht im Schnitt bei 25 Prozent. Die sechs Stauseen der Provinz Sevilla zwar bei 42 Prozent und damit rund 10 Punkte über dem Landesschnitt, doch die Prognosen eines überdurchschnittlich heißen und trockenen Herbstes in Zentral- und West-Andalusien lassen beim Betreiber Emasesa die Alarmglocken schrillen. "Das Ende ist bereits ausrechenbar", so das Management.

Ausgetrockneter Nationalpark Doñana in Spanien.
Das ist alles, was von der einstigen 45-Hektar-Süßwasser-Lagune Santa Olalla im Nationalpark Doñana geblieben ist. © Estación Biológica de Doñana/CSIC

Das Wasserdefizit aller Reservoirs in der Provinz Sevilla betrug 2020/21 115 Kubikhektometer, die sich zu den 175 des hydrologischen Jahres 2019/20 summieren. Während im September 2018 641 Kubikhektometer Trinkwasser verfügbar waren, sind es im Moment noch 269,4. Das bedeutet auch, selbst wenn jetzt wieder normale Regenmengen einsetzen, schleppt das Land das Wasserdefizit der letzten Jahren mit sich. Es müsste also in den folgenden drei Jahren wenigstens um ein Drittel mehr regnen als im langjährigen Schnitt, um wieder in einen "Normalzustand" zu kommen, der wohl nie wieder erreicht wird. Der Wassermangel, der Notstand wird in Spanien zum Normalfall und Alltag. Daran müssen sich Andalusien und ganz Spanien gewöhnen. Er ist eine Folge des Klimawandels, eine Folge also auch menschlicher Exzesse.

Sevilla erklärt Wassernotstand: Was verboten ist

Ab 1. Oktober gilt nun Stufe 1 des Wassernotstands für die Provinz Sevilla mit 1,95 Millionen Einwohnern, also jedem vierten Andalusier, ein Notstands-Dekret, das mit einer langen Liste von Maßnahmen und bei Vergehen Strafen verbunden ist:

Wasseraufbereitung: Die Privilegien der Golfplätze in Andalusien

Viele, aber nicht alle Gemeinden Sevillas haben ihre Grünflächenpflege und die Straßenreinigung längst auf aufbereitetes Wasser umgestellt, das aus Aufbereitungsanlagen kommt, die das Wasser nicht für den menschlichen Konsum aufbereiten können. Diese Gemeinden können mit diesem Wasser natürlich weiter gießen. Doch längst nicht alle Kommunen haben dazu Zugang. Außerdem sorgten Politiker und Lobbyisten dafür, dass etliche Aufbereitungsanlagen - noch dazu mit öffentlichen Geldern - gerade so ausgelegt wurden, dass das Wasser gerade noch für private Golfplätze und -clubs taugt, die sich so von Einschränkungen freimachen können. Golfplätze genießen in Andalusien also ein Wasser-Privileg.

Ein ausgetrocknetes Flussbett weist Risse im Boden auf.
Eine weitere Folde des Klimawandels: Dürre, wie hier in Huesca in Aragón. © Pedro Armestre/Greenpeace

In Andalusien gibt es 109 Golfplätze, die so viel Wasser verbrauchen wie die Landeshauptstadt Sevilla und Granada zusammen. Bei weitem nicht alles davon ist aufbereitetes Wasser. Diesen Zustand zu ändern, die Aufbereitungsanlagen so auszubauen, dass sie Trinkwasser oder zumindest Wasser für die Bewässerung in der Landwirtschaft produzieren, dazu braucht es neben dem politischen Willen viel Geld. Doch lieber erlässt die PP-Landesregierung einigen tausend Gutbetuchten die Vermögenssteuer, verliert dadurch Zigmillionen Euro und bettelt anschließend polemisch bei der Madrider Zentralregierung um Geld für diese Projekte.

Wasser-Notstand in Andalusien: Wie es weitergeht

Um weitere Einschränkungen vor allem für die Menschen zu vermeiden, will der Sevillaner Wasserversorger Emasesa den durchschnittlichen Verbrauch pro Einwohner von derzeit 112,5 Liter pro Tag auf mindestens 90 senken (zum Vergleich: 250 Liter ist der Verbrauch pro Tourist und Tag an der Costa del Sol) und bittet daher auch um freiwillige Mitwirkung, z.B. kürzeres Duschen, effzientes Wäschewaschen und Geschirrspülen, den Einbau von Wasserzerstäubern in die Wasserhähne sowohl in privaten Haushalten als auch in der Gastronomie und bei anderen Unternehmen.

Bleibt das Wasser länger aus, schmelzen die Ressourcen in Andalusien weiter zusammen, muss der Notstand um eine Stufe erhöht werden. Was dann folgt: Einschränkungen für die Landwirtschaft (die rund zwei Drittel des Wassers verbraucht), dann für Industrie und Gewerbe, einschließlich des Tourismus samt Hotels und am Ende notfalls auch Rationierung von Wasser für Privathaushalte. Ein Szenario, das in den kommenden Monaten halb Spanien bevorstehen wird, denn der Wassermangel ist - wie das Video aus Galicien zeigt - längst kein andalusisches oder gar temporäres Problem mehr.

Zum Thema: Dürre in Spanien - Kann Meerwasserentsalzung das Problem lösen?

Auch interessant

Kommentare