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Grüner Wasserstoff: Spaniens Energie-Revolution - Sauberer Kraftstoff, Speicher für Erneuerbare Energien

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Von: Marco Schicker

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Installation für Grüner Wasserstoff der Firma Rolwind
Die ideale Kombi: Grüner Wasserstoff, mit Erneuerbaren Energien erzeugt und dezentral gespeichert als Stromreserve. © Germán CanoI/www.rolwind.com

Mit Milliarden-Investitionen will Spanien grünen Wasserstoff zum maßgeblichen Energieträger in Europa machen. Neben sauberem Kraftstoff aus Biomasse lockt Andalusien vor allem das Potential des Bio-Wasserstoffs als Batterie für Solaranlagen und Windparks.

Sevilla – Für Andalusien ist „grüner Wasserstoff“ ab sofort eine „Staatsangelegenheit“. 150 Unternehmen unterzeichneten Ende März in Sevilla den Pakt für eine „Alianza Andaluza por el Hidrógeno Verde“, die andalusische Allianz für grünen Wasserstoff. Laut Landesministrpräsident Juanma Moreno seien bereits 15 Projekte mit Investitionen von sechs Milliarden Euro im Gange. Durch die Kooperation von privater und öffentlicher Hand wolle Spanien EU-Marktführer bei Erzeugung und Anwendung grünen Wasserstoffs werden und Andalusien dabei in Spanien Spitze sein.

Der Hintergrund: Durch Erneuerbare Energien oder Biomasse erzeugter Wasserstoff ist, wenn in Zukunft einmal der Preis durch Senkung der Produktionskosten und die Infrastruktur stimmen, vor allem für große Fahrzeuge (die als reine Elektroautos zu große und zu schwere Batterien hätten), also LkW, aber auch Busse für den Stadt- und Überlandverkehr sowie für die Schifffahrt interessant und hier sowohl für Frachtschiffe als auch die Fischereiflotten.

Grüner Wasserstoff: Spanien will Sonnenenergie und Windenergie in Wasserstoff-“Batterien“ speichern

Spanien: Olivenöl ist Andalusiens flüssiges Gold.
Oliven bei Monturque so weit das Auge reicht. Auch die Kerne der Oliven sind ein Enerieträger. © Andreas Drouve

Vor allem aber könnte grün erzeugter Wasserstoff das Problem der Speicherung von Solar- und Windenergie dezentral und effizient lösen. In Überschusszeiten würden Solar-, solarthermische bzw. Windkraftwerke den Strom durch Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln, der sich relativ gut und lange vor Ort speichern lässt und bei Bedarf über Brennstoffzellen sauber wieder in Strom umgewandelt und bedarfsgenau ins Netz gespeist werden kann. Durch die grünen und erneuerbaren Quellen und die stastionäre Anwendung, schlägt auch der geringere Wirkungsgrad bei der Umwandlung von H2 in Strom nicht so negativ zu Buche, wie z.B. in einem PkW.

Je höher der Anteil Erneuerbarer Energien am Energiemix ist, umso wichtiger wird die Möglichkeit der Speicherung und kontrollierten Einspeisung, um die Netzstabilität zu wahren und um widrige Wetterbedingungen auszugleichen. 2022 lag der Anteil Erneuerbarer Energien in Spanien bei rund 45 Prozent, im März 2023 waren es sogar 53 Prozent. Der Süden Spaniens ist außerdem für solarthermische Kraftwerke bestens geeignet, die hier eine besonders hohe Effizienz erreichen und auch Meerwasser entsalzen könnten, das dann wiederum in Wasserstoff gewandelt wird.

Verwertung von Orangen in Spanien
In Sevilla werden Orangen von den Straßen zu „sauberer“ Energie verarbeitet, statt nur auf der Müllkippe zu landen. © Raúl Caro/EFE Verde

Die Anwendungsmöglichkeiten für grünen Wasserstoff sind unendlich. Bisher ist Wasserstoff an den viel zu wenigen Tankstellen noch ungefähr genauso teuer wie herkömmliche Kraftstoffe (berechnet auf die erreichbare Distanz), für die industrielle Anwendung dominiert in Nordeuropa zudem noch der „graue“ Wasserstoff, der aus Erdgas oder anderen Energielieferanten hergestellt wird, die ungünstige Emissionen ausstoßen. Neben den wachsenden Kapazitäten der Erneuerbaren Energien verfügt Andalusien über Millionen Tonnen ungenutzer Biomasse, aus der sich klimaneutral Wasserstoff erzeugen lässt. Das wird bereits mit den Resten der Olivenöl-Produktion gemacht, wenn auch lange noch nicht flächendeckend, aber auch sonstige Agrar-Überbleibsel, Grünschnitt sowie das anfallende Unterholz bei der in Spanien noch vernachlässigten Waldbrand-Prävention stellen weiteres Potenial dar und sogar die Orangen zigtausender Bäume in Andalusiens Städten bieten Biomasse für die Energieerzeugung.

Spaniens Energiekonzerne stellen herkömmliche auf Biomasse-Kraftwerke für Wasserstoff-Produktion um

Führend im andalusischen Wasserstoff-Konsortium sind der Energiekonzern Cepsa, der mehrere Wasserstoffwerke errichtet und dabei auch konventionelle Kraftwerke umrüstet (auf Biomasse) sowie der Container-Reeder Maersk, der in den Häfen Andalusiens Wasserstoffterminals einrichten will, um künftig Schiffe zu betanken und Wasserstoff zu exportieren. Dem Wasserstoff wird das Potential nachgesagt, im armen andalusischen Hinterland bis zu 10.000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Vereinigung des Andalusischen Wasserstoffs AAH, eine Art Cluster und Lobbyverband hidrogenoandalucia.org geht noch weiter und spricht von „30.000 technologischen Arbeitsplätzen und Investitionen in der Höhe von 10 Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren“. Dabei habe man aber nur die 12 größten Projekte berücksichtigt, die aktuell bereits im Gange seien und binnen fünf Jahren auf Vollbetrieb laufen. Dazu gehören das Projekt „Puerto de Europa“, das von Iberdrola und Fertiberia getragen wird und an dem 80 europäische Unternehmen beteiligt sind. Für 1,5 Milliarden sollen Elektrolyseure mit einer Kapazität von 600 Megawatt bei Palos de la Frontera, unmittelbar bei Huelva, errichtet und betrieben werden. Gespeist werden diese mit Biomasse, die das Erdgas als Energiequelle bei der Produktion von Wasserstoff ablösen werden.

Spaniens Energiekonzerne investieren massiv in Bio-Wasserstoff

Kraftwerk für die Herstellung von grünem Wasserstoff in Spanien
Kraftwerk für die Herstellung von grünem Wasserstoff in Spanien. Hier die Anlage von Iberdrola in Puertollano (Projektstudie). © Iberdrola

Ein ähnliches Projekt wird direkt im Hafen von Huelva gestartet, im Zentrum des sogenannten „Andalusischen Wasserstoff-Tals“, Cepsa, bisher spanischer Marktführer bei der Herstellung von grauem Wasserstoff, stellt unter anderem seine Kraftwerke in Campo de Gibraltar und Huelva auf Biomasse um und will allein rund 5 Milliarden Euro in diese Technologie bis 2030 investieren. Auch bei grünem Kerosin aus Biomasse ist Cespa mit dabei, Flugzeuge starten von Sevilla bereits mit einer Beimischung auf der Basis von Olivenkernen. Andere Unternehmen im andalusischen Wasserstoff-Cluster interessieren sich mehr für das Hinterland und die Kopplung von Anlagen zur grünen Energieerzeugung mit kleineren Wasserstoff-Kraftwerken sowie der Speicherung des Wasserstoffs zum oben beschriebenen Netz- und Bedarfsausgleich. Auch für die Nutzung der Biomasse wird es entscheidend sein, dass nicht nur Großprojekte der Energiegiganten exsitieren, sondern dezentral und kleinteilig geplant und investiert wird, sowohl, um die Rohstoffe in der Nähe zu haben als auch die Abnehmer, zum Beispiel kleine Gemeinden oder Agrarbetriebe.

Wasserstoff-Terminals in Spaniens Häfen - H2-Pipeline durch Europa

Auch außerhalb Andalusiens gibt es in Spanien etliche Projekte mit Blick auf Bio-Wasserstoff: So hat der Energiekonzern Endesa bis 2024 23 Projekte zur Herstellung von Bio-Wasserstoff über ganz Spanien verteilt am Start, die Investitionssumme beträft knapp 3 Milliarden Euro, acht Projekte aus Biomasse Wasserstoff herzustellen, sind so groß, dass sie sogar eine Genehmigung der Zentralregierung in Madrid benötigen. Naturgy und Enagás, also traditionelle Gas-Verwerter, wollen mit einer 350 MW-Windkraftanlage in Asturien sauberen Wasserstoff generieren, als erneuerbare Energiereserve für eine zunehmend auf Nachhaltigkeit pochende, aber auch Versorgungssicherheit fordernde Kundschaft.

Eine weitere Vision der Spanier ist dabei die Errichtung einer Pipeline für Wasserstoff in den Norden Europas als langfristige Alternative zum Gas für das Heizen und die Stromerzeugung. Diese Pipeline „H2Med“ wird - wie die MidCat für Flüssiggas derzeit zwischen Katalonien und Marseille geplant, auch wenn Frankreich bremst, die Andalusier hätten sie gerne bis in den Süden verlänert. Auch die Um- oder Nachrüstung bestehender LNG-Häfen für Flüssiggas ist Teil dieses Plans, denn diese Terminals und auch die Transportschiffe lassen sich relativ leicht für das Handling von Wasserstoff adaptieren. Spanien hat sieben, strategisch bestens verteilte LNG-Terminals zu bieten, in Barcelona (Katalonien), Huelva (Andalusien), Cartagena (Murcia), Bilbao (Baskenland), Sagunto (Valencia), Mugardos (Galicien) sowie El Musel (Gijón, Asturien), deren Bedeutung seit der Energiekrise durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine für ganz Europa enorm gestiegen ist. Die Häfen von Algeciras und Rotterdam betreiben bereits einen „Korridor für grünen Wasserstoff“, um nach und nach die kommerzielle Schifffahrt umweltfreundlicher zu gestalten, Cádiz plant das Angebot bald für Kreuzfahrtschiffe der neuesten Generation, die die alten Ozean-Stinker ersetzen sollen.

Wasserstoff aus Atomkraft: Franzosen größte Konkurrenz für Spaniens Wasserstoff-Ambitionen

Der größte Konkurrent im erhofften Wasserstoff-Boom sind die Franzosen, die mit den Überschüssen ihrer Atomkraftwerke unschlagbar billig Wasserstoff herstellen und selbst exportieren können und wollen. Allerdings kommen die immer häufiger in Schwierigkeiten, da durch den Klimawandel die Flüsse auch in Frankreich immer weniger Kühlwasser für die Atommeiler führen. Die Sonne im Süden Spaniens geht hingegen eher nicht aus und die Biomasse, ob nun aus Oliven oder Unterholz, wohl auch nicht so schnell. Für Spaniens leeres Hinterland, speziell Andalusien, wäre die Energie-Revolution zum grünen Wasserstoff auch ein probates Mittel gegen die verheerende Landflucht.

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