Zwischen Ihro Majestät, Juan Carlos I., der aus dem Land gejagte Leuchtturm des demokratischen Wandels und der guten alten Werte in Spanien bis zu Juan Carlos, die anachronistische, steuerhinterziehende, machistische Skandalnudel, die sich 2020 feige in ein Wüstenemirat zu seinen „Sponsoren“ abgesetzt hat, ist dann alles dabei. Wobei der Borbone, ob er will oder nicht, als Projektionsfläche für die Königstreuen wie für die Gegner der Monarchie, also die Republikaner gleichermaßen herhalten muss. Beider mediale Performance verendet meist irgendwo zwischen Argumentation, Propaganda und peinlichem Voyerismus, in einem verbalen Bürgerkrieg unversöhnlicher Parteien.
Allerdings hat Juan Carlos mit seinen Auftritten und Handlungen auch alles dafür getan, genau in jenem boulevardeksen Rampenlicht zu stehen, das seine Verteidiger als unwürdig anprangern und das Sohn Felipe VI. und seinen Hof regelmäßig in Erkläungsnot bringt. Schuldet Juan Carlos den Spaniern nun eine Erklärung für sein unsolidarisches Finanzverhalten, seine Lügen, seine Affären? Sollte Felipe seinen Vater treffen, das Land ihm verzeihen? In der „Zarzuela“, wie wir Monarchie-Geübte das Königshaus der Bourbonen nach seinem Wohnsitz cool abkürzen, war man gar nicht erfreut über die Besuchsankündigung des alten Haus- und Landesherrn. Felipe habe Papi inständig darum gebeten, erst nach den Kommunalwahlen am 28. Mai zu kommen, um keine königliche Munition für den Walhkampf zu liefern. Man sehe sich ja ohnehin am 6. Mai zur Krönung von Charles in London.
Doch Juan Carlos hört ungern auf seinen Sohn, der ihm auch sämtliche Bezüge strich. Am Dienstag traf sich Juan Carlos I. mit seinem englischen Cousin King Charles III. in London zu einem diskreten Dinner und besuchte den altehrwürdigen, komplett elitären Gentlemens-Club „Oswald“ in der britischen Hauptstadt, bevor er sich von Bodyguards auf einen VIP-Balkon des Chelsea-Stadions an der Stanford Bridge hieven ließ, um das Viertelfinalrückspiel „seines“ Real Madrid in der Champions League anzuschauen. „Die Königlichen“ gewannen für ihren Schirmherren das muntere Spiel.
Am Mittwoch ging es dann weiter, zum zweiten Besuch in Spanien seit seiner „Flucht“ ins Wüsten-Exil 2020. Das Ziel ist wieder der kleine Küstenort Sanxenxo in der Provinz Pontevedra in Galicien, wo der 85-jährige Juan Carlos mit seinen alten Segelfreunden an der jährlichen Regatta teilnehmen will, trotz seiner sichtbaren Mobilitätsprobleme. Aus „seinem Umfeld“, wie es in den Boulevard-Medien immer so gern kryptisch-informiert lautet, wird bekannt, dass der Altkönig gleich mehrfach „zum Training“ nach Galicien kommen werde, schon im Mai das nächste Mal, sein Ziel sei die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in der 6mR-Klasse, die Anfang September auf der britschen Isle of Wight ausgetragen wird, witzigerweise eine berühmt-berüchtigte Steueroase. 2017 gewann Juan Carlos mit seiner Crew diesen Wettbewerb im kanadischen Vancouver mit seinem Segelschiff Bribón 500 und 2019 verteidigte er den Titel in Finnland.
Warum ist Juan Carlos in Spanien so ein heikles Thema geblieben? Schon im März 2022 wurden sämtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, die in Spanien ohnehin nur sehr halbherzig geführt wurden, eingestellt. Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez soll selbst dafür gesorgt haben, weil er endlich das Thema beenden wollte. Er verteidige, sagte er immer wieder, die Institution, nicht die Person. Er ist also Monarchist, will nur keinen König, der klaut, denn der ist gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte (in Friedenszeiten) sowie Staatsoberhaupt, wenn auch nur mit den Aufgaben eines hübsch kostümierten Grüßaugust`. Der König muss dem Premier sogar seinen Kalender zur Genehmigung vorlegen, eine Devotion, die freilich für die Familie Borbón mit vielen Steuermillionen vergütet wird. Im Gegenzug bleibt die Unantastbarkeit des Königs in der Verfassung unangetastet, auch unter „sozialistischer“ Regierung.
Auch die Richter in Großbritannien und in der Schweiz bringen nichts Belastbares zustande, obwohl die Ex-Geliebte Corinna Larsen (frühere zu Sayn-Wittgenstein) bei eidesstattlichen Aussagen Dinge offenbarte, die für eine handfeste Staatsaffäre und eine Netflix-Serie Stoff liefern. Grob ging es darum, dass Juan Carlos I. ihr einst um die 65 Millionen Euro in bar zur Aufbewahrung überlassen haben soll (sie sagt, als Geschenk), das Juan Carlos - noch im Amt - als Provision für die Vermittlung des Baus des Hochgeschwindigkeitszugs AVE in der Wüste nach Mekka erhalten habe. Juan Carlos forderte das Geld irgendwann zurück und es hätten sich hohe Offiziere des spanischen Geheimdienstes eingemischt und Corinna unter Druck gesetzt, die um ihr Leben fürchtete. Dann waren da noch ein paar Koffer mit Bargeld in der Schweiz, Off-Shore-Firmen auch auf den Namen seines Sohnes, Millionen Ausgleichszahlungen an das spanische Fiananzamt für einen wahrlich königlichen „Deal“ usw.
Dass der Altkönig womöglich ein Steuerhinterzieher also ein korrupter Dieb am eigenen Volk, ein notorischer Ehebrecher und Lüstling, ein Elefantenmörder und überhaupt eine traurige Witzfigur ist, obwohl der sich von Franco persönlich als Nachfolger ausgebildete Blaublüter als durchaus standhafter Demokrat in der Transición sowie während des Putschversuchs 1981 in Erscheinung trat, ist eine Gemengelage, die in einer modernen Demokratie natürlich absurd erscheint. Doch so lange Juan Carlos lebt, wird er präsent bleiben und sei es auch als „Content“-Lieferant für die Boulevard-Welt.
Die bekommt ständig zusätzlich Futter, nicht nur durch das Darben des vorbestraften Ex-Schwiegersohns Iñaki Urdangarín, das Leiden der verlassenen Gattin, Königin Sophia, die sich wohl mit Letizia nach einem langen „Zickenkrieg“ versöhnt zu haben scheint, das Aufblühen der Thronfolgerin Prinzessin Leonor, die vom Internat von Wales nun bald in die Uniform der spanischen Streitkräfte zu einem Schnelldurchlauf wechselt, durch die preiswerten aber gleihzeitig todschicken Kleider Letizias, die immer dünner zu werden scheint. Nein, auch Juan Carlos Enkel, Froilán, Sohn von Infantin Elena und der Inbegriff des hochadeligen Nichtstuers, liefert zuverlässig Stoff. Er wurde nun auch nach Abu-Dhabi „zu Opa“ verschifft. Dort soll er sich eine nützliche Aufgabe suchen, in Spanien sah man ihn zu oft in zwielichtigen Beach Clubs, mit vielen Drogen, leichten Mädchen und schweren Jungs. Der Apfel fällt offenbar nicht weit vom Stamm. Sind all diese Themen ausgeschlachtet, nimmt Boulevard-Spanien dankbar den Besuch von Juan Carlos entgegen und sei es auch nur ein unschuldiger Segeltörn in Galicien. Irgendwas finden sie immer, the show must go on. Apropos Show: Auf Sky Deutschland läuft ab 21. Mai 2023 eine vierteilige Doku: Juan Carlos - Liebe, Geld, Verrat.