Lohnerhöhungen in Spanien: 10 Prozent mehr Gehalt bis 2025 und Zuschläge über der Inflation

Spaniens Sozialpartner einigen sich auf maßgebliche Lohnerhöhungen. Diese sind zwar nur eine Empfehlung, aber weisen traditionell die Richtung: 4 Prozent 2023, je 3 Prozent für 2024 und 2025 sollen es sein. Zudem gibt es einen Aufschlag auf die Inflation. Wenn die im Rahmen bleibt.
Madrid - Am Mittwoch, 10. Mai 2023, einigten sich die Arbeitgeberverbände CEOE und Cepyme sowie die beiden größten Gewerkschaftskonföderationen UGT und CC.OO. auf einheitliche Empfehlungen für die Aushandlung der Löhne und Gehälter in den Kollektiverträgen fast aller Branchen des privaten Wirtschaftssektors. Üblicherweise halten sich die Verhandlungspartner an diese Übereinkunft oder benutzen sie zumindest als Leitfaden. Dem Abkommen, über das wochenlang gerungen wurde und dessen Zustandekommen kurz vor den vielen Landtags- und den Kommunalwahlen relativ erstaunlich ist, liegt die Annahme zu Grunde, dass die Preise 2022 im Schnitt um 8,4 Prozent, die Gehälter aber nur um 3 Prozent gestiegen sind.
Löhne in Spanien: Erhöhungen 2023 bis 2025 und einen Aufschlag auf die Inflation
Das ist zwar nur eine sehr verallgemeinerte, rein statstisch richtige Rechnung, aber irgendwo mussten Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter einen Strich ziehen, um verhandeln zu können. Es gab 2022 Branchen, in denen die Löhne sogar fielen, während sich die Lebensmittel von der allgemeinen Inflation abkoppelten und im Schnitt um 15 Prozent teurer wurden, was naturgemäß die Ärmeren am härtesten trifft, die ja einen größeren Teil, wenn nicht den gesamten Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Beschaffungen aufbringen müssen.
CEOE, Cepyme, UGT und CC.OO. einigsten sich auf folgende Lohnerhöhungen, wohlgemerkt als Empfehlung: 4 Prozent Lohnerhöhung in Spanien für das Jahr 2023 (rückwirkend ab 1. Januar), je 3 Prozent Lohnplus für die Jahre 2024 und 2025 sowie einen Zuschlag von je einem Prozent über der Inflationsrate (Kerninflation). Diese letzte Maßnahme klingt relativ gewagt, denn sie lässt sich nur bei „normalen“ Inflationraten im Bereich von 2-4 Prozent wirklich umsetzen, sollte die Teuerung dann - aus welchen Gründen auch immer - wieder so galoppieren wie 2021, werden die Arbeitgeber das Abkommen natürlich in Frage stellen. Ihnen schien es aber jetzt wohl erst einmal wichtiger, der Linken und der Arbeiterbewegung den Protestwind aus den Segeln zu nehmen und ihnen den angekündigten „heißen Herbst“ vor den Parlamentswahlen im Dezember zu verderben.
Lohnerhöhung in Spanien: „Hohe Kaufkraft beste Waffe gegen Wirtschaftskrisen“

„Das Abkommen bringt Stabilität und Ruhe in die Unternehmen, die nun wissen, wohin die Reise geht“, lobte CEOE-Chef Antonio Garamendi die Übereinkunft. „Aus entgegengesetzten Standpunkten schafften wir eine Einigung“ lobt auch Cepyme-Präsident Gerardo Cuerva die Einigung, das würde „interne und externe Unsicherheiten zerstreuen“ was eben auch wichtig für Investoren sei. UGT und CC.OO.-Gewerkschafter betonten die Wichtigkeit eines gesellschaftlichen Konsens „bei der Verteilung des Reichtums“, die Lohnerhöhung werde letztlich dem Konsum zu Gute kommen, so gewönnen alle. „Wenn die Verpflichtungen eingehalten und von den Verhandlern übernommen werden, würde das bis Ende 2025 höhere Löhne zwischen 10,33 und 13,56 Prozent bedeuten, je nach dem, wie die Inflation läuft“, rechnen sie vor. Starke Kaufkraft sei „die beste Waffe gegen ökonomische Krisen“.
Läuft alles nach Plan, würden die Lohnerhöhungen in Kürze in rund 1.400 Kollektivverträgen für über 5 Millionen Spanier implementiert. Im Handel in Spanien gab es für Hunderttausende bereits zuvor eine Einigung. Eine automatische Inflationsanpassung über das Jahr 2026 hinaus wollten die Arbeitgeber nicht mittragen, die Gewerkschaften blitzten ebenfalls mit der Idee einer Nachzahlung für die exorbitante Teuerung 2022 ab. Auch die Kopplung der Gehälter an die Betriebsergebnisse, also eine reale Beteiligung am Erfolg des Unternehmens, war für die Arbeitgeber nicht hinnehmbar, wie auch, das würde ein Grundprinzip des Kapitalismus unterlaufen. Die Runde wird weiterverhandeln, Themen wie ökologische Produktion, Home-Offiche und Digitalisierung, neue Arbeitszeitmodelle und arbeitsrechtliche Kontrollen bieten ein weites Verhandlungs- und Minenfeld.
Offen bleibt, wie der öffentliche Sektor auf die Vorgaben reagiert, vor allem Polizei und Gesundheitswesen sind als besonders gebeutelte Bereiche ein Unsicherheitsfaktor, der doch noch die Straßen als Verhandlungsraum (wieder)entdecken könnte, wie sie das bei den Demos zum 1. Mai bereits deutlich ankündigten. Trotz aller Kompromisse und Unwägbarkeiten ist die Einigung bei der Empfehlung zu den Lohnerhöhungen ein weiterer, wenn auch indirekter Erfolg der Regierung Sánchez, die das Abkommen als Beweis für die Konsensfähigkeit heranziehen kann. Zusammen mit dem im Rekordtempo erhöhten gesetzlichen Mindestlohn in Spanien, etlichen Hilfspaketen zur Linderung der Inflation sowie dem gigantischen (wenn auch nicht ganz glaubwürdigen) Programm für sozialen Wohnungsbau, hofft Regierungschef Pedro Sánchez den Umschwung in den Umfragen erreichen und einen Sieg bei den Parlamentswahlen Ende 2023 für seine Regierungsmehrheit einfahren zu können.
Zum Thema: Spaniens Arbeitsmarkt - Aktuelle Daten und eine Analyse.