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Mehrwertsteuer auf Gas sinkt deutlich: Spanien kämpft weiter gegen hohe Energiepreise

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Von: Marco Schicker

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Scholz und Sánchez bei einer Pressekonferenz.
Pedro Sánchez und Olaf Scholz arbeiten an einer gemeinsamen Strategie gegen die Energiekrise. © Borja Puig de la Bellacasa/Moncloa

Gerade aus Deutschland zurück, kündigt Spaniens Regierungschef Sánchez eine deutliche Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas an. Auch eine weitere Anhebung des Mindestlohns steht im Raum. Die Liste der Entlastungen wird zwar immer länger, doch der Effekt für die Bürger bleibt bescheiden.

Madrid - mar. Spaniens Regierung wird die Mehrwertsteuer auf Gas senken. Das erklärte Regierungschef Pedro Sánchez am Donnerstagmorgen, 1. September, in einem Radio-Interview auf Cadena Ser. Die IVA auf Gas für Endkunden soll damit ab 1. Oktober von 21 auf 5 Prozent fallen. Die Maßnahme soll zunächst bis Ende des Jahres 2022 gelten, eine Verlängerung sei aber denkbar und wird der Staatskasse bis Jahresende rund 1,5 Milliarden Euro Einbußen einbringen, etwa so viel wie sie durch das Abschöpfen der Übergewinne der spanischen Energiekonzerne durch eine Sondersteuer einzunehmen gedenkt.

Spaniens senkt Mehrwertsteuer auf Gas: Jeder vierte Haushalt spart dadurch

"Wir wollen damit die Heizrechnung für spanische Familien senken" und damit "unsere Politik des Schutzes der arbeitenden Menschen fortsetzen, gerade jetzt wo es in den Herbst und Winter mit seinen Ungewissheiten geht", sagte Sánchez. Laut dem nationalen Statisikinstitut INE, verfügen rund 70 Prozent der spanischen Wohnungen über ein Heizsystem, rund 7 Prozent davon werden über Fernheizungen oder Gebäudesysteme erwärmt, während rund 25 Prozent über individuelle Gasheizungen befeuert werden, beide Gruppen werden von der Steuersenkung direkt profitieren.

Befragt nach allfälligen Rationierungen von Gas für die Industrie oder die Privatverbraucher, antwortete Sánchez, dass diese aufgrund der besonderen Versorgungssituation Spaniens nicht auf der Agenda stünden, aber, sollten die mit der EU vereinbarten Sparziele (von 7 Prozent des für die Stromerzeugung nötigen Erdgases), nicht erreicht werden, solche Zuteilungen Teil des nationalen Energienotfallplans seien.

Die angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas in Spanien ist gleichzeitig ein Schritt zu auf seinen Kontrahenten, PP-Chef Alberto Núñez Feijóo, der die Idee einer Mehrwertsteuersenkung auf Gas mehrfach ins Gespräch brachte, die z.B. Deutschland bereits umsetzt. Gleichzeitig forderte Sánchez Feijóo auf, "nicht ständig Katastrophenstimmung zu verbreiten" und wiederholte sein Angebot, mit ihm über gemeinsame Krisenpakete zu verhandeln.

Spaniens Kampf gegen explodierende Energiepreise

Feijóo, der erst vor wenigen Monaten den PP-Parteivorsitz des gescheiterten Populisten Pablo Casado übernahm, trat zunächst kooperativer und staatsmännischer auf als sein Vorgänger, die PP überholte die PSOE mittlerweile in Wahlumfragen. In den letzten Wochen verschärfte der frühere galicische Ministerpräsident seine Tonart allerdings sehr und liefert nur noch Totalopposition zu Sánchez' "gescheiterter Regierung". Die PSOE besteht indes darauf, mit der PP nur über Dinge debattieren zu wollen, "die wirklich Spanien helfen".

Olaf Scholz und Pedro Sánchez in Deutschland.
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz will sich einige soziale Maßnahmen von Sánchez zum Vorbild nehmen. © Borja Puig de la Bellacasa/Moncloa

Die radikale Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas ist nur die jüngste von etlichen Maßnahmen, mit der die Regierung Sánchez versucht, explodierende Energiepreise, von Strom bis Kraftstoffen für die Konsumenten verträglicher zu machen. Sie senkte bereits die Mehrwertsteuer auf Strom auf 5 Prozent, bereinigte die Stromrechnung um einige Abgaben und Umlagen, zahlt 20 (gewerblich 30) Cent Subvention auf jeden Liter Kraftstoff, integrierte weiere Einkommensklassen in die soziale Strompreissubventionierung, gewährte eine Einmalzahlung, verordnete den weit verbreiteten Buthan-Gas-Flaschen einen Höchstpreis, verbilligte Monatskarten auf Renfe-Strecken einschließlich S-Bahnen, entkoppelte den Strom- vom Gaspreis und setze nach harten Verhandlungen in Brüssel die "Iberische Ausnahme" durch, eine Deckelung des Gaspreises für die Stromerzeugung.

MidCat-Pipeline von Spanien nach Deutschland: Frankreich wird weichgekocht

Energiekonzernen wurde außerdem eine Übergewinnsteuer auferlegt, die Spaniens Haushalt finanziellen Spielraum für soziale Umverteilungen geben soll, ein Modell, dass jetzt in mehreren EU-Ländern Schule macht. Zwar wurde der August trotz all dieser Maßnahmen beim Strompreis für Endkunden der zweitteuerste Monat aller Zeiten, doch die Strompreise in Spanien liegen nun mehrere hundert Euro pro Megawattstunde unter jenen in Frankreich oder Deutschland, während Strom zu Beginn der Krise noch deutlich teurer war als dort, trotz der viel geringeren Einkommen.

Außderdem stellt Spanien seine weit entwickelten Flüssiggashäfen mit Regasifizierungsanlagen als Übergangslösung für Länder dar, die noch zu sehr von russischem Gas abhängen, mittlerweile haben die USA Algerien als größtes Gaslieferland für Spaniern überholt. Bei einem Treffen mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag machten sich beide zudem für den Ausbau der MidCat-Pipeline durch die Pyrenäen stark, die Frankreich wegen nationaler Interessen noch blockiert, obwohl es erste Anzeichen der Zustimmung gibt, vor allem, da Frankreichs Atomkraftwerke, die dort 80 Prozent der Stormversorgung abdecken, durch die niedrigen Pegel der Flüsse längst nicht mehr so zuverlässig sind, wie sie dargestellt werden. Die MidCat könnte ab 2024 Erdgas von Spanien nach Deutschland liefern.

Spanien will gesetzlichen Mindestlohn noch 2022 deutlich anheben

Pedro Sánchez, für den vor allem aufgrund der hohen Inflation in Spanien (im August immer noch 10,4 nach über 11 Prozent im Juli) ein sozial angespannter Herbst zukommt, besteht darauf "den sozialen Dialog fortzuführen". Seine Arbeitsmarktreform würde greifen, wenn sie entsprechend umgesetzt wird. Außerdem forderte er die Arbeitgeberverbände auf, eine klare Position zur "unumgänglichen" Anhebung des Mindestlohns zu äußern, kritisierte die Arbeitgeber aber nicht so scharf wie seine linke Vizeregierungschefin Yolanda Díaz. Diese fordert im Namen von Podemos und anderen Linksgruppen "eine sehr deutliche Anhebung" des gesetzlichen Mindestlohnes (derzeit 1.050 Euro x 14), nachdem die Regierung Sánchez den Mindestlohn in ihrer Amtszeit bereits um über 200 Euro angehoben hatte.

Sonne, Wind und Putin: Spaniens Erneuerbare Energien liefern mehr als sauberen und billigen Strom.

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