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Nato-Gipfel Madrid: Der Stategiewechsel, die Aufrüstung und die Folgen für Spanien

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Von: Stephan Kippes

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Das Staatschef beim Gala-Dinner des Nato-Gipfels im Prado-Museum.
Die Staats- und Regierungschefs beim Nato-Gipfel. © Bertrand Guay/dpa

Der Nato-Gipfel in Madrid wird als Erfolg gefeiert. Der Strategiewechsel und die Aufrüstung stellt Spanien vor Herausforderungen.

Madrid – Madrid glich diese Woche einem Hochsicherheitstrakt. Wegen des Nato-Gipfels am Mittwoch und Donnerstag riegelten über 10.000 Einsatzkräfte der Polizei die Hauptstadt von Spanien ab und führten massive Kontrollen von nie gesehenem Ausmaß durch. Die Bürger hielt man an, zu Hause im Homeoffice zu bleiben oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. An eine Autofahrt in der Innenstadt war nicht zu denken. Im Messegelände Ifema entwarfen 30 Staats-und Regierungschefs eine neue Weltordnung aus Sicht der Nato – und allein das mutet gefährlich an.

Nato-Gipfel in Madrid: Ukraine-Krieg führt zu Blockbildung gegen Russland und China

Der Ukraine-Krieg macht den Gipfel zum Kriegsrat. Es geht um mehr Waffen, um Aufrüstung der Mitgliedsstaaten, um die Stationierung von Nato-Verbänden an der Ostgrenze, eine ständige Eingreiftruppe von über 300.000 Soldaten in Europa, aber auch um Unterstützung der Ukraine, damit sie den Angriff Russlands abwehren kann. All das kostet Geld, viel Geld.

Spanien müsste seine Verteidigungsausgaben verdoppeln, um das Nato-Ziel zu erreichen und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Verteidigungshaushalt zu stecken. Woher aber die zwölf Milliarden Euro nehmen, wenn nicht stehlen oder von woanders her abzwacken? Das dürfte bei einer Inflation von über zehn Prozent dem Volk schwer zu vermitteln sein, zumal beim Nato-Gipfel überhaupt kein Lösungsweg aufgezeigt wurde, der Hoffnung auf ein absehbares Ende des Ukraine-Kriegs machen könnte. Ganz im Gegenteil. Der Krieg wird wohl länger als viele erwartet haben die Ukraine und die europäischen Wirtschaften schwer belasten. So musste Spanien unmittelbar vor dem Gipfel ein weiteres Hilfspaket von neun Milliarden Euro schnüren

Nato-Gipfel Madrid: Tausende demonstrieren im Vorfeld für Frieden

Keineswegs alle Spanier teilen die Vorstellung von Friedenspolitik mittels Aufrüstung und Blockbildung. Am Wochenende demonstrierten Tausende in Madrid gegen die Nato, gegen hohe Militärausgaben und für den Frieden. Die Gelder würden sie lieber in Bildung, Sozial- und Gesundheitswesen stecken, wo sie auch gebraucht werden. Allerdings muss man angesichts der Teilnehmerzahl eher von einer kritischen Minderheit als Masse sprechen. Und keine hatte eine Antwort dabei, wie man Putin stoppen könnte.

Trotzdem, ein innenpolitisches Nachspiel wird der Nato-Gipfel wohl haben. Solche konkreten Abkommen wie das zwischen US-Präsident Joe Biden und Ministerpräsident Sánchez über die Aufstockung der Zerstörer im Marinestützpunkt Rota von derzeit vier auf sechs Schiffe müssen durchs Parlament. Und die Bündnispartner der Sozialisten stehen der Nato kritisch gegenüber, von Podemos bis hin zu den baskischen und katalanischen Separatisten. Da werden die Sozialisten Überzeugungsarbeit leisten müssen, vor allem wenn es um die Aufstockung der Verteidigungsetats geht. Sánchez wird eher rechts der Sozialisten bei PP, Ciudadanos und Vox Unterstützung finden als bei seinen linken Bündnispartnern.

US-Präsident Joe Biden und Ministerpräsident Pedro Sánchez im Prado-Museum.
US-Präsident Joe Biden und Ministerpräsident Pedro Sánchez im Prado-Museum. © A. Ortega/dpa

Dabei kann Sánchez dieses einstündige bilaterale und erste offizielle Treffen mit Biden als vollen Erfolg verbuchen. Nicht nur wegen gegenseitigen Unterstützungsbekundungen, sondern weil Sánchez die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf die Südflanke der Nato lenken konnte, also auf Nordafrika und die dortigen Probleme wie illegale Immigration, Menschen- und Drogenhandel und latente Terrorgefahr. Aber auch der Klimawandel und seine furchtbaren Folgen für die Menschen in der Sahel-Zone kamen zur Sprache. Die Exklaven Ceuta und Melilla bilden praktisch die europäische Grenze in Nordafrika. „Spanien und die USA erkennen gegenseitig die Wichtigkeit einer permanenten Kooperation als Antwort auf die Herausforderungen der irregulären Immigration in Nordafrika an“, heißt es im Kommuniqué.

Sánchez profiliert sich im 40. Beitrittsjahr Spaniens gerne als Gastgeber des Gipfels, sicherlich tut er etwas für das Ansehen des Landes in der Weltöffentlichkeit, aber für solche Banalitäten ist die geopolitische Lage zu ernst. Kein Beobachter zweifelte daran, dass es sich um einen Gipfel von historischer Bedeutung handeln wird. Das fängt an mit der anstehenden Aufnahme zweier neuer Mitgliedsstaaten, nämlich Schweden und Finnland, das übrigens direkt und rund 1.200 Kilometer lang an Russland angrenzt. Die Nato wird europäischer.

Nato-Gipfel in Madrid: Russland gilt als „Bedrohung“, China als „Herausforderung“

Dem transatlantischen Verteidigungsbündnis droht mangels Feindbildern auch nicht mehr der „Hirntod“, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einst befürchtete. In Russland hat man eine neue „Bedrohung“ für den Weltfrieden ausgemacht, eine strategische Partnerschaft wie bisher strebt man nicht mehr an und China traut man auch nicht so recht über den Weg, also spricht man von „Herausforderung“. Sich selbst sieht die Nato übrigens nicht als eine „Bedrohung“, sondern als ein Bollwerk der regelbasierten internationalen Ordnung. „Die Welt scheint jeden Tag etwas gefährlicher zu werden“, brachte es ein Kommentator im spanischen Radio RNE auf den Punkt.

Die Staats- und Regierungschefs arbeiten an der Neuausrichtung der Nato und ihrer Strategie, was immer wieder mit Agenda 2030 bezeichnet wird. Da geht es auch um „Abschreckung“ und „Verteidigung“, auch angesichts von Desinformation und Cyberangriffen, aber eigentlich trägt man einer Weltordnung Rechnung, geprägt von neuen Industrien, Technologien und Energien sowie Verhaltens- und auch Konsumweisen. Einige Fachjournalisten spekulierten darüber, ob und wie Bürger zu einem sparsameren Gaskonsum bewegt werden können. Eins ändert sich an der neuen Weltordnung scheinbar nicht. Die Dummen sind am Ende immer die Gleichen.

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