Doch Díaz, die als Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens, PCE einst über die Podemos-Liste ins Parlament kam, ließ keinen Zweifel an ihrem Führungsanspruch, ließ Podemos eiskalt abblitzen und zog ihre Veranstaltung am Sonntag in Madrid ohne die „Violetten“ durch. Es gelang ihr sogar, einige Regionalverbände von Podemos auf ihre Seite zu ziehen, unter anderem aus ihrer Heimat Galicien sowie aus Navarra. Mit bei „Sumar“ dabei sind auch Minister Alberto Garzón von Izquierda Unida, sodann die Podemos-Abspaltungen Más País und Más Madrid, Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau vom katalanischen Podemos-Ableger, die Alianza Verde sowie kleinere Umwelt- und Regionalgruppen im ganzen Land bis hin zur „Koalition für Melilla“ und die spanischen Kommunisten, auch wenn deren Bedeutung mit marginal noch übertrieben beschrieben ist.
Yolanda Díaz beruft sich mit ihrer Attitüde und ihrem Projekt nicht nur darauf, dass sie - parteiübergreifend - die beliebteste Politikern Spaniens und eine enge Vertrauensperson von Sánchez ist. Sie nutzte strategisch geschickt auch die Spaltung innerhalb von Podemos aus, versammelte von der allwissenden Belehrerei der Podemos-“Sekte“ enttäuschte Weggefährten ein und sorgt im zersplitterten und von der Regierungarbeit aufgezehrten linken Lager für neue Aufbruchstimmung. Sie will progressive Politik machen, dabei aber pragmatisch und verständlich bleiben, das ist fraglos ein großer Unterschied zu Podemos. Nun wird sich allerdings entscheiden müssen, ob sie dem Namen ihrer Bewegung „sumar“, im Sinne von vereinen, hinzunehmen, versammeln, gerecht wird oder die Linke einfach spaltet und riskiert, dass Stimmen ganz abwandern oder als Nichtwähler auf der Strecke bleiben.
Eigentlich gilt Yolanda Díaz als eine Frau des Dialogs, doch der Wahlkampf hat bekanntlich eine eigene Dynamik. Viele Fragen bleiben dabei offen, auch, die nach der Rolle des PSOE-Chefs und Regierungschefs Sánchez, der bekanntermaßen mit Díaz immer besser klar kam als mit den Hardcore-Podemistas um den abgetretenen Gründer Pablo Iglesias und die verbliebenen Ministerinnen. Er könnte „Sumar“ als die bequemere, weil pragmatischere Alternative ansehen, um künfitg eine Regierungsmehrheit zu etablieren. Ob aber das „getrennt marschieren, gemeinsam schlagen“, gegen die erstarkte PP bei den Wahlen genügen wird, ist noch völlig offen. Auch, weil sich die konservative Volkspartei weigert, sich von einer landesweiten Koalition oder Duldung mit oder durch Vox loszusagen. Die PP zieht keine roten Linien, wenn es gegegen die „Roten“ geht. Eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen ist für die PP nach den Wahlen womöglich die einzige mathematische Möglichkeit, an die Macht zu kommen. Es dauerte auch nicht lange, bis von der PP die ersten Macho-Sprüche in Richtung Yolanda Díaz abgesondert wurden.
Yolanda Díaz, 51 Jahre, studierte Anwältin, Arbeitsrechtlerin und in der Gewerkschaftsbewegung groß geworden, kann in der Regierungarbeit auf enorme Erfolge verweisen, die den Spaniern Zählbares brachten und daher einen Unterschied zu den ideologischen Oberlehrerdebatten von Podemos ausmachen. Dazu zählen ein neues Arbeitsrecht, das marginalisierte Gruppen wie private Pflegerinnen oder Zimmermädchen ins System von Arbeitslosenhilfen und anderen Arbeitsrechten brachte. Die zweite Arbeitsmarktreform ging zudem das historische Problem der „falschen“ Teilzeit und befristeten Verträge an, was vor allem die hunderttausenden Mitarbeiter in der Gastronomie betrifft und ihnen, wenn auch mit Einschränkungen, größere Sicherheit gegeben hat. Díaz verbucht auch die mit 47 Prozent höchste Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns in Spanien in einer Legislaturperiode für sich, die sie gegen die Kampagnen der Arbeitgebervertreter durchsetzte. 1.080 Euro brutto, 14 mal im Jahr, bekommt heute der am schlechtesten bezahlte Vollzeitarbeiter in Spanien, 300 Euro monatlich mehr als 2016. Und auch die ERTE, die während der Coronapandemie Millionen Spanier vor der Arbeitslosigkeit und Firmen vor der Pleite retteten, tragen die Handschrift von Díaz.
Podemos platzt vor Neid. Díaz brachte sie am Palmsonntag so richtig auf die Palme: „Wir sind der Motor sämtlicher Veränderungen zum Guten im letzten Jahrzehnt“, verteidigt Ministerin Ione Belarra den Führungsanspruch ihrer Partei. „Sumar? Dividir!“ posteten Podemos-Funktionäre auf Twitter. Doch Podemos war auch die Bühne, auf der sich Selbstdarstellung und ideologisch vergiftete Genderdebatten am „Publikum“ vorbei entfalteten.
Auf ihrer Inauguration zur Spitzenkandiadtin für die Parlamentswahlen in Spanien 2023, vor 600 Anhängern in Madrid, zeigte sich Yolanda Díaz hingegen betont staatsfraulich und volksnah: Ihr Ziel sei der Konsens, sie wolle Ergebnisse über Verhandlungen erreichen, wie es in Firmen, in Familien üblich sei, so sollte es auch in der Politik laufen. Und für die Spanier, die sie wählen sollen, hatte sie bereits ein sehr verlockendes Angebot: „Wir müssen darüber reden, die Arbeitszeit zu verkürzen, ohne dadurch Lohn zu verlieren. Wir werden dafür kämpfen, weniger arbeiten zu müssen, um besser zu leben.“