Also alles prima? Schlechte Nachrichten bekommt man nicht aus einem Ministerium. Zumindest nicht direkt. Bei der Aufschlüsselung der Märkte aber zeigt sich das alte Dilemma: 27 Prozent der gesamten andalusischen Produktion gehen ins Olivenölland Italien, nochmals 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Italiener verkaufen es dann vor allem den Deutschen und anderen Nordeuropäern zum doppelten Preis weiter, als italienisch mit dem verschämten Zusatz „Aus Oliven aus der EU“. Spanien wird zum Zulieferer degradiert. Ganz ähnlich ging und geht es dem spanischen Wein mit Frankreich.
Zwar waren 61 Prozent der spanischen Olivenöl-Exporte von Januar bis Mai 2022 „Virgen Extra“, dennoch liegen die Erlöse pro Kilo mit 2,45 Euro deutlich unter jenen der Italiener, 4,66 pro Kilo, und sogar hinter Griechenland. Deutschland nimmt nur 2,7 Prozent des spanischen Olivenöls direkt ab und lässt sich den Rest gerne als italienisch einschenken. Absurde Realität. Zwar wuchs der deutsche Markt mit +94 Prozent am stärksten, ist aber mit 35 Millionen Euro nach wie vor winzig.
Die andalusischen Exporteure hängen in der Klemme fest, dass sie fürchten, sobald sie die Preise erhöhen, würden tunesische und andere Billigerzeuger oder gar der Konkurrent aus der Extremadura sie vom Markt fegen. Außerdem haben die Italiener und die Griechen die Handelskontakte in Nordeuropa im Griff, machen den Deutschen und Skandinaviern Angebote, die sie nicht ablehnen können.
Es gibt auch in Andalusien immer mehr Klein-Kooperativen oder gänzlich selbständige Olivenbauern und -mühlen, die feinstes Olivenöl produzieren, ökologisch, sortenrein, früh oder im Mondschein geerntet, alte Arten wiederbelebend und es auch direkt vermarkten. In der Masse der Großmühlen und riesigen Kooperativen mit zigtausenden Bauern als Genossenschafter – eigentlich nur als Lieferanten – gehen sie indes unter.
Das hat auch damit zu tun, dass Andalusiens Agrarsektor, beim Wein wie beim Olivenöl, nicht von Kleinbauern, sondern „traditionell“ von großen Landbesitzern dominiert wird, die – seit die Leibeigenschaft auch hier weitgehend untersagt ist – ihre Olivenhaine oft lieber komplett externen Bearbeitungsbetrieben für eine jährliche Pacht oder einen Gewinnanteil überlassen. Diese señoritos wollen sich nicht mit Details befassen, sondern nur kassieren, was zu einer Anonymisierung des Marktes führt, während Kleinbauern sich eigene Mühlen, gar Marketing und Vertrieb nicht leisten können und so von den Großkooperativen abhängig bleiben.
Die Politik vor allem in Andalusien tut herzlich wenig dagegen, von einer Trendumkehr ist Andalusien weit entfernt, auch wenn immer mehr Olivenbauern und -müller versuchen, den Olivenbaum und seine Früchte in seiner Gesamtheit zu nutzen und nicht nur als Öllieferanten. Andere Regionen, Aragón oder Katalonien, sind auf dem Weg der Diversifizierung des Marktes und der Direktvermarktung deutlich weiter.
Leider muss sich der andalusische wie der spanische Olivenölsektor auf sehr problematische Zeiten einstellen. Hitze und Trockenheit, eine chronische und akute Dürre in Spanien, setzen den kommenden Ernten zu, nicht nur jener der Oliven. Knapp 40 Prozent der Anbauflächen der berühmten Oliven-Wälder Andalusiens und der teils hunderte Jahren alte Bestände in den Bergen werden nicht gegossen, sondern beziehen ihr Nass traditionell nur vom Regen und teils uralten Kanalsystemen aus der Maurenzeit.
Doch die Produktion "en secano" fürchtet für Ende 2022 wegen des fehlenden Regens Ausfälle von bis zu 50 Prozent, in manchen Gegenden is zu 80 Prozent zur üblichen Menge, die auch herbstlicher Regen nicht mehr repaieren kann. Während die bewässerten Plantagen bis zu 25 Prozent einbüßen werden und noch das Problem bekommen, dass durch gestiegene Wasser- und andere Kosten die Rentabilität in den roten Bereich rutscht. Hinzu kommt, dass Exzesse mit tropischen Früchten, wie die Avocado in der Axarquía bei Málaga, traditionellen Feldfrüchten wie den Oliven den Garaus machen.
Das heißt, die nächste Oliven-Ernte in Spanien und besonders in Andalusien wird deutlich geringer ausfallen, dennoch gilt es als unwahrscheinlich, dass die Erzeugerpreise entsprechend steigen werden. Zwar kostet andalusisches Olivenöl extra virgen in spanischen Supermärkten (jeder dritte Liter wird in Spanien konsumiert, die Andalusier liegen auch hier im Pro-Kopf-Verbrauch an der Spitze) wegen der Inflation in Spanien heute im Schnitt 20 Prozent mehr als vor einem Jahr, aber sowohl die Abgabepreise für Oliven an die Mühlen wie auch die Erzeugerpreise bei Öl sind praktisch gleich geblieben. Kasse macht, einmal mehr, der Handel und jene Großproduzenten, die „raffiniert“ mit dem Öl auf Kosten des Rufes und des Preises tricksen.
Zum Thema: Olivenöl aus Spanien im Test: Gewinner, Enttäuschungen und Schwindel.