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Der Niedergang: Spaniens Liberalen droht der Zusammenbruch

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Von: Stephan Kippes

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Inés Arrimadas bei den Landtagswahlen in Katalonien.
Galt einst als Hoffnungsträgerin, steht aber nun in der Kritik: Liberalen-Frontfrau Inés Arrimadas. © Manu Fernandez/dpa

Spaniens Parteien rüsten sich für den Wahlkampf. Während Konservative und Sozialisten die Messer wetzen, steuern die Liberalen auf den Untergang zu. 

Madrid – Den Liberalen in Spanien droht der Zusammenbruch. 400 Mitglieder von Ciudadanos (Cs) haben in einem Manifest den Rücktritt der Parteiführung samt ihrer Vorsitzenden Inés Arrimadas und die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags nach den katastrophalen Ergebnissen bei den jüngsten Landtagswahlen gefordert. Seit Oktober 2021 haben 42 Landtagsabgeordnete die Partei verlassen, zuletzt hat der Organisationssekretär Borja González am gestrigen Donnerstag das Handtuch geworfen, ein Schwergewicht in der Partei, die von der konservativen Volkspartei regelrecht aufgesogen wird. Derweil versucht ein sogenanntes G-8-Team seit Juli einen Erneuerungsprozess einzuleiten, der jedoch erst im Januar abgeschlossen sein wird und über deren Vorschläge dann 2.000 Mitglieder abstimmen sollen.

Politik in Spanien: Vom Untergang der Liberalen und den Schwierigkeiten der kleinen Parteien

Neue, kleinere politische Formationen wie Cs, die rechtspopulistische Vox oder die Linkspartei Unidas Podemos konnten in Spanien die traditionelle Zweiparteien-Dominanz von Sozialisten (PSOE) und Volkspartei vor sieben Jahren aufbrechen, stehen aber vor der immens großen Herausforderung, territoriale Strukturen in den Regionen, Provinzen und Kommunen aufzubauen. Daran hapert es bei Vox und Podemos immer noch, aber bei Cs verliert dieses Netzwerk immer mehr an Dichte. Bei den jüngsten Landtagswahlen verloren Cs in Kastilien-León zwölf Mandate und stellen dort nur noch einen Abgeordneten, in Andalusien blieb von den 21 kein einziger mehr übrig. Und in Kantabrien gibt auch keine Liberalen mehr im Landtag.

Nun kommen acht weitere Landtagsabgeordnete zu den verlorenen 42 hinzu, die sich der mit der aktuellen Führung kritischen Plattform SomosCs angeschlossen haben, damit verliert zwar nicht Cs, wohl aber die Parteiführung weiter an Gewicht in den Landtags-Parlamenten vor allem in Asturien, aber auch in Aragon und in der Extremadura. Und täglich schließen sich mehr der rund 10.000 Mitglieder starken Partei dieser Rebellen-Plattform an, darunter die stellvertretende Bürgermeisterin von Alicante, Mari Carmen Sánchez, oder ihre Kollegin in Zaragoza, Sara Fernández. Cs-Sprecher Edmundo Bal warf ihnen vor, „sich einen Platz in der PP bei den Wahlen im kommenden Jahr“ zu suchen. Wie dem auch sei, auf seine Partei rollt ein weiterer Erdrutsch zu und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der sich die anderen Parteien bereits für das Wahljahr 2023 aufstellen.

Politik in Spanien: Volkspartei kritisiert Ministerpräsident Pedro Sánchez als „autoritär“

So hat die Volkspartei am heutigen Freitag in Madrid das politische Jahr eingeläutet. Die Konservativen konnten Breitseiten gegen die zahlreichen Flanken abfeuern, die Regierung ihr öffnet oder öffnen muss, wegen der Inflation und den ergriffenen Energiesparmaßnahmen, der Verlegung von inhaftierten ETA-Terroristen in heimatnahe Haftanstalten oder der Arbeitslosigkeit, die im August erneut um 40.000 gestiegen ist. Madrids Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso griff den Regierungsstil von Pedro Sánchez als autoritär an, warf ihm vor, die „Dunkelheit“ über Madrid zu bringen und mit seinen Auflagen eine Art von Zensur in der Energiepolitik zu betreiben, da er sie nicht mit den Betroffenen seiner Restriktionen absprechen würde.

Dennoch stemmte die Regionalpräsidentin sich zuvor gegen die Parteilinie und unterstützte einen Aspekt des neuen Abtreibungsrechts, nämlich, dass minderjährige Teenager im Alter von 16 und 17 Jahren ohne Einwilligung ihrer Eltern eine unerwünschte Schwangerschaft unterbrechen können. Auch Parteichef Alberto Núñez Feijóo reichte bei aller Kritik der Regierung bei zwei Punkten die Hand. So unterstützt die PP die von ihr selbst vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf den Gaspreis von 21 auf fünf Prozent und schließt eine Wiederaufnahme der Gespräche über die Erneuerung der Mandate für das Richtergremium Consejo General del Poder Judicial nicht aus.

Politik in Spanien: Sozialisten läuten poltische Jahr mit Gesprächsrunde mit Bürgern ein

Derweil profilieren sich die Sozialisten als volksnah. So empfängt Ministerpräsident Pedro Sánchez am Montag in der Moncloa einige der Bürger, die ihm in den vergangenen vier Jahren ihre Sorgen, Nöte und Kritik mit Briefen übermittelt haben. Bei den 50 Teilnehmern der Gesprächsrunde handelt es sich nach Angaben der Sozialisten um eine Auswahl von 250.000 Briefschreibern, keineswegs um Sympathisanten oder Parteigenossen, sondern um Bürger von der Straße. „Ich glaube, mit diesem Start in das politische Jahr zeigen wir am besten, wie wir sind“, meinte Präsidialamtsminister Félix Bolaños. Nun ja, Ministerpräsident Pedro Sánchez eröffnete auch schon mal das politische Jahr mit einem Empfang der Vorstandsvorsitzenden der Konzerne, die im Ibex-35 verzeichnet sind. Allerdings steht es momentan mit den Beziehungen zu den Bossen nicht gerade zum besten, vor allem mit denen aus den Sektoren Energie und Finanzen. Trotzdem treibt die Regierung ihre Sozialpolitik weiter voran, derzeit mit den Bemühungen um eine Anhebung des Mindestgehalts bei den Verhandlungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften.

Während die beiden großen Parteien praktisch den Vorwahlkampf einläuten, hört man von den drei kleinen Parteien noch relativ wenig. Unidas Podemos sammelt in der Sozialpolitik mit einer Reihe von Gesetzen Punkte bei der linken Wählerschaft, von der rechten Partei Vox hört man noch relativ wenig. Allerdings musste auch die Partei von Santiago Abascal zuletzt Einbußen bei den Umfragen hinnehmen. Die Krise scheint den Wahlkampf auf ein Duell zwischen PP und PSOE zu verdichten. Ganz schlecht aber steht Ciudadanos da.

Der Aufstieg und Fall von Ciudadanos hängt eng mit ihrem ersten Präsidenten Albert Rivera zusammen, der die Partei als eine aufstrebende Alternative der politischen Mitte zu den separatistischen Kräften in Katalonien etablierte. Cs übernahm die Rolle eines Sprachrohrs der Gegner der Unabhängigkeitsbewegung und avancierte 2015 zur zweitstärksten Partei hinter Junts pel Si. In der Zwischenzeit zog Ciudadanos auch in die Landtage mehrerer Regionen ein, erreichte bei den Parlamentswahlen fast 14 Prozent und profilierte sich immer mehr als ein Auffangbecken unzufriedener PP-Wähler, als eine junge und moderne, allerdings immer mehr in die rechte Mitte abdriftende Alternative zur PP.

Politik in Spanien: Die Liberalen verlieren Profil und Stimmen

Der Versuch allerdings, die Volkspartei rechts zu überholen scheiterte ebenso wie eine Regierungsbildung mit den Sozialisten, da dafür die Stimmen von Podemos nötig gewesen wären. Von nun an schlug Ciudadanos sich auf die Seite der Volkspartei und unterstütze die konservative Minderheitsregierung von Mariano Rajoy. Damit stieß die Partei nicht nur den linksliberalen Flügel vor den Kopf, sondern verlor auch zunehmend das Profil einer liberalen Partei, die sich Blockbildung entziehen und einen eigenen Weg zwischen festgefahrenen Ideologien einschlägt. Gegen die Wand fuhr Albert Rivera dann den Karren, als Cs bei den ersten Wahlen nach dem Mißtrauensantrag eine Regierungsbildung der PSOE mit Podemos und der Unterstützung regionaler Parteien verhinderte und bei den darauffolgenden Neuwahlen im November bitter abgestraft wurde, so dass von den einst 47 Abgeordneten nur zehn übrig blieben. Das war das politische Ende des Albert Rivera, der im März 2020 von Inés Arrimadas abgelöst wurde. Die Wechsel an der Spitze löste aber das inhaltliche Problem des Profilverlusts nicht.

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