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Patchwork-Regierung in Spanien: Dritter Haushalt mit zwölf Parteien durchgeboxt

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Von: Stephan Kippes

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Applaus im Parlament bei der Haushaltsverabschiedung.
Die Regierung bringt den Haushalt durch. © Alejandro Martínez Vélez/dpa

Ministerpräsident Sánchez bringt zwölf Parteien unter einen Hut und verabschiedet den Haushalt. Nun beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Bis Jahresende müssen noch wichtige Gesetzte durchgeboxt werden.

Madrid – Wieder hat die Regierung in Spanien bewiesen: Auch völlig unterschiedliche Kräfte können an einem Strang ziehen. In einer Mammutsitzung verabschiedet die Minderheitsregierung aus Sozialisten und Unidas Podemos mit einer beachtlichen Mehrheit von 187 zu 156 Stimmen den Haushaltsentwurf für 2023 und reicht ihn an den Senat weiter.

In der Vielfalt Einheit finden: Patchwork-Regierung in Spanien bringt zwölft Parteien hinter sich

Obendrein bringt die Linkskoalition die drei wichtigen Steuern – die auf Banken, Energiekonzerne und Vermögen - durch. Damit watschen im Parlament zwölf Parteien den Rechtsblock aus Volkspartei, Ciudadanos und Vox ab, der seit dem Debakel um das „Nur ein Ja ist Ja“-Gesetz mit einem Misstrauensvotum herumlaviert. Den konservativen Block erinnert ein euphorischer Ministerpräsident Pedro Sánchez, dass diese Allianz zwölf Millionen Wählerstimmen repräsentiert, die diesen dritten und letzten Haushalt dieser Legislatur indirekt unterstützen – deutlich mehr als die 6,8 Millionen Spanier, die den Sozialisten ihre Stimme gaben.

„Es ist ein Sieg der Verständigung der Unterschiedlichen, des Dialogs, der nützlichen Politik, die in Zeiten des Kriegs und der Unsicherheit das Gemeininteresse in den Vordergrund stellt, um die soziale Mehrheit zu schützen“, sagt Sánchez und positioniert sich für den Wahlkampf mit einer klaren Botschaft. Die Sozialisten und Podemos können mit allen Parteien Allianzen schmieden, die drei rechten Parteien können nur unter sich Einigungen erzielen und erreichen damit nur 156 Mandate von den 176, die sie für eine Mehrheit benötigen würden.

Allerdings überschütten baskische und katalanische Separatisten, kleinen Regional- und Linksparteien die Regierung nicht umsonst mit ihrer Gunst. Die konservative Opposition reibt es der Regierung natürlich unter die Nase, dass sie den Haushalt mit Zugeständnissen an Parteien verabschiedet, von denen einige sich für die Loslösung von Spanien einsetzen. Meist muss die Regierung die Autonomierechte in Katalonien und im Baskenland stärken, etwa bei der Verwaltung der Bezahlung des Mindesteinkommens oder bei den Beitragszahlungen für die Seguridad Social. In Navarra muss die Guardia Civil beispielsweise die Verkehrsüberwachung an die dortige Polizei abgeben. Die Katalanen schaffen es zwar wieder nicht, die Kontrolle über den Renfe-Nahverkehr auf der Schiene zu übernehmen, aber die katalanischen Republikaner der ERC heimsen für ihre 13 Mandate die Zusage für großzügige Investitionen in Höhe von 900 Millionen Euro ein. Und natürlich wird das Aufruhr-Gesetz reformiert.

EU-Kommission nimmt Haushalt unter die Lupe: Maßnahmen auf arme Familien und Betriebe in Finanzierungsschwierigkeiten fokussieren

Die Europäische Kommission hat den Haushalt bereits unter die Lupe genommen und durchgewunken, wenn auch mit erhobenem Zeigefinger. So müssten die Maßnahmen gegen die Energiekrise stärker auf Haushalte und Betriebe gemünzt werden, die aufgrund der hohen Energiepreise in Finanzierungsschwierigkeiten geraten. Dazu gehören die Anhebung des Grundeinkommens ebenso wie die Beschränkung der Mieterhöhungen auf zwei Prozent bei bereits bestehenden Mietverhältnissen. Auch müssten diese Hilfsmaßnahmen sofort zurückgenommen werden, sobald die Inflation nachlasse. Man darf nicht vergessen, dass Spanien mit einer Staatsverschuldung von 120 Prozent seines Bruttosozialprodukts weit über seine Verhältnisse lebt. Allerdings kommt Spanien zumindest dem Appell der EU nach und erhöht die Ausgaben nicht über das Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent, das sie im kommenden Jahr erwartet.

Der Haushalt dient der Regierung als Steilvorlage, um noch vor Jahreswechsel die umstrittenen Gesetze durchzuboxen und sich den Rücken freizuhalten im Wahljahr 2023. Es gehen noch die Reform des Strafrechts und des Artikels des Aufruhrs durch, das Transsexuellen-Gesetz, das Tierschutzgesetz, das Wohnungsgesetz und das Gesetz zur Bürgersicherheit – im Volksmund auch Knebelgesetz genannt. Geht die Taktik auf, macht die Regierung im kommenden Jahr mit großen Investitionen und der Verteilung der EU-Fondsgelder auf sich aufmerksam. Bleibt abzuwarten, ob diese Strategie aufgeht und ob sie schlagkräftig genug ist, um den seit der Andalusienwahl verlorenen Boden bis zur Kommunalwahl wieder gutzumachen.

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