Die Sterberate bei mit Pocken befallenen Lämmern liegt um die 50 Prozent, zunächst werden die Schleimhäute von Nase und Mund befallen, dann breitet sich das Virus in die Lungen aus, löst Entzündungen aus, das Tier leidet unheilbar. Eine befallene Herde muss aus veterinärhygienischen Gründen komplett geschlachtet werden. Seit 1968 gab es in Spanien keinen Fall von Schafspocken mehr, in Deutschland gilt die Tierkrankheit sogar seit 1920 als ausgestorben. Der mittlere Osten gilt aus Ursprungsort der Schafspocken, Nordafrika ist aber das derzeit größte endemische Verbreitungsgebiet. Eigentlich unterliegt der Import von Schafen und Ziegen, überhaupt allen Tieren aus der Gegend in Spanien wie der gesamten EU strengsten Normen. Doch sowohl über Gastarbeiter und andere Reisen aus dem Maghreb gelangen immer wieder „halbe Hammel“ aus Marokko oder Algerien unkontrolliert nach Spanien, als auch über illegal tätige spanische Viehhändler, die besonders ergiebige Zuchthammel billig in den Nachbarländern ein- und als spanische weiterverkaufen.
„Die Nachricht über den Ausbruch schlug in unserem Ort ein wie eine Bombe“, erzählt Antonio Galea, Schafzüchter in Benamaurel im granadinischen Kreis Baza, wo die Pocken nach 55 Jahren erstmals in Spanien wieder auftraten. Dann folgten die Nachbarorte. „Mein Nachbar sagte, er sei positiv, ich solle mich einschließen. Er dachte erst, er habe Affenpocken, bis die Tierärzte die Schafspocken bestätigten“. Seitdem „haben sie bei uns 950 Tiere geschlachtet, sie sagten, man könne dabei sein, doch den Anblick hält keiner von uns aus“, so der Züchter. Danach werde das gesamte Gelände zweimal desinfiziert. Galea hat seine Tiere seit einem Monat im Stall, er ist der einzige, der das Gelände betritt, ausgerüstet wie in einer Hochsicherheitsanlage für Biowaffen. Auf die Weide dürfen sie nicht, bis zu 30.000 Euro Strafe drohen den Bauern, die die Quarantäne umgehen.
Die Endämmung ist das Primärziel, daher werden um die betroffenen Höfe eine 3-Kilometer-Sperrzone und eine 10-Kilometer-Beobachtunszone gezogen. Nicht auszurechnen, wenn die Pocken auf die Manchego-Schafe in Kastilien übergreifen, deren Käse einer der wichtigsten Exportschlager der gesamten Region darstellt. Einen Herd hat man bereits Ende September in Villaescusa de Haro in der Provinz Cuenca ausgemacht, bis Ende Oktober wurden es dort neun. Bewegungsprofile der Herden und sogar einzelnen Tiere werden angefertigt, mit kriminalistischem Spürsinn wollen die amtlichen Tierärzte so die Quelle der Infektion aufspüren. Hilfreich ist die hier sonst als umständlich betrachtete von der EU geforderte Dokumentation, die praktisch jeden Schritt eines Hammels nachvollziehbar macht. Selbstredend, dass auch die Schäfer, die ihre Herden quer über das Land führen, in Ställen bleiben müssen. Die Mieten dafür werden ihnen ersetzt, so das Landwirtschaftsministerium in Madrid.
Die Landesregierung Andalusien stellte kurzfristig eine halbe Million Euro Futterbeihilfe für die eingesperrten Bestände bereit, das Geld wird von Madrid ausgeglichen. „Aber das Problem ist, dass wir sie nicht verkaufen können, zumal nun das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht“, so Antonio Galea im Regionalfernsehen. Lammkeule ist eines der Lieblingsgerichte der spanischen Weihnachten, praktisch die iberische Weihnachtsgans. Jene, die ihre Herden verloren haben, wie Antonios Nachbar Pedro Francisco Ruíz, warten nun auf eine Entschädigung, die nach Alter der Tiere gestaffelt ist. 40 Euro gibt es für die Recentales, die etwas älter als Milchlämmer sind, zwische 50 und 90 Euro gibt es für die älteren Tiere.
„Wie bekommen nicht so viel, wie sie wert sind, aber was können wir machen“, so Pedro. „Ich muss eben bei Null anfangen“. Allerdings habe man ihm geraten, er solle ein halbes Jahr warten, bis wirklich wieder alles sicher ist. Ohnehin haben die Behörden dabei das letzte Wort. Der Schaden, vor allem auch für die Zukunft der Exporte in die EU wäre um ein Vielfaches größer, würde sich das Virus in Spanien festsetzen. „Das Virus könne in Resten von Schafwolle überleben, hier gibt es viele Kiefern, an deren Früchten Wollreste kleben“, hätten die Behörden ihm erklärt. Züchter Pedro bestellt nun seine Felder, um Futter anzubauen für die Zukunft und „bis dahin muss ich eben sehen, wie ich über die Runden komme“.