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Von Sevilla zu den Sternen: Andalusiens Hauptstadt wird Sitz von Spaniens Weltraumagentur

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Von: Marco Schicker

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Spanischer Miras-Satellit.
Die spanischen Miras-Satelliten ermitteln für die ESA Salzgehalte der Gewässer und Feuchtigkeitsgrade auf der Erdoberberfläche. © ESA

Zwei neue spanische Astronauten bereiten sich auf ihren Einsatz im All vor, Dutzende spanische Satelliten starten in den Weltraum, sogar Raketen stellt Spanien her. Gelenkt und gesteuert wird das nun alles bald von der AEE in Sevilla, Spaniens Weltraumagentur.

Sevilla - Einmal ist es nicht Madrid. Sevilla wurde von der spanischen Regierung am 5. Dezember 2022 als Sitz der neuen staatlichen Weltraumagentur Spaniens, der Agencia Espacial Española (AEE), ausgerufen. Die andalusische Landeshauptstadt setzte sich gegen 21 Mitbewerber, davon auch mehrere andere andalusische, durch. Wobei auch der Umstand, dass Sevilla von einem PSOE-Bürgermeister regiert wird, eine Rolle gespielt haben könnte, dem man Richtung Kommunalwahlen 2023 den Rücken stärken wollte, da Andalusien als Region bekanntlich unter PP-Ägide geführt wird.

Die Dezentralisierung von Regierungsinstitutionen ist ein erklärtes Ziel der Regierung Sánchez, mit dem natürlich auch Politik betrieben werden kann. So gingen viele davon aus, dass die Weltraumagentur nach Barcelona vergeben wird, um die neuerliche zarte Bande zu den linken Republikanern und gemäßigteren Separatisten zu stärken. Möglich, dass Sánchez nach dem Geheul um die Reform des Strafrechts zu Gunsten der Separatisten nicht weiter Öl ins bereits lodernde Feuer der in Gezeter eingenebelten Parlamentsküche gießen wollte. Besonders sauer im Zusammenhang mit der Vergabe an Sevilla ist indes die Region Madrid mit ihrer populistischen Präsidentin Isabel Díaz Ayuso. Sie machte schon im Vorfeld klar, dass der Cluster im Madrilener Ort Tres Cantos der einzig akzeptable für die Agentur sei, alles andere wäre kleinliche politische Rache. Ihr Plan ging also auf.

Sevilla: Airbus und Startups für Luft- und Raumfahrt Spaniens und Europas

Aus Sicht Sevillas sprachen natürlich ausschließlich fachliche Gründe und der über allen anderne Städten Spaniens wie ein heller Stern strahlende Standort für die Vergabe. Und auch Metaphysisches: Immerhin brauchen von Sevilla und Cádiz viele Reisen erfolgreich in „neue Welten“ auf, von Odysseus und Herakles über Kolumbus‘ Amerika-Fahrten bis zur ersten Weltumsegelung 1519-1522 durch Magellan und Elcano. Und die die Stadt beruft sich auf eine über 100-jährige Aeronautik-Tradition, beginnend mit Hispano Aviación, berühmt für ihre Saeta-Kleinflugzeuge, über die 1923 gegründete Construcciones Aeronáuticas S.A., Ausstatter unter anderem der berühmten Fliegerstaffel Patrulla Águila, die heute unter dem Dach der Airbus Defence and Space S.A.U. vor allem Transportmaschinen herstellt. Und natürlich bis hin zu Airbus selbst, dem europäischen Flugzeug-Riesen, der vier Werke in Andalusien betreibt und an seinem Standort in Sevilla den Militärtransporter A400M endmontiert.

Ariane-4 Nachbildung bei der Expo Sevilla 1992
Ariane-4 Nachbildung bei der Expo Sevilla 1992. Vom Relikt zum Fingerzeig in die Zukunft? © LegadoExpo

Mit der Space Agency will Sevilla nun noch höher hinaus, schließlich ist Spanien auch Teil des europäischen Raumfahrtprogramms ESA, seine Produkte sind in Raketen, Satelliten und auf der Internationalen Raumstation zu finden, auch für die NASA wird geforscht und gebastelt. 64 der mit der Raumfahrt befassten 152 Firmen und Institutionen in Andalusien haben ihren Sitz in Sevilla, viele davon im forschenden Bereich. In den vergangenen Jahren kamen auch immer mehr private Startups hinzu, wie die Minisatelliten für die NFT-Technik der Firmen WISekey und Fossa Systems, die in der Landwirtschaft, der Schifffahrt und im Warenverkehr generell eingesetzt werden.

Spaniens Weltraumagentur: Standort Expo-Gelände wäre wie geschaffen

Auf dem Gelände der Expo Sevilla 1992 ist die Nachbildung einer Ariane-4-Rakete weithin sichtbar aufgestellt, so als ahnte man damals schon etwas. Gut möglich, das dieses, zum Teil leider schlecht nachgenutzte Gebiet nun eine Auferstehung erfährt. Der Standort der Cartuja-Insel wäre ideal, nicht zuletzt aus Sicherheitsaspekten. Allerdings bevorzugt die Stadt im Moment noch ein Gebäude im Viertel San Jerónimo, das wohl günstiger und schneller adaptiert werden könnte. Der alte Zukunfts-Pavillion auf der Insel Cartuja steht allerdings schon für eine denkbare Expansion bereit. Ebenfalls unweit der Landeshauptstadt Sevilla befindet sich ein Weltall-Park, der Aerópolis, in dem mehrere maßgebliche Firmen einen Cluster gebildet haben und der ebenfalls verlockend für die Agencia Espacial Española sein könnte.

Spaniens Astronauten Sara García und Pablo Álvarez
Vor dem Abheben: Sara García und Pablo Álvarez aus León sind die jüngsten spanischen Astronauten für das ESA-Programm. © EFE

Doch was bringt nun die staatliche Weltraumagentur Spaniens? Zunächst 360 Millionen Euro Direktinvestionen in den Amtssitz, allein im Jahr 2023 und landesweit 5.860 Arbeitsplätze, davon mindestens 2.000 in Sevilla. Sevilla rechnet sich „mittelfristig“ eine Versechsfachung der Umsätze der Luft- und Raumfahrtindustrie für Andalusien aus, von derzeit rund 2,4, auf dann 15 Milliarden Euro. Derzeit arbeiten von Airbus bis zum Satelittenbastler 14.500 in dieser Branche in Andalusien. Das nahe Cádiz ist neben Sevilla der zweite wichtige Standort.

Was Spanien im Weltraum macht: Chips, Steuersysteme, Satelliten, Raketen, Astronauten

Spanien steuerte im abgelaufenen Jahr rund 250 Millionen Euro zu den europäischen Weltraumprogrammen bei und ist damit der fünftgrößte Finanzier. Sowohl bei den staatlichen, den kooperativen wie den privaten Projekten dominieren Satelliten-Programme für Wetter, Kommunikation, Militär. So produziert das Unternehmen Thales Alenia Space Satelliten für Eutelsat, das Militär bestellte gerade bei Spainsat Aufklärungstechnik für 40 Millionen Euro, spanische Technik steckt in den Artemis-Missionen. Selbst eigene Rakten, zum Beispiel die Arion 2, wird in Spanien entwickelt und produziert. Sie wurde von der ESA gerade zum Aussetzen kleinerer Satelliten gebucht.

Das derzeit größte Spanien-ESA-Projekt heißt Miras, dabei erstellen Satelliten Detailkarten der gesamten Erdoberfläche, die sowohl den Salzgehalt der Meere und Seen als auch die Feuchtigkeit der Landmassen misst, was vor allem auch bei der Beobachtung des Klimawandels essentielle Daten liefert. Und nicht zuletzt bringt Spanien auch Astronauten hervor, gerade wurden zwei spanische junge Leute aus einem EU-weiten Auswahlverfahren von 20.000 Bewerbern ernannt, darunter die 33-jährigen Sara García, Biotechnologin, und Pablo Álvarez, Weltraumingenieur, beide aus León, die in den kommenden Jahren zur ISS fliegen könnten oder sogar für die Mondmissionen in Frage kommen.

Zum Thema: Der unbekannte Flugpionier aus Andalusien - Spaniens Da Vinci: Auf den Flügeln von Al-Ándalus

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