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Putins langer Arm: Algerien kündigt Spanien die Freundschaft - Von Stolz und Erdgas

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Von: Marco Schicker

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Boot der spanischen Küstenwache mit Flüchtlingen.
Flüchtlingsroute aus Marokko unter Kontrolle, aus Algerien nun alle Schleusen offen? Spanien sitzt zwischen allen Stühlen. © Elvira Urquijo A./EFE

Algerien bestraft Spanien für seine brachiale Marokko-Wende und friert den Handel zwischen beiden Ländern ein. Oder doch nicht? Denn mit dem Schritt legt sich Algerien mit der gesamten EU an. Erdgas soll weiter fließen, aber teurer werden.

Madrid/Algier – Die Geschichte ist simpel und verworren zugleich: Vorige Woche suspendierte die algerische Regierung das Handels-, Nachbarschafts- und Kooperationsabkommen mit Spanien und wies alle Unternehmen sowie Banken im Lande an, die Handelstätigkeit einzufrieren, einschließlich allfälliger Rechnungen. Einzig beim Thema Erdgas hieß es aus Algier, dass man ein „verlässlicher Partner“ sei, doch gleichzeitig stellte das zuständige Handelsministerium die vertraglichen Preisabsprachen in Frage, die nun neu verhandelt werden müssten.

Ukraine-Stellvertreterkrieg in der Wüste Algeriens: Flüchtlinge und Erdgas als Druckmittel gegen die EU

Auf den ersten Blick scheint Algeriens radikaler Schritt eine Antwort auf die stümperhaft vorgetragen Volte der Westsahara-Politik Spaniens und die Annäherung an Marokko zu sein. Und daher eine günstige Gelegenheit, bessere Preise für das seit dem Ukraine-Konflikt rar werdende Gut Erdgas zu erzocken. Daher liegt der Verdacht nahe – und wird in Madrid offen ausgesprochen –, dass Moskau seinen alten Einfluss auf Algerien aus dem Kalten Krieg aktiviert hat, für einen weiteren Versuch, Europa zu spalten. Das wäre nicht so verwunderlich, denn die Akteure in Algier und Moskau sind ebenfalls Relikte des Kalten Krieges. Spanien und Algerien werden so ein Nebenschauplatz des Ukraine-Konfliktes, der natürlich auch in Spanien seine Auswirkungen hat.

Sahrauis demonstrieren für die Unabhängigkeit der Westsahara.
Sahrauis demonstrieren für die Unabhängigkeit der Westsahara. Spanien spricht sich für eine Autonomie-Lösung aus. © Alvaro Barrientos/dpa

Dass die Anerkennung der marokkanischen „Lösung“ für die Westsahara durch Spanien, – eine nicht näher definierte und keinesfalls demokratisch garantiere Selbstverwaltung –, böses Blut in Algerien auslösen musste, lag auf der Hand, Spanien hatte sich einseitig für seine ehemalige Kolonie (bis 1956 Protektorat) Marokko entschieden: Es geht um Flüchtlingsströme Richtung Kanarische Inseln und über das Mittelmeer an die Küsten Andalusiens, Drogenschmuggel inindustriellen Maßstäben über die Meerenge von Gibraltar, die heikle Lage der autonomen Städte Ceuta und Melilla, Rekrutierung aber auch Rückführung von Saisonarbeitern und nicht zuletzt den freien Personenverkehr zum „Paso del Estrecho“. Marokko ist Spanien offenbar etwas wichtiger als Algerien. Das darf auch so sein, doch darf man das die algerischen Machthaber nicht so direkt spüren lassen - auch wenn Cervantes hier als Geisel gehalten wurde.

Marokko für Spanien wichtiger als Algerien? EU als Retter in der Not

Dass Spanien mit dem „Kotau“ vor Mohammed VI. den Nachbarn Algerien vor den Kopfs stoßen würde, musste Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez ebenso klar sein, wie seinem Außenminister José Manuel Albares, der jetzt stark unter Druck steht, weil er es nicht schaffte, in Algerien rechtzeitig Schönwetter zu machen und den Stolz der algerischen Potentaten zu berücksichtigen, was nun einmal die Aufgabe der Diplomatie ist. Doch ganz objektiv hat auch Pedro Sánchez bei dieser Aktion keine gute Figur gemacht, klarer gesagt: Er hat es vergeigt.

Wie wichtig eine starke Gemeinschaft wie die Europäische Union in solchen Situationen ist, zeigt sich nun deutlich. Denn kein EU-Land kann und darf auf eigene Faust Handelsabkommen abschließen. Selbst wenn sie bilateral verhandelt werden, bedürfen sie stets der Zustimmung aller Mitglieder und gelten dann auch für alle und im gesamten EU-Gebiet. Die EU-Kommission bekräftigte diesen Umstand und Algerien würde sich, besteht es auf der Kündigung des Handels mit Spanien, der Geschäfte mit allen EU-Staaten berauben.

Was will Algerien wirklich? Spanien wartet auf Antwort und auf einen Deal

Auf einmal will Algerien gar nichts mehr davon wissen, man habe keinesfalls den Handel mit Spanien unterbrochen, widerspricht sich das Land selbst. Seitdem warten Banken und Handelsgesellschaften in Algerien auf eine klärende Ordre de Mufti. Für die beiden Länder geht es jährlich um 3,3 Milliarden Euro Exporte und Importe von 3,8 Milliarden, einschließlich Erdgas, das sind rund ein Prozent des spanischen Handelsvolumens. Der Verlust dieser Deals dürfte für einige spanische Unternehmen schmerzhaft werden, für die algerischen Partner aber existentiell. In einer Autokratie wie Algerien sind viele Handelsunternehmen eng mit dem Regime verwoben, Günstlinge werden so versorgt, potentielle Konkurrenten befriedet.

Gasfeld in Algerien
Am Ende gehts immer ums Gas, also ums Geld: Gasfeld in Algerien. © dpa

Die konservative Opposition wirft Sánchez komplettes Versagen vor und fordert mindestens den Kopf des Außenministers. Die EU müsse für Spanien nun die Kartoffeln aus dem Feuer oder dem heißen Wüstensand holen. Die PP äußerte zudem den Verdacht, Sánchez sei durch den Pegasus-Abhörskandal, in den auch sein Handy verwickelt ist, erpressbar und zu Kurzschlusshandlungen verführt worden. Die Regierung weist dies als Nestbeschmutzung zurück und will abwarten, ob Geld und Waren tatsächlich nicht mehr fließen, was Algerien nun eigentlich wolle und ob es sich irgendwann vielleicht auch mal unmissverständlich äußert, bevor man zu EU-Gerichten läuft oder anderweitig einen Deal aushandelt, - wenn Moskau den Algeriern keinen besseren anbieten kann.

Zum Thema: Patria und Petersilie - Spaniens kuriose Grenzen.

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