Spanien ohne Eis: Strom und Hitze machen den Eiswürfel fertig

Da wird die Sangria warm. Ausgerechnet im Hochsommer werden die Eiswürfel in Spanien knapp. Einige Supermärkte rationieren und die Gastronomie zieht nach.
Madrid – Erst die Horror-Preise für eine Wassermelone – und jetzt werden auch noch die Eiswürfel in Spanien knapp: Dieser Sommer bringt die Spanier an ihre Grenzen. Die Zeitung „El Mundo“ spricht bereits von „einer Eiswürfel-Krise“. So wie die Medien Land auf, Land ab auf das Problem abfahren, scheint es sich wirklich um eine Angelegenheit von nationaler Tragweite zu handeln.
Eiswürfelkrise in Spanien: Einige Supermärkte rationieren wegen Hamsterkäufen
Doch folgendes könnte passieren: Wer eine Cola bestellt, muss damit rechnen, dass neben dem Stück Zitrone nur ein einziger einsamer Eiswürfel im Glas schwimmt. Supermärkte der Kette Consum in der Region Valencia haben bereits reagiert und rücken nur noch zwei der begehrten Zwei-Kilo-Plastikbeutel mit Eis pro Kunde raus. Mercadona immerhin noch fünf. Auch andere Supermarktketten deckeln inzwischen den Eiswürfel-Verkauf. Nicht zuletzt wegen Hamsterkäufen in den Filialen - man kennt das ja vom Toilettenpapier während der Coronavirus-Pandemie. „Das ist ein Teufelskreis. Aus Frucht vor einer Verknappung leeren die Kunden die Regale, und umso länger dauert es, sie wieder zu füllen“, teilte die Verbraucherschutzorganisation OCU mit.
Die Eiswürfel-Krise, wenn man das Phänomen so nennen mag, ist ein Nebenprodukt der Energiekrise. In normalen Zeiten produzieren die Hersteller im Winter und Frühjahr für den Sommer vor. Doch wegen der hohen Energiepreise wurde die Eiswürfel-Produktion heruntergefahren oder ganz gestoppt.
Eiswürfelkrise in Spanien: Hitzewellen, Energiekrise und Angst vor Corona
Eine Rolle gespielt hat auch die Unsicherheit, ob Corona im Sommer nicht wieder das Geschäft vermiest. Jetzt laufen die Maschinen zwar auf vollen Touren. Doch es fehlen die Reserven, um die Nachfrage zu bedienen, die sich in diesem Sommer wegen der aufeinanderfolgenden Hitzewellen ohnehin auf Rekordniveau bewegt, was die Situation zusätzlich verschärft. Mitte Juli habe das Problem begonnen, erzählte Luis Campos Linares, Geschäftsführer der Verteilergesellschaft Hielo Everest in Madrid, der Zeitung „El País“. Und ergänzt: „Die Produzenten liefern nicht so wie sonst um diese Jahreszeit. Statt sieben Lkw kommt jetzt nur noch einer.“
Das bekommt auch die Gastronomie zu spüren. Die Verbände appellieren, Eiswürfel-Bestellungen zu früh wie möglich zu machen. José Luis Rodríguez, Pächter des Restaurants La Madreña auf dem Paseo de la Castellana in Madrid, erzählte „El País“ von Lieferproblemen: „Normalerweise, wenn ich eine Bestellung mache, sind die Eiswürfel in einer halben Stunde da. Letzte Woche habe ich an einem Dienstag Eiswürfel bestellt, am Freitag wurden schließlich sie geliefert.“
Zurzeit werden von Hielo Everest 24 Tonnen Eiswürfel und Crushed Ice in der Woche im Großraum Madrid ausgefahren, in anderen Jahren waren es auch 24 Tonnen: aber am Tag. Lieferwägen stehen still, Personal wurde in den Urlaub geschickt. Hielo Samoyedo im andalusischen Jaén ist einer der größten Eiswürfen-Hersteller Spaniens. Auch dieses Unternehmen verfügt jetzt im Hochsommer über keine Reserven mehr. Zu früh waren die Lagerbestände wegen der hohen Nachfrage leer. Jetzt kann nur noch die Tagesproduktion verkauft werden. „Unsere Kunden ordern das Dreifache wie im vergangenen Jahr. Selbst andere Produzenten wenden sich an uns“, sagte Juan Rosa Ortega, Finanzdirektor von Hielo Samoyedo, gegenüber „El País“.
Trotz der Schwierigkeiten könne man noch 60 bis 70 Prozent der Bestellungen bedienen. „Aber gerade kleine Hersteller haben wegen der hohen Energiepreise kein Produkt auf Lager produzieren wollen, von dem sie obendrein nicht wussten, ob sie es wegen der unsicheren Pandemie-Lage überhaupt verkaufen können“, äußerte Ortega. Hielo Norte, ein Eiswürfel-Hersteller aus Badajoz (Extremadura), hat im Winter nur in der Nacht produziert, um Energiekosten zu sparen.
„Im Moment laufen die Maschinen rund um die Uhr. Aber wir können den Rückstand nicht aufholen. Wir mussten sogar schon eine große Firma kontaktieren, damit sie uns beliefert“, berichtete Fabrikchef Antonio Jaime. Vor allem August werde ein „komplizierter Monat“ werde wegen der vielen lokalen Fiestas und den vielen Touristen, die Bars und Restaurants füllen. In der Region hätten bereits zwei Hersteller dicht gemacht, wegen Materialmangel. „Auch wir haben begonnen zu rationieren, weil sonst irgendwann der Moment kommt, an dem wir manche Kunden nicht mehr beliefern könnten“, sagte Jaime.