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Als Spanien der ETA zurief: „Jetzt reicht es!“ 25 Jahre Mord an Miguel Ángel Blanco

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Von: Stephan Kippes

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König Felipe VI bei der Gedenkveranstaltung für Miguel Ángel Blanco in Ermua.
König Felipe VI bei der Gedenkveranstaltung für Miguel Ángel Blanco in Ermua. © Javier Zorrilla/EFE

Vor 25 Jahren richtete die ETA Miguel Ángel Blanco hin, um mit Terror ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Doch Spanien ließ sich nicht länger einschüchtern. 

Ermua – Viele junge Menschen in Spanien können mit dem Namen Miguel Ángel Blanco nichts mehr anfangen, ähnlich wie der deutschen Jugend die RAF nicht mehr viel sagen dürfte. Die Ereignisse liegen für sie gefühlt eine „Ewigkeit“ zurück. Und doch sind es nur 25 Jahre. Am 10. Juli berief sich Spanien auf den Geist von Ermua und gedachte der Opfer des Terrorismus, einige durchlebten die Tage vom 10. bis 14. Juli 1997 ein zweites Mal, in denen sich laut Ministerpräsident Pedro Sánchez „etwas in diesem Land tiefgründig verändert hat“. König Felipe VI. ließ diese in einer bewegenden Rede chronologisch Revue passieren, als Miguel Ángel Blanco entführt und ermordet wurde, mit 29 Jahren, genauso alt, wie er damals war.

König Felipe im Gedenken an Miguel Ángel Blanco: Protest gegen Entführung

1997 hat der Terror der ETA das Land fest im Griff, ein immer kleinerer Kreis von radikalen Terroristen kämpft mit brutalen Attentaten für ein verlorenes Ideal, ein unabhängiges Baskenland. Eine Woche zuvor befreit die Guardia Civil den entführten Gefängnisbeamten José Antonio Ortega Lara nach 532 Tagen Geiselhaft aus einem Loch. Die Bande schlägt am 10. Juli mit der Entführung von Miguel Ángel Blanco zurück und erpresst die Regierung mit einem Ultimatum bis zum 12. Juli: Das Leben von Miguel Ángel Blanco gegen die Verlegung der inhaftierten ETA-Terroristen in heimatnahe Gefängnisse. Die Regierung von José María Aznar willigt nicht ein.

Das Bangen um den 29-Jährigen beginnt. Die entscheidende Reaktion dürfte aus dem Rathaus von Ermua gekommen sein. Die baskischen Lokalpolitiker gehen auf die Straße und rufen zu einer Demonstration für die Freilassung von Miguel Ángel auf. Das Schweigen wird gebrochen, die Basken schauen nicht mehr weg, erwachen aus ihrer Angststarre, in die ETA weite Teile der Gesellschaft versetzt und mit der sie diese zu ihrem Komplizen gemacht hat.

„Wir wollten der ETA mitteilen, dass wir Miguel Ángel frei haben wollen. Zu unserer Überraschung kamen 3.000 Menschen“, erinnert sich der damalige Bürgermeister Carlos Totorika.

Der Funke springt über, nach Bilbao, San Sebastian Madrid, Barcelona – überall klatschen Tausende rhythmisch und strecken ihre Handflächen dem Horizont entgegen. „Die Botschaft der Leute ist klar: Miguel Ángel, du bist nicht allein, ETA, du bist allein“, berichtet Radiojournalist Iñaki Gabilondo.

Spanien bangt um sein Leben: Entführung und Ermordung von Miguel Ángel Blanco

„Wir bangen und hoffen, dass Miguel unter uns ist. Wir erwarten dich, Miguel“, sagt die Schwester des Entführten, María del Mar Blanco, bei der Massendemonstration in Bilbao am 12. Juli. Hunderttausende halten die weißen Plakate mit dem Profil von Miguel Ángel Blanco in die Höhe, in einer Demonstration von Einheit, kollektiver Zivilcourage und der Lossagung von der Terrorgewalt. Selbst Vertreter des politischen Arms der ETA, Herri Batasuna, fordern die Terroristen auf, den jungen Politiker freizulassen. „Wir mussten uns ETA entgegenstellen, weil die Moral und die Gegebenheiten es erforderten“, sagt Patxi Zabaleta, damaliger Sprecher der radikalen Separatisten.

Am 12. Juli richtet ETA Miguel Ángel Blanco mit zwei Kopfschüssen hin. Der Täter Txapote wird dafür später zu 50 Jahren Haft verurteilt. Das Bangen und die Sorge schlagen in Wut um, das Baskenland beschimpft die ETA als Mörder. „Asesinos“ erschallt immer wieder. Kurz darauf steht der Parteisitz von Herri Batasuna in Ermua in Flammen, im ganzen Baskenland finden Protestkundgebungen vor den Sitzen der Separatisten statt. Nun wendet sich das Blatt und die Separatisten brauchen Polizeischutz. „Wir haben die Angst verloren. Das war das erste Mal, dass die ETA die Angst spürte, mit der wir Demokraten so viele Jahre leben mussten“, erinnert sich die Schwester des Ermordeten, María del Mar Blanco.

Am 14. Juli findet die Trauerfeier für Miguel Ángel Blanco statt. Die Leute rufen der ETA in Sprechchören zu. „Das sind keine Basken, das sind Mörder“. Die Straße steht nicht mehr auf der Seite der Untergrundkämpfer. „Die Normalität, die wir heute im Baskenland haben, hat sicherlich zum Teil mit Miguel Ángel Blanco zu tun“, sagt Josu Bujanda, Polizeichef der Ertzaintza, damals in Ermua im Einsatz.

Von dem Geist von Ermua und der Einheit in der Ablehnung des Terrorismus ist wenig geblieben. Miguel Ángel sollte für alle Opfer des Terrorismus stehen. Das tut er nicht. ETA-Sympathisanten haben sein Grab geschändet. Und die Volkspartei instrumentalisiert sein Erbe, zuletzt, um gegen das Gesetz zur demokratischen Erinnerung mobil zu machen. Spanien fällt es schwer zu verinnerlichen, dass man Opfer von Gewalt, Diktatur und Terrorismus auf beiden Seiten findet.

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