1. Costa Nachrichten
  2. Spanien
  3. Politik und Wirtschaft

Spanien gräbt Faschisten aus: Falange-Gründer Primo de Rivera umgebettet

Erstellt:

Von: Stephan Kippes

Kommentare

Mehrere Leichenwagen fahren in das frühere Tal der Gefallenen ein.
Spaniens Regierung exhumiert die sterblichen Überreste von José Antonio Primo de Rivera. © Alejandro Martínez Vélez/dpa

Manche Faschisten wünschen ihn sich sogar tot zum Präsidenten. Nun aber bettet Spaniens Regierung den Falange-Gründer José Antonio Primo de Rivera um. Und die Rechte tobt.

Update, 25. April: Bei der Umbettung des Leichnams des Falange-Gründers José Antonio Primo de Rivera am Friedhof San Isidro in Madrid ist es zu Protestkundgebungen von rund 200 Anhängern der faschistischen Partei und Nostalgikern der Franco-Diktatur gekommen. Die Rechtsradikalen sangen die Falange-Hymne „cara al sol“ und beschimpften die Regierung als „Grabschänder“. Die Polizei hat nach einem Gerangel drei Demonstranten verhaftet. Zuvor kritisierte die Franco-Stiftung die Exhumierung des Fachisten-Führers aus dem früheren Valle de los Caídos.

Madrid - José Antonio Primo de Rivera gilt in Spanien als Opfer des Bürgerkriegs. Der Gründer der Falange wurde 1936 von Republikanern des Staatsstreichs beschuldigt und standrechtlich erschossen. Daher ruhten die Überreste des Gründers der faschistischen Partei in der Bürgerkriegsdenkstätte, dem früheren Tal der Gefallenen (Valle de los Caídos), bisher eigentlich an dem Ort, den das Gesetz der demokratischen Erinnerung für Kriegsopfer vorsieht, dort aber nicht an der richtigen Stelle.

Spanien: Aufarbeitung der Diktatur lässt keine Hommage an Faschisten zu

Die Gedenkstätte für den „spanischen Duce“ direkt beim Altar in der Basilika neben dem früheren Grab des Diktators Francisco Franco, dessen Gebeine im Oktober 2019 unter enormem Medieninteresse umgebettet wurden, trat das schwierige Bemühen um eine demokratische Aufarbeitung des dunklen Kapitels jüngerer Geschichte in Spanien mit Füßen.

Am Montag, 24. April, verließen die Überreste des Sohns des Diktators Miguel Primo de Rivera, der Spanien nach einem Staatsstreich von 1923 bis 1930 regierte, das Mausoleum mit dem Ziel San Isidro in Madrid, dem wohl bedeutendsten Friedhof der Hauptstadt, wo bereits Angehörige der Familie Primo de Rivera ihre letzten Ruhestätten gefunden haben – für den Falange-Gründer übrigens der vierte Begräbnis-Versuch mit Zwischenstationen in Alicante, in der Palast- und Klosteranlage El Escorial und im Valle de los Caídos. Anders als bei den Franco-Nachkommen fand die Umbettung angeblich auf den ausdrücklichen Wunsch der Familie und mit der Bitte um Diskretion statt. Letzteres klappte nur mit Abstrichen, was einen Monat vor den Kommunalwahlen in Spanien niemand wundern dürfte. „Es ist ein weiterer Schritt, um das Verständnis für dieses Tal neu zu definieren. Dort sollen keine Personen oder Ideologien mehr geehrt oder hochgelobt werden, die im Zusammenhang mit der Diktatur stehen“, sagt der Präsidialamts-Minister Félix Bolaños (PSOE).

Erinnerungskultur in Spanien: Linke setzt sich für Aufarbeitung ein, Konservative für Kontinuität der Transition

Seit 2007 bemüht sich die Linke ernsthaft um eine Aufarbeitung des Bürgerkriegs und der Diktatur, die von dem Geschichtsverständnis der Transition entscheidend abweicht. Ende der 1970er Jahre führte Spanien die Epoche der Diktatur auf relativ friedlichem Wege in die Demokratie über, in der das Land ein neues Kapitel aufschlug und über das alte einen Mantel des Schweigens hängte. Man begann erst unter dem Kabinett von José Rodríguez Zapatero (PSOE), faschistische Denkmäler und Straßenschilder in Spanien konsequent abzubauen. Als einer der Grundpfeiler dieser neuen Erinnerungskultur galt, die Verehrung und das öffentliche Gedenken an Faschisten zu unterbinden. Derweil appellieren die Konservativen bis heute an den „Geist der Transition“ und wollen die Toten am liebsten ruhen lassen. Das taten sie aber nie.

Die Franco-Stiftung spuckt Gift und Galle ob der Exhumierung. Nicht nur, weil die Ewiggestrigen José Antonio Primo de Rivera wie einen Märtyrer verehren und faschistische Kreisen nicht nur an seinem Todestag am 20. November einen geradezu mystischen Nimbus um ihn nähren, sondern auch, weil in Spanien bis heute zahlreiche Bürgerkriegsopfer in Massengräbern verscharrt sind und ihre Nachkommen sich ein würdiges Begräbnis für sie wünschen.

Umstrittene Umbettungen in Spanien: Was ist mit den anonymen Toten?

Der zweite Grundpfeiler der Gesetzgebung beruht auf den Exhumierungen beziehungsweise Umbettungen. Vor Prima de Rivera ließ die Regierung bereits die Überreste des Generals Queipo de Llano aus der Basílica de la Macarena in Sevilla schaffen. All das feiert Ministerpräsident Pedro Sánchez als politische Erfolge und vergisst dabei ein wenig, dass bisher vornehmlich führende Faschisten umgebettet wurden. In dem früheren Tal der Gefallenen liegen aber fast 34.000 Tote, nur knapp 22.000 Gebeine gelten als identifiziert. 118 Nachkommen drängen auf eine würdige Bestattung für ihrer Angehörigen. Wieso schenkt Madrid ihnen kein Gehör, der Familie von Primo de Rivera aber wohl?

Das heute offiziell als Valle de Cuelgamuros benannte Mausoleum errichteten einst 20.000 Zwangsarbeiter in der Franco-Diktatur, und dort ruhen auch republikanische Soldaten und Zivilisten, die bis 1983 mit Einverständnis der Kirche, aber ohne das ihrer Angehörigen aus Massengräbern in diesem Monument der Franco-Diktatur verscharrt wurden. Heute untersteht das Tal bei Madrid dem spanischen Denkmalschutz und gilt neben dem El Escorial als eine Touristenattraktion der Region. Die Regierung will dort einen Ort der Versöhnung und ein Mahnmal schaffen. Als nächster Schritt dürfte die Ausweisung des Benediktinerordens erfolgen, für die es aufgrund ihrer Sympathien für den Franquismus in dieser Erinnerungskultur keinen Platz mehr geben soll.

Auch interessant

Kommentare