Spanien und Frankreich rücken zusammen: Treibt die Achse Madrid-Paris bald die EU an?

Spanien und Frankreich haben ihre bilateralen Beziehungen mit dem Freundschaftsabkommen von Barcelona vertieft. Beide Länder wollen in der Energiepolitik der EU eine Führungsrolle einnehmen.
Barcelona – Spanien und Frankreich rücken enger zusammen. Ministerpräsident Pedro Sánchez und Staatspräsident Emmanuel Macron haben in Barcelona mit einem Freundschaftsvertrag eine Allianz geschmiedet, die auch den Einfluss beider Länder innerhalb der Europäischen Union stärken soll. Spanien und Frankreich wollen nicht nur ihre Positionen in Kernfragen europäischer Politik wie Immigration, Transport, Verteidigung und Energie. Macron und Sánchez drängen die EU auch auf eine agile und unbürokratische Förderung der Grünen Energie, zumal die USA mit massiven Subventionen von 400 Milliarden Dollar in den aufstrebenden Sektor wichtige Investitionen abziehen könnte.
In diesem Wettlauf dürfen die EU und ihre Industrie sich nicht abhängen lassen, so der Tenor. Nicht nur in dieser Hinsicht kann man den Tratado de Amistad y Cooperación als ein bilaterales Abkommen im europäischen Kontext sehen. Die EU hat bereits 2020 den Corona-Hilfsfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro verabschiedet und öffentliche Gelder in Umlauf gebracht, um die Wirtschaft nach der Pandemie nicht nur anzuschieben, sondern auch zu modernisieren. Geld fließt also, nun muss es eben kanalisiert und möglicherweise muss nachgelegt werden. „Der politische Wille und die Werkzeuge, die wir brauchen, um zu reagieren, sind vorhanden. Wir begrüßen, dass die EU für den energetischen Wandel eintritt, aber wir müssen verhindern, dass die Bedrohung durch Putin auf der einen und die Maßnahmen der USA auf der anderen Seite zu einer Deindustrialisierung in Europa führen. Die Investitionen verlieren sich in dem bürokratischen Gewirr der EU. Wir brauchen agilere Fonds“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez.
Spanien und Frankreich: Freundschaftsvertrag mit Ziel, die Grünen Energien auszubauen
Eine gemeinsame Aufnahme von Schulden hält Macron für „kein Tabu“. Wichtiger sei es, große europäische Projekte wie die Herstellung von Wasserstoff oder Batterien-Fabriken zu schützen und voranzutreiben. „Wir brauchen eine europäische Antwort bezüglich grüner und sauberer Technologien und müssen der Kommission dieses Mandat erteilen. Wir wollen schnelle Mechanismen wie in den USA, keine Fragmentierung der EU oder nationale Alleingänge. Wir werden nationale und europäische Gelder dafür mobilisieren“, sagte Macron.

Bleibt abzuwarten, welche Haltung Berlin zu schuldenfinanzierten Programmen einnimmt, etwa beim deutsch-französischen Ministerrat am Sonntag in Paris. Der Elysée-Palast will mit der Hinwendung zu Spanien keineswegs das deutsch-französische Verhältnis trüben. Mehr als ein Techtelmechtel scheint das Freundschaftsabkommen beim 26. Gipfeltreffen zwischen Madrid und Paris doch zu sein, da zahlreiche Medien den Vertrag von Barcelona in einem Atemzug mit Kooperationsabkommen wie den Elysée-Vertrag (1963) und seiner Fortsetzung 2019 in Aachen sowie mit dem Quirinal-Vertrag zwischen Frankreich und Italien nennen.
Neben wirtschaftlichen, digitalen, industriellen und kulturellen Kooperationen aktuell etwa zum 50. Todesjahr von Pablo Picasso sieht das Abkommen auch Konsultationen vor, die wenig Beachtung finden, aber die Beziehungen vertiefen, wie etwa Beschlüsse über die gegenseitige Teilnahme an Kabinettssitzungen, jährliche Gipfeltreffen oder die Gründung des spanisch-französischen Rats für Sicherheit und Verteidigung. So wird Spanien sicherlich auch während seiner EU-Ratspräsidentschaft gemeinsame Positionen, etwa bezüglich der europäischen Agrarpolitik und der Einwanderungs- und Asylpolitik vertiefen.
Nicht zuletzt diente Barcelona als Unterzeichnungsort, weil Frankreich und Spanien gemeinsam mit Portugal von dort aus eine Gas- und Wasserstoffleitung im Mittelmeer nach Marseille bauen wollen. Den ursprünglichen Plan der MidCat-Leitung durch die Pyrenäen wurde auf Drängen Frankreichs fallen gelassen. Die 2,5 Milliarden Euro teure H2MED-Leitung soll grünen, also mittels Elektrolyse durch Erneuerbare Energien gewonnenen Wasserstoff ab 2030 transportieren können. Bis dahin will Spanien auch bis zu drei Millionen Tonnen des Energieträgers jährlich produzieren können.
Spanien und Frankreich: Gemeinsam für eine Reform des Strommarkts in der EU
Frankreich und Spanien treten für gemeinsame Linien bei der anstehenden Reform des Strommarkts ein und machen sich für eine Senkung der Strompreise mit ähnlichen Maßnahmen stark, die Spanien und Portugal mit der sogenannten „iberischen Ausnahme“ ergriffen haben, also mit einer Deckelung des Gaspreises bei der Stromproduktion. Ihre gemeinsamen Positionen wollen Frankreich und Spanien beim nächsten EU-Gipfel vertreten.
Differenzen zwischen den beiden Ländern traten bei dem Gipfel kaum zutage. Uneinigkeit herrscht nur, was die Öffnung einiger Grenzübergänge am Atlantik und im Mittelmeerraum angeht, die Frankreich noch geschlossen halten möchte, aus Gründen der Terrorismusbekämpfung und der Migrationskontrolle. Nun sollen Polizeieinheiten für den Grenzschutz geschaffen werden. Ferner soll die Hochgeschwindigkeits-Verbindungen auf der Schiene zwischen beiden Ländern ausgebaut werden, nicht nur im Personen, sondern vor allem im Güterverkehr.
Ferner machten sich beide Spitzenpolitiker für eine Isolierung rechtsradikaler Parteien stark und sprachen sich gegen Koalitionen konservativer Volksparteien mit rechtsextremen Formationen in der EU aus. „Ich gehöre zu den Personen, die glauben ,dass die Rechtsradikalen nicht so sind wie die anderen Parteien. Es ist Nationalismus, es ist der Hass gegenüber dem anderen. (…) Die extreme Rechte will den Rechtsstaat ändern, die Justiz kontrollieren und Freiheit der Journalisten beschneiden und es besteht eine Beziehung zur Fremdenfeindlichkeit. Den Rechtsextremismus zu normalisieren führt zu keinen guten Resultaten. Ich glaube nicht, dass man das dulden kann“, sagte Macron.
Bündnisse mit rechten Parteien hatte Sánchez beim Weltwirtschaftsforum in Davos als „uneuropäisch“ bezeichnet, ohne explizit auf den politischen Brandherd einzugehen, der in Kastilien-León mit der dortigen Koalition von PP und Vox und deren Anti-Abtreibungsprotokoll lodert. Mit Bezug auf die Proteste der katalanischen Separatisten in den Straßen Barcelonas und der Demonstration von Vox am Samstag in Madrid meinte der Regierungschef nur, „dass die große Mehrheit der Spanier sich zwischen den beiden einander entgegengesetzten Polen befindet und ein in der Diversität geeintes Spanien wünscht.“

Kritisch ging die konservative Presse mit der Symbolik des Gipfels in Gericht. So schrieb die Zeitung „ABC“, Sánchez scheiterte angesichts der Proteste einiger tausend Separatisten in seinem Bemühen, der Weltöffentlichkeit den Anschein einer Normalität in Katalonien vorzuspielen. Auch der katalanische Ministerpräsident Pere Aragonès vermittelte dem Regierungschef deutlich, dass der Procès in Katalonien keineswegs vorbei sei.
Man muss dieses Gipfeltreffen auch vor dem Hintergrund der Bemühungen der Regierung sehen, das politische Geschehen zu dezentralisieren und dem Magneten Madrid etwas von seiner Anziehungskraft zu nehmen. So fanden zuletzt auch Gipfeltreffen etwa mit Deutschland in A Coruña und mit Polen in Alcalá de Henares statt. Und der Lärm in den Straßen Barcelonas vermochte kaum die Harmonie zwischen Macron und Sánchez stören. Man hatte jedenfalls den Eindruck, dass Frankreich und Spanien stärker an einem Strang ziehen als die in sich zerstrittene separatistische Bewegung in Katalonien. „Dass dieses Abkommen mit Frankreich Vertrag von Barcelona heißt, ist eine Hommage an diese Stadt. Barcelona ist ein Synonym für Avantgarde, und hier sprechen wir über Wasserstoff, zukünftige Energie, und über Europa, wir vermitteln eine Botschaft über unser festes Ziel, Europas zu stärken und das Zusammenleben zu verbessern“, sagte Sánchez.