Spanien dreht den Gashahn nicht zu: Gegen EU und 15-Prozent-Regel bei Gaskonsum
Die EU muss den Gaskonsum zurückfahren. Nun sollen alle Mitgliedsländer 15 Prozent weniger Erdgas konsumieren. Spanien wehrt sich dagegen.
Madrid/Lissabon – So geht es ja auch nicht: Die iberischen Nachbarländer Spanien und Portugal widersetzen sich dem Vorschlag der EU-Kommission, die EU-Mitgliedsstaaten im Falle eines Gasnotstandes während der Heizsaison zu einer Verbrauchsreduzierung von generell 15 Prozent von August bis Ende März 2023 zu zwingen. Die Regierung Portugals hält den Vorschlag EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für „unhaltbar“. Bisher gelten die 15 Prozent als eine Empfehlung, die Portugal derzeit aus meteorologischen Gründen nicht erfüllen kann. „Wir konsumieren Gas aus absoluter Notwendigkeit“, erklärt der Staatssekretär für Umwelt und Energie, João Galamba. Die EU-Kommission kann sich nur dann mit ihrem Vorschlag durchsetzen, wenn 15 der 27 Mitglieder ihm zustimmen und diese zusammen 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren.
Spanien geht auf Konfrontation mit EU: „Wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt“
Die Ministerin für Energie und Umwelt, Teresa Ribera, hält diesen Vorschlag von Ursula von der Leyen weder für gerecht noch für effektiv. Einen Seitenhieb gen Norden Europas konnte sie sich auch nicht verkneifen. „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt“, sagte Ribera. Nur allzu gern reibt man östlich des Rheins im Schäuble-Jargon Südländern unter die Nase, sie würden nicht sparsam und nachhaltig mit ihren Rücklagen, Ressourcen und Finanzmittel umgehen. Nun hat sich das Blatt gewendet, Deutschland braucht Gas und die EU soll beispringen. Spanien aber will seinen Bürgern auch nicht vorschreiben, wie warm sie es in ihren Wohnungen haben dürfen. Auf einen gemeinsamen Weg sollten sich die Energieminister am Dienstag bei ihrem Treffen aber schon einigen, noch einen Triumph nach dem Debakel in Italien mag wohl niemand Putin gönnen.
Für Spanien wird es schwer, so kurzfristig einen Gegenvorschlag zu lancieren. Ribera wird auf eine volle Auslastung der beiden Gaspipelines durch die Pyrenäen nach Frankreich drängen. Damit so viel Gas wie möglich von Spanien nach Nordeuropa geschickt werden kann, also etwa 6,7 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Sicherlich nicht die Welt, da aus Russland ja 45 kommen. Besser aber, als der Vorschlag der EU-Kommission, der Spanien sehr hart treffen würde, eigentlich so als ob das Land 45 Tage im Jahr ohne Gas auskommen müsste.
Spanien plädiert für andere Lösung: Pipelines in Europa ausbauen
Spanien verfügt über sechs Regasifizierungsanlagen, also die Gasmenge ist gar nicht das Problem, sondern die Möglichkeit, das Erdgas über Leitungen nach Europa zu transportieren. Konsumieren Spanien und Portugal weniger Gas, heißt das auch keineswegs, dass Deutschland dann mehr davon zur Verfügung hat. Denn es gibt ja keine direkte Verbindung. Das ist die Sonderstellung auf der iberischen Halbinsel. Für Madrid macht es mehr Sinn, den Fertigbau der Pipeline über Barcelona nach Frankreich voranzutreiben und den Bau neuer Leitungen wie etwa die geplante nach Italien in Angriff zu nehmen als den Konsum zu beschränken.

Übrigens, 3,5 Milliarden Euro pumpte Spanien in die Regasifizierungsanlagen, in denen Gas gelagert werden kann. Deutschland verfügt über diese Infrastrukturen bisher nicht. Haushalte und Firmen finanzieren hierzulande dies über ihre Rechnungen mit, das macht rund 300 Millionen Euro pro Jahr aus. Und jetzt kommt die EU-Kommission aus dem Nichts daher und will auf einmal dem Land trotz Vorsorge-Investitionen den Hahn im Extremfall zudrehen können, straft damit Haushalte und Industrie-Betriebe ab, ohne wohlgemerkt den Ländern wirklich zu helfen, die mehr Gas brauchen. Geht der Vorschlag durch, können Spanien und Portugal nur auf eine zehn-Prozent-Klausel hoffen, der EU-Ländern eingeräumt wird, die isoliert auf dem europäischen Energiemarkt sind.