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Sündenfall im Ibex35: Konzern Ferrovial kehrt Spanien den Rücken

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Von: Thomas Liebelt

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Ferrovial-Chef Rafael del Pino im Portrait
Ferrovial zählt zu den mächtigsten Konzernen Spaniens, der Chef Rafael del Pino zu den reichsten Männern des Landes. © Kote Rodrigo/EFE

Jahrelang hat die öffentliche Hand Ferrovial gefüttert. Jetzt wandert der Konzern ins Ausland ab, um Steuern zu sparen. Die Empörung in Spanien ist groß. 

Madrid – Der Infrastruktur- und Baukonzern Ferrovial, eines der größten Familienunternehmen Spaniens, die von der Politik besonders hofiert werden, verlegt seinen Sitz in die Niederlande. Aus steuerlichen und finanztechnischen Gründen. Entsprechend groß ist die Empörung.

Koalitionspartner Unidas Podemos greift derzeit die Unternehmer-Elite in Spanien an und forderte sogleich, Ferrovial künftig von allen öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Auch die regierenden Sozialisten waren ziemlich angefressen. Solange es aber in der EU keine einheitliche Unternehmensbesteuerung gibt, wird es immer wieder solche Fälle geben. Sie sind auch nicht das ganz große Drama, das jetzt in Spanien daraus gemacht wird.

Präzedenzfall Ferrovial sorgt für Empörung in Spanien: Subventionen einstreichen und abhauen

Dennoch: Ferrovial ist das erste spanische Schwergewicht, das seinen Sitz ins Ausland verlegt. Ein Präzedenzfall also, der vor allem symbolische Bedeutung hat. Für viele in Spanien ist es aber ein Sündenfall. Und die Regierung muss befürchten, dass das Beispiel Schule macht. Auch wenn laut einer Umfrage der Wirtschaftszeitung „CincoDías“ unter den führenden Ibex-35-Unternehmen ein ähnlicher Schritt kategorisch ausgeschlossen wird. Für den Ruf des Wirtschaftsstandortes Spanien ist es ebenfalls nicht unbedingt der beste Vorgang.

Wie auch immer: Unternehmenschef Rafael del Pino (64) begründete den Schritt damit, dass es von Amsterdam aus leichter sei, an internationale Finanzierung zu kommen. Die Entscheidung haben ebenfalls viel mit den Plänen zu tun, auch in den USA an der Börse notiert zu werden. Auch das soll mit einem Unternehmenssitz in den Niederlanden angeblich einfacher zu bewerkstelligen sein. Allerdings wird beispielsweise die Großbank Santander schon länger auch in den USA notiert, ohne ihren Sitz ins Ausland verlegt zu haben.

Ferrovial spart 40 Millionen Euro: Konzern zieht sich aus steuerlichen Gründen aus Spanien zurück

Die steuerlichen Vorteile, auf die del Pino nicht näher einging, sind nicht unerheblich. So profitieren zunächst die Aktionäre, weil die Besteuerung der Dividenden in den Niederlanden wegfällt. Ferrovial-Chef del Pino, drittreichster Mann in Spanien mit einem auf 3,8 Milliarden Euro geschätztem Vermögen, hält mehr als 20 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Die Familien insgesamt kommt auf fast 33 Prozent. Auch müssen Aktionäre in den Niederlanden keine Finanztransaktionssteuer zahlen.

Ebenfalls entfällt für Ferrovial künftig die Besteuerung, wenn Gewinne ausländischer Filialen „repatriiert“ werden. Bei der Unternehmenssteuer wiederum gibt es keine großen Unterschied zwischen den Niederlanden und Spanien. Gleichwohl schätzten Anlysten der Banco Sabadell gegenüber der Wirtschaftszeitung „CincoDías“, dass sich Ferrovial mit dem Umzug jährlich wohl 40 Millionen Euro an Steuern sparen wird.

Die Nachteile für Spanien halten sich dennoch in Grenzen. Fast 85 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Ferrovial im Ausland. Vor allem in Nordamerika zog das Unternehmen zuletzt große Aufträge an Land. Wie del Pino äußerte, habe sein Unternehmen im vergangenen Jahr in Spanien 282 Millionen Euro an Steuern gezahlt. Diese Steuern seien mit dem Umzug auch nicht in Gefahr.

Finanzministerin María Jesús Montero relativierte den Betrag allerdings auf netto 186 Millionen Euro. Es sei allerdings schon „kurios“, sagte die Ministerin, dass der Gewinn sechsmal niedriger ausgefallen sei als im Jahr zuvor.

Ferrovial verlegt Steuersitz in die Niederlande: Konzern versichert, alles bleibt so wie es war

Hinter der Verlegung des Unternehmenssitzes könnten also „anderen Motive stehen“, mutmaßte die Ministerin. Zumal an Unternehmenssteuer, wie die Zeitung „El País“ berichtete, kein Cent in Spanien abgeführt wurde. Vielen Beamten im Finanzministerium gelte Ferrovial ohnehin als Paradebeispiel für kreative Steuervermeidung. Warum als weggehen? Auch andere Regierungsmitglieder äußerten den Verdacht, dass eher private Motive del Pinos Auslöser für die Entscheidung waren.

Was aber bleibt in Spanien nach der Verlegung des Unternehmenssitzes in die Niederlande? Gegenüber Regierungsvertretern versicherte del Pino, dass die Spanien-Geschäfte weiter laufen würden wie bisher. Allerdings von Amsterdam aus geleitet und über eine Spanien-Filiale. Auch sei kein Personalabbau mit der Verlegung des Unternehmenssitzes geplant. Aktuell beschäftigt Ferrovial in Spanien rund 5.000 Frauen und Männer. Weltweit sind es – das Unternehmen ist in 52 Ländern aktiv – allerdings gut 74.000 Angestellte.

Nadia Calviño hält eine Rede im spanischen Parlament.
Die spanische Ministerin für Wirtschaft und digitale Transformation, Nadia Calviño,. © Javi Martínez/EUROPA PRESS/dpa

„Ferrovial verdankt Spanien alles“, sagte Wirtschaftsministerin Nadia Calviño in einer Reaktion auf die Entscheidung. Das 1952 als Eisenbahnbaufirma gegründete Unternehmen hing jahrelang am staatlichen Tropf und profitierte von Aufträgen der öffentlichen Hand. Die staatlichen Aufträge, so Calviño, hätten dem Unternehmen erst das Wachstum ermöglicht.

In der Tat war und ist Spanienkein zu vernachlässigender Markt für Ferrovial. 18 Prozent des Umsatzes werden immer noch hierzulande generiert. Nur in Nordamerika und Großbritannien sind es mehr. Allein seit die aktuelle Regierung Sánchez das Ruder übernahm, wurde das Familienunternehmen mit Aufträgen im Volumen von mehr als einer Milliarde Euro bedacht.

Ferrovial und öffentliche Baumaßnahmen in Spanien: Aufträge im Wert von neun Milliarden Euro

Auch unter allen Vorgänger-Regierung – egal welcher Couleur – herrschten beste Geschäftsbeziehungen. Die Auflistung der öffentlichen Vertragsvergabe ab dem Jahr 1991 zählt Bauaufträge an Ferrovial im Wert von knapp neun Milliarden Euro aus. Hauptsächlich für Straßen und Häfen. Später dominierte der Bau von Eisenbahnstrecken und Flughäfen. Unter der Regierung Sánchez aber lief das Spanien-Geschäft besonders gut. Umso verständlicher der Ärger im „Equipo Sánchez“. Kaum ein Regierungsmitglied, dass sich nicht über die Entscheidung aufgeregt hätte. Zuletzt nahm auch der Ministerpräsident selbst
Stellung. „In Spanien gibt es großartige Beispiel von Unternehmer, die gegenüber dem Land eine Verpflichtung sehen. Bei Herrn del Pino ist das nicht der Fall“, sagte der Regierungschef Pedro Sánchez.

Man werde die Gesetzeslage genau prüfen und dann sehen, ob die Entscheidung rechtens sei. Allerdings hat die Regierung wohl keine Möglichkeiten, die Entscheidung des Unternehmens rückgängig zu machen. In der EU herrscht freier Kapitalverkehr. Aus Regierungskreisen hieß es denn auch gegenüber „El País“, die Schlacht sei verloren – bevor sie überhaupt begonnen hat.

Zudem gibt es innerhalb Spanien selbst genügend Beispiele für eine Verlegung des Unternehmenssitzes. Nach der Unabhängigkeitserklärung der separatistischen Regionalregierung Kataloniens 2017 meldeten Firmen en masse neue Sitze in anderen Regionen an. Am operativen Geschäft in Katalonien änderte sich dadurch nichts.

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