Spanien und der 1. Mai: Gewerkschaften drohen mit Streik vor der Parlamentswahl

Der soziale Frieden in Spanien bröckelt. Die Gewerkschaften drohen mit massiven Protesten vor der Wahl, wenn die Arbeitgeber nicht mit den Löhnen hochgehen.
Madrid – Höhere Löhne, geringere Preise und eine gerechte Verteilung der Gewinne der Unternehmen – unter diesem Motto stehen am 1. Mai mindestens 73 Demonstrationen, bei denen tausende Spanier in vielen Städten für bessere Sozial- und Arbeitsrechte am Internationalen Tag der Arbeit eintreten. Mit Schlagwörtern wie weniger “Gier “und “Wucher” zieht sich die Forderung nach höherer Kaufkraft wie ein roter Faden durch die verschiedenen Maikundgebungen in Spanien. Nicht nur die zuletzt wieder steigende Inflation von 4,1 Prozent im April und die hohen Lebenshaltungskosten, sondern auch von den bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen prägen die Stimmung bei den Demonstrationen. So nehmen auch sechs Minister an den Kundgebungen teil und auch die Opposition nutzt die Gelegenheit, um die Regierung anzugreifen.
Spanien am 1. Mai: Höhere Löhne, geringere Preise und gerechte Verteilung der Gewinne gefordert
“Wir müssen die Löhne anheben, die Lebenshaltungskosten senken und die Gewinne gerechter verteilen. Selten gab es an einem 1. Mai konkretere Forderungen”, meinte der Generalsekretär der CC.OO, Unai Sordo. “Entweder gibt es eine Einigung bei den Löhnen oder die Gewerkschaften mobilisieren für Herbst die Arbeiterschaft”, sagte er weiter. Nur Flächentarifverträge könnten den sozialen Frieden vor den Wahlen wahren, meinen die Gewerkschaften in Richtung des Arbeitgeberverbands CEOE und verweisen auf Proteste in Nachbarländern wie Frankreich. “Wir werden nicht erlauben, dass auch in diesem Jahr die Krise der Kosten mit niedrigen Löhnen bezahlt wird”, sagte Unai Sordo.
Die Arbeitgeber warnen die Gewerkschaften davor, den falschen Weg einzuschlagen. “Ich mahne zur Vorsicht. Wir haben in den vergangenen Jahre hart für den sozialen Frieden gearbeitet, den wir haben”, sagte Gerardo Cuerva, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Cepyme. Derzeit aber gelten die Tarifverhandlungen als festgefahren, obwohl Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände weiterhin Kontakte pflegen. Beim jüngsten Treffen vor einem Monat legten die Gewerkschaften Gehaltserhöhungen von 13,84 Prozent für den Zeitraum 2022 bis 2024 auf den Tisch, fünf Prozent für 2022, 4,5 Prozent für dieses Jahr und 3,75 Prozent für das kommende Jahr. Die Arbeitgeber lehnten dieses Angebot ab.
Maikundgebungen in Spanien: Realer Lohnverlust von über fünf Prozent wegen Inflation
Tatsächlich legten die Löhne vergangenes Jahr im Schnitt nur magere drei Prozent zu, die Lebenshaltungskosten laut dem IPC stiegen dagegen um acht Prozent. Die Gewerkschaften rufen die Arbeitgeber zurück an den Verhandlungstisch, um gemeinsam einen Pakt für höhere Löhne schmieden. Rund 1.300 Tarifverträge stünden zur Verhandlung, rund neun Millionen Arbeitnehmer müssten die Inflation ohne oder mit nur niedrigen Lohnerhöhungen stemmen. Die Oxfam-Stiftung geht davon aus, dass vergangenes Jahr die Inflation jeden Arbeitnehmer durchschnittlich 1.500 Euro gekostet hat und andere Organisationen prangern reale Lohnverluste von über fünf Prozent in Spanien an. Besserten die Arbeitgeber bei den Löhnen nicht nach, meinen die Gewerkschaften, müsste die Politik an der Steuerschraube drehen, vor allem in Regionen wie Madrid, die arbeitgeberfreundliche Steuerpolitik betreibe, aber bei den Sozialleistungen kürze,
“Das Jahresdurchschnittsgehalt in Spanien liegt bei nur 21.000 Euro. Die Arbeitgeber wissen genau, dass man mit einem Gehalt von 1.500 Euro im Monat nicht würdig leben kann. Dem gegenüber stehen Unternehmensgewinne, die im Vergleich dazu inakzeptabel sind”, meinte Arbeitsministerin Yolanda Díaz. Die Arbeitsministerin fordert auch eine Diskussion über die Arbeitszeit und bringt die Vier-Tage-Woche ins Gespräch. Derzeit zählt Spanien 3,1 Millionen Arbeitslose, was einer Quote von 13,26 Prozent entspricht. Dem gegenüber stehen 20 Millionen Beschäftigte, die Beiträge in die Seguridad Social überführen.
Während die Regierung sich mit sozialen Reformen wie der Arbeitsmarkt- und Rentenreform sowie der Anhebung des Mindestlohns brüstet, wirft die konservative Volkspartei ihr leere Versprechungen vor allem in der Wohnungspolitik und in angekündigten Investitionen in der Bildungspolitik vor. “Ich weiß wirklich nicht, woher diese Selbstbeweihräucherung kommt. Die Investition ist so hoch wie in 40 Jahren nicht mehr”, meinte PP-Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo.