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Spaniens Kirche und der Kindesmissbrauch: Dunkles Kapitel bleibt im Dunkeln

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Von: Stephan Kippes

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Ein Geistlicher läuft auf der Straße entlang,
Die Kirche in Spanien bemüht sich um die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, hat aber noch einen weiten Weg vor sich. © Carlos Castro/dpa

Gegen die Kirche in Spanien werden schwere Vorwürfe wegen Kindesmissbrauch erhoben. DIe Bischofskonferenz will die Fälle aufarbeiten, doch die Generalstaatsanwaltschaft meldet Zweifel an.

Madrid – Das irdische Recht und das göttliche Gebot laufen in Spanien nicht immer in der gleichen Spur. Der Generalstaatsanwalt Álvaro García hat im Senat die Bischöfe für ihr mangelndes Engagement bei der Aufarbeitung der Fälle von Kindesmissbrauch kritisiert. Alle 70 Diözesen habe er um Einblick in alle Informationen über sexuelle Missbräuche im Kreis der katholischen Kirche ersucht. Die Resonanz scheint den Oberstaatsanwalt nicht zu überzeugen.

Kindesmissbrauch und katholische Kirche in Spanien: Staatsanwaltschaft kritisiert Aufarbeitung der Fälle

Nicht einmal die Hälfte aller Bischöfssitze hätte geantwortet. Nur fünf hätten Informationen zur Verfügung gestellt über Fälle von sexuellem Missbrauch, die sich bereits in den Händen der Justiz befänden. 30 weitere hätten ihm in einer Standardantwort bekräftigt, keine offenen Fälle in ihrem Einzugsgebiet zu haben. „Nichts davon entspricht der Petition der Staatsanwaltschaft“, so Generalstaatsanwalt Álvaro García.

Der Kritik steuerte die spanische Bischofskonferenz mit einem Kommuniqué entgegen, in dem sie ihre „enge Kooperation mit der Justiz“ versichert. Man habe längst die Informationen über die Schilderungen von Missbräuchen an die Justiz weitergeleitet. Damit nahm die Bischofskonferenz Bezug auf die von der Zeitung „El País“ seit Oktober 2018 gesammelten und im April 2021 veröffentlichten Informationen über 910 Fälle mit 1.741 Opfern, die den Aufarbeitungsprozess über die sexuellen Entgleisungen in Gang setzten. Ferner folge man den Richtlinien des Vatikans und sammle Informationen über den Missbrauch von Minderjährigen in den eigens dafür eingerichteten Anlaufstellen.

Kindesmissbrauch in spanischer Kirche: Bischofskonferenz erstaunt über Reaktion der Staatsanwaltschaft

Die Bischofskonferenz zeigte sich „erstaunt“ über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die in diesen Stellen gesammelten Informationen weiterzugeben. Dort scheint die Anhörung und Betreuung von Opfern im Vordergrund zu stehen, und nicht eine Verfolgung der Täter, deren Verbrechen oftmals bereits verjährt sind.

Stattdessen appellierte die Bischofskonferenz an die Staatsmacht, sich im Interesse der Opfer für die Aufklärung aller Fälle einzusetzen. Katholische Medien verweisen auf Informationen von Save the Children und auf fast 12.000 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in allen gesellschaftlichen Bereichen zwischen 2019 und 2020. Die Generalstaatsanwaltschaft aber wolle ein ums andere Mal ausschließlich die katholische Kirche mit Päderastie-Vorwürfen auf die Titelseite eben dieser Zeitung bringen, so der Tenor.

Wie dem auch sei, Spanien scheint bei der Aufarbeitung dieser Fälle mit seinen Nachbarn Frankreich und Portugal nicht Schritt halten zu können. Die portugiesische Kirche gibt zu, dass in ihren Kreisen seit 1950 mindestens 5.000 Kinder sexuell missbraucht wurden, in Frankreich schätzt man die Zahl auf 216.000. „Es ist eine offene Wunde, die uns schmerzt und zutiefst beschämt“, sagte der Vorsitzende der portugiesischen Bischofskonferenz, José Ornelas.

Missbrauchsfälle in katholischer Kirche: Opfern eine Stimme geben

Nur 25 Fälle landeten in Portugal jemals vor der Justiz, die meisten Missbrauchsfälle gelten als verjährt. „Prinzipiell ging es darum, den Opfern eine Stimme zu verleihen, die sie bisher nicht hatten, verstehen zu können, wo es passierte, wie es passierte und welche Konsequenzen es hatte. Und vor allem, wie die Schäden repariert werden können, was zu tun ist, damit so etwas nie wieder passieren kann“, sagte der Anwalt Javier Cremades, der auch für die spanische Bischofskonferenz an einer eigenen Studie über die Missbrauchsfälle arbeitet. Dort hat man mit 120 Opfern Verbindung aufgenommen.

Woran fehlt es spanischen Geistlichen – am Willen zur Aufklärung oder an dieser Einsicht ihrer Nachbarn? „Die spanische Kirche muss diesen Negativismus ablegen und das bereinigen, was sie versucht zu verstecken“, sagte der 26-jährige Juan Cuatrecasas, der im Alter von zwölf Jahren von einem Lehrer missbraucht wurde, der dem Opus Dei angehörte. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte das überstanden, ich habe gelernt, damit zu leben“, meinte er in einer Rede vor dem französischen Parlament, als die erste Petition gegen den Kindesmissbrauch in der Europäischen Union verabschiedet wurde. Diese Petition nimmt übrigens keinen Bezug zur katholischen Kirche, sie soll dem „Schutz der Kinder in Europa“ dienen.

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