Stattdessen appellierte die Bischofskonferenz an die Staatsmacht, sich im Interesse der Opfer für die Aufklärung aller Fälle einzusetzen. Katholische Medien verweisen auf Informationen von Save the Children und auf fast 12.000 Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in allen gesellschaftlichen Bereichen zwischen 2019 und 2020. Die Generalstaatsanwaltschaft aber wolle ein ums andere Mal ausschließlich die katholische Kirche mit Päderastie-Vorwürfen auf die Titelseite eben dieser Zeitung bringen, so der Tenor.
Wie dem auch sei, Spanien scheint bei der Aufarbeitung dieser Fälle mit seinen Nachbarn Frankreich und Portugal nicht Schritt halten zu können. Die portugiesische Kirche gibt zu, dass in ihren Kreisen seit 1950 mindestens 5.000 Kinder sexuell missbraucht wurden, in Frankreich schätzt man die Zahl auf 216.000. „Es ist eine offene Wunde, die uns schmerzt und zutiefst beschämt“, sagte der Vorsitzende der portugiesischen Bischofskonferenz, José Ornelas.
Nur 25 Fälle landeten in Portugal jemals vor der Justiz, die meisten Missbrauchsfälle gelten als verjährt. „Prinzipiell ging es darum, den Opfern eine Stimme zu verleihen, die sie bisher nicht hatten, verstehen zu können, wo es passierte, wie es passierte und welche Konsequenzen es hatte. Und vor allem, wie die Schäden repariert werden können, was zu tun ist, damit so etwas nie wieder passieren kann“, sagte der Anwalt Javier Cremades, der auch für die spanische Bischofskonferenz an einer eigenen Studie über die Missbrauchsfälle arbeitet. Dort hat man mit 120 Opfern Verbindung aufgenommen.
Woran fehlt es spanischen Geistlichen – am Willen zur Aufklärung oder an dieser Einsicht ihrer Nachbarn? „Die spanische Kirche muss diesen Negativismus ablegen und das bereinigen, was sie versucht zu verstecken“, sagte der 26-jährige Juan Cuatrecasas, der im Alter von zwölf Jahren von einem Lehrer missbraucht wurde, der dem Opus Dei angehörte. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte das überstanden, ich habe gelernt, damit zu leben“, meinte er in einer Rede vor dem französischen Parlament, als die erste Petition gegen den Kindesmissbrauch in der Europäischen Union verabschiedet wurde. Diese Petition nimmt übrigens keinen Bezug zur katholischen Kirche, sie soll dem „Schutz der Kinder in Europa“ dienen.