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Spanien und der Klimawandel: Aus für Verbrenner kommt spät - Gesetz zur „Grünen Revolution“

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Von: Marco Schicker

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Ein Stieraufsteller neben einem Windpark in Spanien.
Spanien tut sich schwer damit, alte Traditionen über Bord zu werfen und zukunftsfähig zu werden. © EFE

Die Aussicht auf EU-Gelder treibt Spanien an, mit einem Gesetz über den Klimawandel das Aus für Autos mit Verbrennungsmotoren zu verkünden, den öffentlichen Verkehr und Erneuerbare Energien zu fördern und den Bauwahn zu bremsen. Doch Spanien ist nur auf halbem Wege in die Zukunft, viele Maßnahmen erscheinen zu spät und zu lasch. Landwirtschaft und Massentourismus bleiben ausgespart. Doch nur ein grünes Revolutiönchen?

Madrid – Erst, seit die EU ihre gigantischen Corona-Hilfsfonds an Klima- und Umweltziele koppelte, kommt wirklich Bewegung in die längst überfällige „grüne Revolution“, Spaniens Regierung legt, nach Jahren des Zögerns, ein Gesetz zum Klimawandel zur Abstimmung vor. 356 Milliarden Euro, mehr als jeder dritte Euro des EU-Finanzrahmens 2021-2027, sind für „Klima, natürliche Ressourcen, Umwelt“ vorgesehen. Auch vom Corona-Hilfspaket von über 750 Milliarden Euro fließen 30 Prozent in den Klimaschutz, mehr als die Hälfte davon als Subventionen. Doch das Geld gibt es nur für konkrete Projekte, die den Klima- und Umweltzielen der EU entsprechen. Wer kassieren will - und Spanien will, ja muss das - braucht daher einen gesetzlichen Rahmen.

Spaniens neues Gesetz zum Klimawandel: Bleiben große Klima- und Umweltsünder verschont?

Spanien nimmt sich in seinem neuen Gesetz über den Klimawandel, das sozusagen als Dach für eine ganze Reihe von Fördergesetzen dienen wird, eine Menge vor, bremst auf anderen Gebieten aber auch: Bis 2030 sollen die Treibhausgase um 23 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen, „noch vor 2050“, so der Entwurf, will Spanien die „Klimaneutralität“ erreichen. Umweltschützern geht das naturgemäß zu langsam, sie halten den Gesetzentwurf für „unambitioniert“ und verweisen auf die immer stärker sichtbaren Effekte des Klimawandels in Spanien wie Verwüstung, Küstenerosion oder Wassermangel. Ihre wichtigste Kritik: Die größten Brocken, Land- und Wasserwirtschaft sowie Tourismus, werde nicht hart genug rangenommen. Die Regierung kontert, diese Sektoren nehme man sich gesondert zur Brust.

Doch die PSOE ist nicht Greenpeace und muss bei ihrer Politik Rücksicht auf parlamentarische Mehrheiten und die vermeintlichen Schmerzgrenzen der Wirtschaft nehmen, die in der PP einen mächtigen Fürsprecher hat, der nur darauf wartet, das Gesetz bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern. Immerhin soll bis 2050 100 Prozent der Energieerzeugung Spaniens mit erneuerbaren Ressourcen erfolgen, bereits 2030 soll dieser Anteil auf 74 Prozent steigen. Gleichzeitig soll durch höhere Energieeffizienz der Energieverbrauch bis 2030 um über ein Drittel gesenkt werden. Dazu hatte man bereits vor einiger Zeit die absurde „Sonnensteuer“ und andere Bremsklötze für den individuellen Ausbau von Solar- und Windenergie abgeschafft.

Windkraftanlage auf den Kanarischen Inselns, Fuerteventura.
Windkraftanlage auf Fuerteventura bei Puerto del Rosario, massiver Eingriff in die typische Landschaft der Kanaren-Insel. © Endesa

Sowohl bei den Häuslebauern wie in der Landwirtschaft, aber auch bei kommunalen Projekten hat das, zusammen mit einem besseren Zugang zu Subventionen, einen kleinen Boom der Solar- und Windenergie in Spanien eingeleitet. Die energetische Sanierung privaten Wohnraums wird, in einem gesonderten Gesetz, mit 5,8 Milliarden Euro gefördert werden, teilweise übernimmt der Staat dabei bis zu 100 Prozent der Kosten.

Verbrennungsmotoren: Aus für Autos mit Benzin und Diesel in Spanien kommt spät

Sobald das Klimagesetz durch Kongress und Senat ist, dürfen in Spanien keine neuen Bergbauprojekte für Kohle und andere fossile Ressourcen sowie radioaktive Stoffe angegangen werden. Auch nicht im Meer, womit die umstrittenen Bohrungen vor den Kanaren und Balearen sowie ein Uranbauprojekt in Salamanca beendet werden sollten. Den traditionellen Bergbauregionen Spaniens von Asturien bis Murcia steht die letzte Etappe eines sich seit Jahrzehnten voranquälenden Strukturwandels bevor. Auch das Fracking wird in Spanien verboten sein. Laufende Bergbaulizenzen werden nicht über das Jahr 2042 hinaus verlängert, ein Punkt, den die Umweltschützer besonders kritisieren, die Stilllegung dauert ihnen viel zu lange. Auch sei der Bereich „Seltene Erden“ insgeheim ausgeklammert worden, bei dem Spanien einiges Potential vermutet, um alsbald die Abhängigkeit von China auf diesem für die neuen Technologien essentiellen Feld reduzieren zu können.

Im Bereich der Mobilität werden E-Autos und E-Busse für den öffentlichen Nahverkehr allmählich zum Standard, denn nur dafür wird es noch staatliche oder EU-Zuschüsse geben. Der Verkehr wird immer mehr aus den Innenstädten verdrängt, auch der Luftqualität wegen. Bis 2023 müssen in Spanien alle Ortschaften ab 50.000 Einwohner sogenannte „Zonen mit niedrigen Emissionen“ einrichten. Fuß- und Radwege sollen dann parkende Blechlawinen in den Innenstädten ablösen.

Spanien: Zuschüsse für den Kauf für E-Autos steigen deutlich an

Ab 2040 dürfen in Spanien keine Fahrzeuge mehr verkauft werden, die Kohlendioxid ausstoßen und ab 2050 auch nicht mehr fahren. Allerdings gilt das zunächst nur im privaten und öffentlichen Sektor. Fahrzeuge für die kommerzielle Nutzung bekommen mehr Zeit für die Umstellung: Pkw, Lieferwagen und „leichte Lkw“ mit Verbrennungsmotoren dürfen bis 2050 erworben werden, für die großen Brummis gibt es allerdings überhaupt kein Limit und in diesem Sektor bleibt Spanien weit hinter den Maßnahmen anderer Länder zurück, so verbietet Norwegen den Verkauf von Benzin- oder Dieselautos generell bereits ab 2025. Ein gesondertes Gesetz sieht 22 Milliarden Euro für „nachhaltige Verkehrslösungen“ vor. 800 Millionen Euro stehen zudem im Rahmen von „Moves“ als Subventionen für die Anschaffung E-Autos oder Hybriden bereit, von 5.500 bis zu 9.000 Euro pro Fahrzeug.

Bauwahn an Spaniens Küsten: Staat will Veto-Recht für neue Bauprojekte

Das Klimagesetz will auch in die Bereiche Urbanismus und Nutzung der Küstenregionen Spaniens eingreifen und unterstellt diese Bereiche einer fünfjährigen Revision. Das bedeutet, dass küstennahe Baumaßnahmen mit einem Veto belegt werden können, wenn die Natur dadurch gefährdet wird oder die Effekte des Klimawandels die dort lebenden oder arbeitenden Menschen gefährden könnten. Außerdem verlangt das Gesetz eine „Einbeziehung“ der Effekte des Klimawandels bei der urbanistischen Planung. Was so allgemein klingt, wird sehr konkrete Auswirkungen haben, nicht umsonst hat sich die PP-Baulobby vehement gegen diesen Paragraphen gewehrt, wie „El País“ berichtet.

Entwurf einer PArkanlage mit Hochhäusern in Torrevieja
Torrevieja ist schon zugebaut, jetzt sollen zwei Dutzend Hochhaus-Türme dazukommen. © Baraka

Denn mit Verweis auf Wassermangel, die Zunahme von Unwetterereignissen, kann die „Versiegelung“, also Bebauung bestimmter Zonen künftig bereits vom Zentralstaat untersagt werden, ohne, dass es erst umständlicher Länderverfahren beim Eingriff in die Flächennutzungspläne bedarf. Ob dieses „Öko-Veto“ aber tatsächlich die Bebauung der letzten freien Meter der spanischen Mittelmeerküsten verhindert, bleibt noch abzuwarten, denn auch die PSOE ist mit der Bauwirtschaft verschwägert.

Einwände haben Umweltgruppen bei vielen Abschnitten des Gesetzes, die ihnen zu allgemein und zu dehnbar erscheinen, wie die Vorgabe, dass „der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit dem Erhalt der Naturräume kompatibel“ sein solle. Wie variabel der Begriff „kompatibel“ einsetzbar ist, zeigen die Streits zwischen Errichtern von Windparks und Anwohnern in immer mehr Regionen Spaniens. Was ein Exzess bei Erneuerbaren Energien anrichten kann, zeigt das Beispiel der Kanarischen Insel Fuerteventura.

Die Verhandler schließen nicht aus, dass auch hier der Zentralstaat direktere Eingriffsrechte im Gesetz formuliert, sie verweisen aber immer wieder auch darauf, dass das Gesetz über den Klimawandel vor allem eine übergeordnete Funktion erfülle, auf die konkrete Verordnungen für einzelne Bereiche folgen sollen, so wie es zum Beispiel beim Einwegplastik bereits geschehen ist, oder wie es für den Bereich der Landwirtschaft oder des Tourismus, die zwei größten Klimasünder und Klimawandelopfer Spaniens gleichermaßen, noch ausstehen.

Nicht nur die EU-Milliarden, sondern auch die privatwirtschaftlichen Profitaussichten im Boom-Sektor Umweltwirtschaft befördern auch in Spanien, das in Sachen Umweltschutz bisher, freundlich gesagt, behäbig voranging, einen Bewusstseinswandel. Klima- und Umweltschutz werden nicht mehr als Bremser oder ideologischer Luxus verstanden, sondern als grundlegende Voraussetzung für eine zukunftsfähige Wirtschaft, die Arbeitsplätze schafft, die diesen Namen auch verdienen. Und die im Vergleich zur Monokultur des Massentourismus, der in Spanien durch Corona grundsätzlich in Frage gestellt wird, auch krisenresistenter ist.

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