Trotzdem hat die starke Präsenz nationaler Themen ihre Gründe. Immer mehr Leute fassen bis kurz vor dem Urnengang keine Entscheidung, ob sie überhaupt wählen und wen. Der Wahlkampf, die Kampagnen und die Auseinandersetzung spielen eine große Rolle. Diese Spektakel beherrschen Politiker im Nationaltrikot besser, vor allem in den Sozialen Medien. Hinzu kommt, dass zuletzt durch die Corona-Krise sowie Inflation die große Politik in Madrid und Brüssel stärker in den Vordergrund gerückt ist. Verständlich, dass Wähler mit dem Krisenmanagement der Regierung in der schwierigen Zeit, ob im positiven oder negativen Sinne, abrechnen und eine Zäsur herbeiführen wollen.
Die Konservativen versuchen auf der Welle des Wandels zu surfen, die derzeit bei weitem nicht so hoch auszuschlagen scheint wie die PP es glauben macht. Ihr Wappentier, die Seeschwalbe, kreist nur über zwei der zwölf Landtage, die am 28. Mai gewählt werden. Die PSOE hat mit Faust und Rose zu verteidigen und wird aber sicherlich an Boden verlieren, auch weil die PP allein schon wegen der Schwindsucht der Liberalen von Ciudadanos zulegen wird. Niederschmetternd wirken die Attacken der PP bisher noch nicht und allein mit der ETA ist keine Wahl zu gewinnen, zumindest nicht an der Küste.
Umfragen zufolge holen die Konservativen in Valencia mit 30 Prozent die Landtagswahl vor den Sozialisten mit 29 Prozent. Dennoch prognostiziert das Centro de Investigaciones Sociológicas (CIS) eine Neuauflage der Linkskoalition von Ximo Puig, weil Vox zu schwach bleibt und es rechts nicht für eine Koalition reicht, links aber schon. In der Nachbarregion Murcia können die Konservativen den Prognosen zufolge ihre Bastion halten und damit die Erwartungen erfüllen. Mehr noch als Valencia ist Murcia konservative Hochburg.
Generell stehen Regionalregierungen beim Wähler in höherer Gunst als die Madrider Parlamentarier, das gilt für die Konservativen Juanma Moreno in Andalusien und Fernando López Miras in Murcia ebenso wie für den Sozialisten Ximo Puig in Valencia. Wobei in Valencia viele wichtige Kommunen nicht von der gleichen Partei regiert werden wie die Region, auch die Provinz Alicante und damit die Costa Blanca stehen unter konservativer Führung.
Auch ein Grund, warum Wahlkampfstrategen der Konservativen nationale Themen ins Visier nehmen. Obendrein lassen sie sich viel leichter zuspitzen als regionale und lokale Themen, bei denen ideologische Grenzen oft verwischen. Ein Ximo Puig tritt mit gleicher Vehemenz wie seine beiden konservativen Kollegen aus Murcia und Andalusien für den Tajo-Segura-Kanal ein, völlig unabhängig davon, wer in Kastilien-La Mancha regiert oder im Madrider Umweltministerium sitzt.
Die Wasserversorgung ist in dieser Dürre ein wichtiges Thema. Auch die Schlacht um den Doñana-Nationalpark ist längst nicht ausgestanden. Erst am Sonntag demonstrierten die Umweltschützer von Salvemos Doñana in Sevilla für den Schutz des Unesco-Weltkulturerbes, doch die andalusische Landesregierung hat die umstrittene Ausdehnung der Bewässerunggebiete von rund 1.600 Hektar erstmal auf Eis gelegt und beschuldigt lieber Madrid, dass kein Wasser in Spaniens Süden kommt. Wobei in Andalusien am 28. Mai nicht der Landtag gewählt wird, sondern die Bürger, auch europäische Residenten, nur in den Kommunen an die Urnen gerufen werden. Landtagswahlen finden in Aragón, Asturien, auf den Kanaren und Balearen, in Kantabrien, Kastilien-La Mancha, Madrid, Valencia, Extremadura, La Rioja, Navarra und Murcia statt.
Für die Wasserversorgung hat keine Partei bisher ein überzeugendes längerfristiges Konzept vorlegen können. Da schwebt immer noch der nationale Wasserplan der Konservativen im Raum, der auf einer zentralen Verwaltung der Quellen und Überleitungen basiert, die aber als kostspielig, umstritten und nicht sehr effizient gelten. Die Sozialisten setzen eher auf dezentrale Entsalzungsanlagen, doch die Landwirte wollen das Wasser nicht bezahlen.
Gerade aber in trockenen Gebieten von Andalusien über Murcia nach Valencia und Katalonien müssten Dürre und Wasserversorgung eine größere Rolle im Wahlkampf spielen, als sie es tun. Zu kurz kommen der Wohnungsmarkt und der chronische Mangel an Mietwohnungen. Dieses Thema müsste junge Wähler mobilisieren, gerade in Ferienorten an der Küste, wo viele Normalverdiener kaum mehr die Miete bezahlen können. Dann könnte man auch die niedrigen Löhne noch anführen.