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Die Qual der Wahl: Spanien vor Kommunal- und Landtagswahlen am 28. Mai

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Von: Stephan Kippes

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Feuerwehr-Demo in Spanien mit Protesten gegen die Regierung Sánchez.
Einer muss Schuld an allem sein: Der Wahlkampf wird zur Abrechnung mit Pedro Sánchez © Fernando Sánchez/dpa

Bei den Wahlen in Spanien steht viel auf dem Spiel. 36 Millionen Menschen sind aufgerufen, die Regierungen ihrer Wohnorte zu wählen. Bisher bestimmen nationale Themen den Wahlkampf.

Alicante – Das kleine Spanien wählt am 28. Mai. Über 36 Millionen Wähler können an diesem Sonntag die Regierungen von 8.131 Kommunen und zwölf Regionen wählen. Die Qual der Wahl liegt nicht zwischen den omnipräsenten Ministerpräsidenten Pedro Sánchez (PSOE) oder Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo und ihrer „großen Politik“, sondern bei den Kommunal- und Landtagswahlen geht es um viel mehr. Es geht um das Gesundheitswesen, will man es lieber privat oder öffentlich, vertraut man dem Bürgermeister oder bringt der einen zur Weißglut, es geht um die Schulen und die Bildung, die Kultur, den Lokalsport, die Freizeitmöglichkeiten, um den Zug und die Straßen, Sauberkeit, die Müllcontainer in den Urbanisationen und all die Politik im Kleinen, die Menschen direkt betrifft, mehr jedenfalls als die umstrittenen Listen separatistischer Parteien im Baskenland oder das Ende des Sanchismus, was immer das bedeuten mag.

Spanien vor den Kommunal- und Landtagswahlen: Wahlkampf wird zu Plebiszit für die Regierung Sánchez

Bisher mutiert der Wahlkampf in eine Art Plebiszit für die Regierung Sánchez – das Ergebnis soll angeblich ein Vorgeschmack dessen sein, was bei der Parlamentswahl im Dezember entschieden wird. Deswegen ruft Feijóo zum Kampf gegen Sanchismus auf, den seine konservativen Kandidaten derzeit keineswegs nur im Regierungspalast Moncloa in Madrid, sondern auch im Landtag von Valencia oder im Rathaus Dénia wirken sehen, überall dort, wo Sozialisten sitzen, die hinter dem Transsexuellen-Gesetz stehen, dem Sterbehilfegesetz oder der umstrittenen Rechtssprechung bei der sexuellen Freiheit, bekannt unter dem Schlagwort „Nur ein Ja heißt Ja“.

So bezeichnet der PP-Spitzenkandidat für den Landtag in Valencia, Carlos Mazón, den dortigen Regierungschef Ximo Puig ständig als einen Abgesandten von Pedro Sánchez. Der Madrider Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida ruft die Hauptstädter auf, zwischen dem Spanien von 1978 und Pedro Sánchez zu wählen. „Wir Madrilenen wollen keine Filiale von Sánchez in der Hauptstadt haben. Seine Tage in der Moncloa sind gezählt. Das hängt von uns ab.“ Doch das tut es eben nicht, jedenfalls nicht am 28 Mai. Der Madrider Bürgermeister weiß das nur zu gut, weil Umfragen zufolge fast 57 Prozent der Befragten ihr Interesse für regionale Themen bekunden und 37,5 Prozent für nationale. Vor allem aber, weil Mónica García von Más Madrid zuletzt mit einem lokalen Wahlkampf die Sozialisten überholte und zweitstärkste Kraft in seinem Rathaus wurde, nur zwei Jahre nach Gründung der Linkspartei.

Spanien vor den Kommunal- und Landtagswahlen: Die Abrechnung mit dem Krisenmanagement von Sánchez

Trotzdem hat die starke Präsenz nationaler Themen ihre Gründe. Immer mehr Leute fassen bis kurz vor dem Urnengang keine Entscheidung, ob sie überhaupt wählen und wen. Der Wahlkampf, die Kampagnen und die Auseinandersetzung spielen eine große Rolle. Diese Spektakel beherrschen Politiker im Nationaltrikot besser, vor allem in den Sozialen Medien. Hinzu kommt, dass zuletzt durch die Corona-Krise sowie Inflation die große Politik in Madrid und Brüssel stärker in den Vordergrund gerückt ist. Verständlich, dass Wähler mit dem Krisenmanagement der Regierung in der schwierigen Zeit, ob im positiven oder negativen Sinne, abrechnen und eine Zäsur herbeiführen wollen.

Die Konservativen versuchen auf der Welle des Wandels zu surfen, die derzeit bei weitem nicht so hoch auszuschlagen scheint wie die PP es glauben macht. Ihr Wappentier, die Seeschwalbe, kreist nur über zwei der zwölf Landtage, die am 28. Mai gewählt werden. Die PSOE hat mit Faust und Rose zu verteidigen und wird aber sicherlich an Boden verlieren, auch weil die PP allein schon wegen der Schwindsucht der Liberalen von Ciudadanos zulegen wird. Niederschmetternd wirken die Attacken der PP bisher noch nicht und allein mit der ETA ist keine Wahl zu gewinnen, zumindest nicht an der Küste.

Umfragen zufolge holen die Konservativen in Valencia mit 30 Prozent die Landtagswahl vor den Sozialisten mit 29 Prozent. Dennoch prognostiziert das Centro de Investigaciones Sociológicas (CIS) eine Neuauflage der Linkskoalition von Ximo Puig, weil Vox zu schwach bleibt und es rechts nicht für eine Koalition reicht, links aber schon. In der Nachbarregion Murcia können die Konservativen den Prognosen zufolge ihre Bastion halten und damit die Erwartungen erfüllen. Mehr noch als Valencia ist Murcia konservative Hochburg.

Generell stehen Regionalregierungen beim Wähler in höherer Gunst als die Madrider Parlamentarier, das gilt für die Konservativen Juanma Moreno in Andalusien und Fernando López Miras in Murcia ebenso wie für den Sozialisten Ximo Puig in Valencia. Wobei in Valencia viele wichtige Kommunen nicht von der gleichen Partei regiert werden wie die Region, auch die Provinz Alicante und damit die Costa Blanca stehen unter konservativer Führung.

Spanien vor den Kommunal- und Landtagswahlen: Die Abrechnung mit dem Krisenmanagement von Sánchez

Auch ein Grund, warum Wahlkampfstrategen der Konservativen nationale Themen ins Visier nehmen. Obendrein lassen sie sich viel leichter zuspitzen als regionale und lokale Themen, bei denen ideologische Grenzen oft verwischen. Ein Ximo Puig tritt mit gleicher Vehemenz wie seine beiden konservativen Kollegen aus Murcia und Andalusien für den Tajo-Segura-Kanal ein, völlig unabhängig davon, wer in Kastilien-La Mancha regiert oder im Madrider Umweltministerium sitzt.

Die Wasserversorgung ist in dieser Dürre ein wichtiges Thema. Auch die Schlacht um den Doñana-Nationalpark ist längst nicht ausgestanden. Erst am Sonntag demonstrierten die Umweltschützer von Salvemos Doñana in Sevilla für den Schutz des Unesco-Weltkulturerbes, doch die andalusische Landesregierung hat die umstrittene Ausdehnung der Bewässerunggebiete von rund 1.600 Hektar erstmal auf Eis gelegt und beschuldigt lieber Madrid, dass kein Wasser in Spaniens Süden kommt. Wobei in Andalusien am 28. Mai nicht der Landtag gewählt wird, sondern die Bürger, auch europäische Residenten, nur in den Kommunen an die Urnen gerufen werden. Landtagswahlen finden in Aragón, Asturien, auf den Kanaren und Balearen, in Kantabrien, Kastilien-La Mancha, Madrid, Valencia, Extremadura, La Rioja, Navarra und Murcia statt.

Für die Wasserversorgung hat keine Partei bisher ein überzeugendes längerfristiges Konzept vorlegen können. Da schwebt immer noch der nationale Wasserplan der Konservativen im Raum, der auf einer zentralen Verwaltung der Quellen und Überleitungen basiert, die aber als kostspielig, umstritten und nicht sehr effizient gelten. Die Sozialisten setzen eher auf dezentrale Entsalzungsanlagen, doch die Landwirte wollen das Wasser nicht bezahlen.

Gerade aber in trockenen Gebieten von Andalusien über Murcia nach Valencia und Katalonien müssten Dürre und Wasserversorgung eine größere Rolle im Wahlkampf spielen, als sie es tun. Zu kurz kommen der Wohnungsmarkt und der chronische Mangel an Mietwohnungen. Dieses Thema müsste junge Wähler mobilisieren, gerade in Ferienorten an der Küste, wo viele Normalverdiener kaum mehr die Miete bezahlen können. Dann könnte man auch die niedrigen Löhne noch anführen.

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