Das Klima machte Spanien zudem zu einem großen Produzenten, das "leere" Spanien, mit aufgegebenen Landstrichen, leerstehenden Fabrikhallen, kaum bewohnten Urbanisationen im Nirgendwo lud "Bauern" dazu ein, Hanfpflanzen im industriellen Maßstab anzubauen. Handel und Produktion aber würden wegen des europäischen Marktes nicht absterben, solange es keine EU-weit einheitliche Gesetzeslage, sprich EU-weite Legalisierung dieser Pflanze und ihrer Produkte gibt. Bis dahin rupfen spanische Polizisten weiter tausende Pflanzen aus, verurteilen die Delinquenten hauptsächlich wegen peripherer Straftaten, Abzapfen von Strom, Geldwäsche. Und für nicht wenige kriminelle Gangs ist Marihauna nur ein Produkt in der Palette, die von Waffen bis Prostitution reicht.
Dennoch äußerten sich Richter, aber auch Kriminalisten und Polizisten zum Teil positiv einer Freigabe von Marihuana gegenüber. Die aufwändige Jagd nach Plantagen von ein paar hundert Pflanzen binde viele Kräfte und versickere juristisch im Nichts. Verurteilungen führten zu keinem generalpräventiven Effekt, sprich einer Abschreckung, denn alles, was Spanien - oft mit Investitionen und logistischem Know How von Drogenhändler-Clans aus Irland, Großbritannien, Holland, Frankreich oder Deutschland -, nicht selbst produziere, würde über das Mittelmeer geschmuggelt, der Markt - der seit Jahren boomt - bliebe aber gleich groß. Wären Cannabis-Produkte legal, könnte sich die Polizei gänzlich auf die eigentlichen Big Player im Drogengeschäft besser konzentrieren. Und die handeln mit Kokain, Heroin und vor allem der ganzen Palette synthetischer Drogen, in denen viel mehr Geld steckt und die Spanien, man denke an die „tödlichen Dekaden“ der 80er und 90er Jahre, nachweislich viel mehr Probleme bereitet haben und bereiten.
Bis sich die Politik in Spanien und Europa beim Thema Marihuana zu einem Paradigmenwechsel durchringt, müssen Kiffer in einer Art Grauzone qualmen, werden zwar nicht mehr direkt kriminalisiert, aber durch eine verworrene Gesetzeslage gegängelt und das für ein Kraut, das harmloser als Schnaps ist. Zumindest für die meisten, denn der Verband der Psychologen und Psychiater in Spanien ist scharf gegen eine komplette Freigabe, fürchtet unkontrollierbare Auswirkungen auf psychisch labile Patienten, vor allem jene, die mit Depressionen zu kämpfen haben.
Die Rechtspraxis in Spanien ist eine Art Duldung, keine Legalisierung, aber auch keine Kriminalisierung des einfachen Konsumenten. Gestattet ist der diskrete Konsum von Marihuana im privaten Umfeld, der Besitz von bis zu 100 Gramm für den Eigenbedarf ist legal und auch die Kultivierung, also der Anbau von Marihuana-Pflanzen, also Hanf, ist laut dem Real Decreto 1729/1999 erlaubt.
Nun kommt aber das große Aber: Wenn Sie von diesen 100 Gramm auch nur eines verkaufen oder sich dafür ein Bier spendieren lassen, machen Sie sich strafbar. Jeder Handel ist untersagt. Die Samen für den Anbau müssen nach EU-Richtlinie zertifziert sein, also im Hanfshop erworben werden, wo nur solche mit reduziertem THC-Wirkstoffgehalt (0,2%) angeboten werden dürfen.
Die Marihuana-Pflanzen können Sie auf dem Balkon ziehen, sollte der aber öffentlich einsehbar sein oder sich ein Nachbar vom Geruch gestört fühlen, haben Sie jedes Recht verwirkt. Die Umsetzung dieser Maßgabe "nur ja nichts öffentlich", ist nicht nur regional unterschiedlich, sondern hängt tatsächlich von Lust und Laune des zuständigen Polizisten ab.
Seit den 1990er Jahren schossen in Spanien, eine Gesetzeslücke nutzend, die Cannabis Clubs wie Pilze aus dem Boden oder wie Hanfpflanzen im Gewächshaus. Die Idee war, dass sich Gleichgesinnte ihre Ernten mitbringen und in abgeschirmten Bereichen, in Gemeinschaft, aber doch privat, rauchen können. Dummerweise nutzten viele Schlauberger das Label Cannabis Club um diese privaten Vereine wie Coffee-Shops zu betreiben und einen regen Handel aufzuziehen. Clubs in Kellern von Wohnanlagen, wo auch angebaut wurde oder ganz andere Drogen als nur "Kräuter" auftauchten oder auch Clubs die von professionellen Banden einfach als Fassage genutzt wurden, brachten dieses Konzept in Verruf. Die Polizei ließ hunderte davon hochgehen, fast immer mit dem Nachweis, dass sie mehr waren als gemütliche Tabakskollegien.
Wer mit zu viel Marihuana angetroffen wird, dem wird Handelsabsicht unterstellt, wer in der Öffentlichkeit raucht, begeht einen "Anschlag auf die öffentliche Gesundheit", die Regelstrafe dafür fängt bei 601 Euro an und kann bis 30.000 steigen. Wem nachgewiesen wird, gewerbsmäßig und mit anderen zusammen, Handel oder Anbau zu betreiben, wandert, zumindest nach dem Gesetz, ins Gefängnis.
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