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Massentierhaltung: Tierquälerei in Spanien bei Fleischproduktion Normalität 

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Von: Andrea Beckmann

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Zwei Greenpeace-Mitarbeiter protestieren auf einem Gelände mit einem Plakat gegen Industriefleisch.
Greenpeace warnt: Massentierhaltung verursacht hohe Nitratwerte in Spaniens Grundwasser. © Pedro Armestre

Immer mehr Massenzuchtbetriebe entstehen in Spaniens bevölkerungsarmen Regionen. Während die Produktion in Ländern wie Deutschland oder Belgien allmählich gedrosselt wird, boomt das Geschäft mit Billigfleisch wie in keinem anderen Land.

Alltag in einem Massenzuchtbetrieb in Spanien: In einem engen Metallkäfig eingepfercht hat die Sau so gut wie keine Bewegungsfreiheit. Sie kann sich noch nicht einmal aufrichten, geschweige denn ihrem Instinkt folgen und sich ihren neugeborenen Ferkeln widmen. Ihre Tätigkeit ist darauf beschränkt, den Nachwuchs zu stillen. Die Eisenstruktur hat das Muttertier, das keine andere Aufgabe hat, als Nachwuchs für die Fleischindustrie zu gebären, fest im Griff.

SpanienLand
HauptstadtMadrid
Bevölkerung47,35 Millionen (2020)
KönigFelipe VI.

Trauriger Alltag im Leben einer Sau in einer Massentierzuchtfarm in Spanien. Das Land hat längst Deutschland als Schweinefleischproduzent Nummer eins abgelöst und ist inzwischen weltweit größter Exporteur von Schweinefleisch. Die Produktion von Schweinen ist hierzulande in den vergangenen zehn Jahren so stark gewachsen wie in keinem anderen EU-Land, ein Ende der Expansion ist nicht in Sicht. 2020 produzierten spanische Schweinemastbetriebe mehr als sieben Millionen Tonnen Schweinefleisch, davon fünf für den Export. Ein Großteil wurde nach China verkauft.

In Spanien nimmt die Massentierhaltung und Zahl gigantischer Zuchtbetriebe weiterhin zu

In keinem anderen europäischen Land werden mehr Schweine für die Fleischproduktion gehalten als in Spanien. Während vor allem in dünn besiedelten Regionen wie Castilla y León oder Castilla La Mancha immer mehr gigantische Massenzuchtbetriebe entstehen, geben traditionell wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe zunehmend auf. Sie können den Dumpingpreisen längst nicht mehr standhalten.

Für Schlagzeilen sorgte unlängst der 20 Einwohner zählende Ort Gormaz in der Provinz Soria, wo ein Schweinezuchtbetrieb für mehr als 4.200 Tiere gebaut werden sollte – in unmittelbarer Nähe des Castillo de Gormaz, das jährlich unzählige Touristen anlockt. Das Vorhaben, das abgesehen von dem Gestank nach Gülle einen visuellen Eingriff in die Landschaft bedeutet hätte, rief massive Proteste in der Region hervor – offenbar mit Erfolg, wenngleich ein hinkender. Denn das Schweinezuchtunternehmen Agro Peñaranda Esteban will sich scheinbar nicht von dem Gebiet als Standort für die neue Schweinefarm abbringen lassen. Im Visier hat das Unternehmen nun ein Grundstück im Nachbarort Recuerda, in dem 90 Einwohner leben. Das Ministerium für Kultur und Erbgut hat bereits die Genehmigung für archäologische Prospektionen erteilt. Diese sind gleich welcher Bauvorhaben – industriell oder privat – gesetzlich vorgeschrieben.

Eine Sau mit Jungtieren in einem Massenzuchtbetrieb in Castillejar, Granada.
Bei der Massentierhaltung in Spanien haben die Säue kaum Bewegungsfreiheit, um ihrem Instinkt zu folgen.  © Pedro Armestre

In Spanien: Makro-Massenzuchtbetriebe entstehen überwiegend in dünn besiedelten Gebieten

Nach Auskunft des Ministeriums sieht das Projekt dieser Massentierhaltung auf 1.000 Quadratmetern Land den Bau von drei Hallen, einem Verwaltungsgebäude und einem Becken für Jauche vor. Im Umkreis von drei Kilometern gebe es kein kulturell geschütztes Gut (BIC), informiert das Ministerium. Die Burg von Gormaz und die Kapelle San Miguel lägen 4,4 Kilometer, die Türme Atalaya de Mosarejos und Atalaya de Nograles vier beziehungsweise 5,9 Kilometer entfernt. Demnach seien keine indirekten Einflüsse auf Burg, Kapelle oder Türme zu befürchten. Gute Aussichten also für den Schweinezüchter, sein Projekt dort durchziehen zu können.

„Makro-Betriebe entstehen bevorzugt in dünn besiedelten Gebieten mit überwiegend älteren Bewohnern, weil von ihnen keine Gegenwehr zu erwarten ist“, erklärt Greenpeace-Sprecher Luis Ferreirim. „In der jüngeren Bevölkerung findet hingegen ein Umdenken statt. Immer mehr Menschen stehen solchen Zuchtbetrieben kritischer gegenüber. Es kommt immer häufiger vor, dass solche Vorhaben wie kürzlich in Gormaz nicht mehr einfach so hingenommen werden. Wohl auch deshalb, weil sie am Ende meistens nicht die Arbeitsplätze generieren, die eingangs versprochen werden.“

In Calmocha, einem 4.000 Einwohner zählenden Ort in Teruel, ist von Gegenwehr nichts zu spüren. Dort begrüßt man den laut Medienberichten geplanten Riesenschlachtbetrieb des deutschen Fleischfabrikanten Tönnies. Man erinnert sich: Deutschlands größter Schlachter für Schweine war in die Schlagzeilen geraten, nachdem es im Kreis Gütersloh vermehrte Coronavirus-Fälle unter Angestellten gegeben hatte. Osteuropäische Zeitarbeiter berichteten von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und Unterkünften.

In Spanien: Deutscher Fleischfabrikant Tönnies will in Teruel 2,4 Millionen Schweine pro Jahr schlachten

Tönnies trat die Flucht nach vorne an. In Calmochas Industriegebiet will der Fleischfabrikant, der bereits einen Schlachthof in La Mata de los Olmos (Teruel) betreibt, 2024 eine hochmoderne Anlage für die Massentierzucht eröffnen. Täglich sollen dort 10.000 Schweine – 2,4 Millionen Tiere pro Jahr – geschlachtet werden. In dem computergesteuerten Betrieb will Tönnies 1.000 direkte Arbeitsplätze schaffen. Wer mag dagegen schon protestieren!

Einer nannte die Dinge kürzlich allerdings beim Namen und machte sich damit nicht allein bei Ministerpräsident Pedro Sánchez, bekennender Fleischliebhaber, unbeliebt. Spaniens Verbraucherminister Alberto Garzón (Unidas Podemos) war, es, der gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“ auf die katastrophalen Klimafolgen durch hohen Fleischkonsum aufmerksam machte und sich – übrigens nicht zum ersten Mal – kritisch gegenüber der Massentierhaltung äußerte. Sie trage nicht nur zur Erderwärmung bei, sondern sei auch belastend für das Grundwasser und die Umwelt.

Ein Problem, auf das regionale und nationale Umweltschutzgruppen wie Greenpeace immer wieder aufmerksam machen. Sie prangern insbesondere die immensen Mengen an Gülle und ihre leichtfertige Entsorgung durch Massenzuchtbetriebe an. In einigen Regionen lägen die Nitratwerte des Grundwassers bis zu 60 Prozent über der EU-Norm. Greenpeace fordert deshalb einen Abbau von Kapazitäten und die Drosselung der Expansion.

Spaniens Massentierhaltung leitet resistente Gene und Superbakterien in die Umwelt

Doch damit nicht genug. Laut der Tierschutzvereinigung Faada, die mit World Animal Protection Untersuchungen in Spanien durchgeführt hat, weisen Daten darauf hin, dass Massentierhaltungsbetriebe durch den Einsatz von Antibiotika resistente Gene und Superbakterien in die Umwelt leiten. „Antibiotika werden in der intensiven Tierhaltung routinemäßig angewandt“, heißt es in einer Pressemitteilung von Faada. „Damit versucht man, das fehlende Wohlergehen der Tiere zu verschleiern und zu verhindern, dass sich die gestressten Tiere Infektionen einfangen.“ Die antimikrobiellen Resistenzgene gelangten mit der Gülle aus den Mastbetrieben auf die Felder und von da in die Wassersysteme.

Insbesondere in Katalonien mit der höchsten Konzentration von Schweinemastfarmen in ganz Europa und der Nachbarregion Aragón sei die Situation alarmierend. Bei Wasser- und Sedimentproben, die man in beiden Regionen durchgeführt habe, seien insgesamt acht antimikrobielle Resistenzgene gefunden worden, deren Konzentration an zahlreichen Entnahmestellen fünfmal und im Extremfall sogar 200 Mal über dem Grundwert gelegen hätten. Dabei habe es sich vor allem um Werte eines Antibiotikums gehandelt, das bei Atemwegs-, Harnwegs-, Vaginal- und Magen-Darm-Infektionen eingesetzt werde. Die Gene stünden in Verbindung mit Schweinegülle oder damit angereichertem Dünger, der in den untersuchten Regionen zum Einsatz komme.

Seit Anfang des Jahres ist der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung der EU verboten. Es ist nun Sache der einzelnen Regionalregierungen, die Einhaltung des Verbots zu kontrollieren. Bleibt abzuwarten, wie diese damit umgehen werden.

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