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Spanien stärkt Frauenrechte: Bei Menstruationsbeschwerden nicht zur Arbeit

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Von: Stephan Kippes

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Gleichstellungsministerin Irene Montero bei einer Wahlkampfveranstaltung
Kämpft für sozialen Fortschritt: Spaniens Gleichheitsministerin Irene Montero stärkt die Rechte von Frauen mit Menstruationsbeschwerden. © I. Infantes/dpa

Es ist ein Novum in Europa. Frauen mit starken Menstruationsbeschwerden müssen in Spanien nicht zur Arbeit gehen. Auch das Abtreibungsrecht wird gelockert.

Madrid – Arbeiten trotz heftiger Unterleibsschmerzen während der monatlichen Regelblutung – von dieser Tortur sollen Frauen künftig in Spanien befreit werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der linken Regierung vor, der am Dienstag durchs Kabinett geht. Es ist ein Novum in Europa, dass Frauen mit starken Menstruationsbeschwerden das Recht bekommen, zu Hause zu bleiben. Die Kosten des Arbeitsausfalls soll der Staat übernehmen, solange die Beschwerden andauern. Allerdings muss ein Arzt konsultiert werden. Die Initiative wurde von Gleichstellungsministerin Irene Montero vom linksalternativen Koalitionspartner Unidas Podemos vorangetrieben.

Spanien: Mehrwertsteuer für Menstruationsprodukte wird nicht gesenkt

Weniger fortschrittlich gibt sich Spanien beim Mutterschutz, der erst ab der 39. Schwangerschaftswoche gelten soll. Ursprünglich trat Montero für die 36. Woche ein, in Deutschland müssen Frauen sechs Wochen vor Geburtstermin in den Mutterschutz. Und die Senkung der Mehrwertsteuer für Menstruationsprodukte wie Binden und Tampons von zehn Prozent auf den Mindestsatz von vier gehört auch zu den Federn, die der Gesetzesentwurf bei den Verhandlungen im Finanzministerium lassen musste. Offensichtlich wogen die Kosten von 30 Millionen Euro doch zu schwer.

„Allein mit den Mehrkosten für die Bauarbeiten an der Madrider Stadtautobahn M-30 hätten wir 69 Jahre lang die Mehrwertsteuersenkung finanzieren können“, schimpfte Ministerin Montero. Sie will nun bei der nächsten Haushaltsdebatte um die Steuererleichterung für Menstruationsprodukte kämpfen. „Das ist eine Maßnahme, die wir einführen müssen. 22 Prozent der Frauen in Spanien geben an, dass sie nicht die Produkte auswählen können, die sie eigentlich brauchen.“ Wohl sollen diese Produkte gratis an Sozialfälle und Frauen in Gefängnissen ausgegeben werden.

Bei Menstruationsbeschwerden keine Arbeitspflicht in Spanien: PSOE hat Bedenken

Aus den Reihen der sozialistischen Partei PSOE von Regierungschef Pedro Sánchez gab es Vorbehalte gegen den Gesetzentwurf, mit dem Frauen mit Menstruationsbeschwerden in Spanien nicht zur Arbeit gehen müssen. So warnte das Wirtschaftsministerium von Nadia Calviño, die Regelung könne Frauen den Zugang zu Arbeitsplätzen erschweren. Die Regierung werde niemals Maßnahmen ergreifen, die „Frauen stigmatisieren“ könnten, betonte Calviño. Ihr Koalitionspartner Unidas Podemos dagegen will das Stigma abschaffen, das der Menstruation anhaftet und das Arbeitsleben der Hälfte der Bevölkerung etwas erleichtern.

Bleibt abzuwarten, ob sich die Regelung bei Menstruationsbeschwerden tatsächlich negativ auf die weibliche Arbeitsplatzsuche auswirkt. Bei anderen sozialen Vorstößen der Linken wie dem gesetzlichen Mindestlohn oder die Stütze für Erwerbslose traten die prophezeiten negativen Nebenwirkungen nicht ein, der Arbeitsmarkt schluckte und verdaute sie problemlos.

Spanien: Interesse an Menstruationsregelung größer als an Abtreibungsrecht

Der Entwurf soll als Teil einer Neuregelung des Abtreibungsrechts eingebracht werden, über das es wohl auch wegen des öffentlichen Interesses für die Menstruationsregelung kaum Diskussion gab. Das neue Abtreibungsgesetz garantiert das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche bis zur 14. Woche in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens und erlaubt Frauen ab 16 Jahren auch ohne Einverständnis der Eltern abzutreiben. Als kontroverses Thema kann man Abtreibung in Spanien ohnehin nicht mehr bezeichnen, was Ministerin Montero der fortschrittlichen Politik der sozialistischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero vor zwölf Jahren zuschreibt. „Das Gesetz wurde in einer Zeit auf den Weg gebracht, als es wirklich noch schwer war, einen Konsens dafür zu finden“, würdigt Montero explizit die „Vorarbeit“ der Sozialisten, mit denen sie heute bisweilen ihre lieben Schwierigkeiten hat, wie auch bei Gesetzen zur sexuellen Freiheit.

Wohl aber steht noch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Abtreibungsregelung aus – über die von Zapatero von vor zwölf Jahren. Auch die Kirche in Spanien sieht darin weiterhin einen „Angriff auf das ungeborene Leben“ und fordert mehr Unterstützung für Frauen, die nicht abtreiben wollen. Und auf Unterstützung der konservativen Opposition wird die linke Minderheitsregierung ohnehin nicht hoffen.

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