Beim OCU-Test wurden auch Produkte als teurer identifiziert, bei denen nachweislich ein Überangebot oder zumindest kein struktureller Mangel wegen Ukraine-Krieg, Energiemarkt-Chaos oder Covid-Nachwehen besteht. Sie verteuern sich also aus Gründen der Spekulation über die Inflationsrate oder z.B. den Anstieg der Stromkosten für die Produktion oder die Treibstoffkosten für Transport hinaus: teilweise um ein Vielfaches. Fast alle Handelsketten, aber auch Groß- und Zwischenhändler nutzen die allgemeine Teuerung und Krisenstimmung, um Extraprofite einzustreichen. Gleichzeitig drücken sie die Preise bei einheimischen Erzeugern, zum Beispiel von Mandeln, Avocados, Mangos, Pistazien oder Oliven und Olivenöl aus Spanien.
Doch den Handel ereilt nicht, wie die Banken und Energiekonzerne in Spanien eine Übergewinnsteuer, mit der sozial ausgleichende Maßnahmen finanziert werden können. Und der Staat hat bei Lebensmitteln auch keine Preisbremsen, -deckel oder Steuernachlässe oder gar Subventionen wie bei Strom, Gas und Kraftstoffen installiert, so dass all jene, die ohnehin schon kaum bis zum Ende des Monats kamen, in immer größere Probleme geraten. Einen Höchstpreis für bestimmte Grundnahrunsmittel, von seiten der linken Minister im Kabinett Sánchez kürzlich vorgeschlagen, wurde als undurchführbar und rechtlich fragwürdig verworfen. Was übrig blieb: 40 billige Rezepte auf der Webseite des Ministers für Konsumentschutz (pdf).
Spitzenreiter bei der Teuerung in Spaniens Supermärkten ist nach wie vor das Sonnenblumenöl, das es jetzt zwar wieder ausreichend und unrationiert gibt, das aber binnen eines Jahres um 118 Prozent teurer wurde, gefolgt von Margarine (+75%), aber auch Backwaren wie die Magdalenas (+74%). Um 50 Prozent teurer wurden im spanischen Schnitt Nudeln, Olivenöl, Mehl, Bananen.
Supermarktketten versuchen zudem, in Zusammenarbeit mit Herstellern, die Preissteigerungen durch Änderungen der Füllmengen und Verpackungsgrößen schmackhafter zu machen oder zumindest so zu tarnen, dass die Kunden nicht gleich die Teuerung bemerken. Die Supermärkte, die ihre Produkte im Schnitt am meisten verteuerten sind jene der Gruppe Dia (Dia & Go +17,1%, La plaza de Dia 16,2, Dia 15,2%), was insofern eine gewisse Ironie hat, da das Unternehmen (über mehrere Gesellschaften) mehrheitlich Michail Maratowitsch Fridman gehört, einem putintreuen Oligarchen.
Mercadona, mit 24 Milliarden Euro Jahresumsatz unangefochtener Marktführer in Spanien, der drei Mal so viel verkauft wie der Drittplatizerte Lidl, ließ seine Preise binnen eines Jahres im Schnitt um stattliche 16,2 Prozent anheben. Nur Dia war dreister. Die Handelskette Mercadona mit Sitz in Valencia gilt ansonsten als Branchen-Primus, auch was die Arbeitsbedingungen und Löhne betrifft, ein Bild, das in den letzten Jahren immer mehr Kratzer bekommt und nun durch den OCU auch belegt wird.
Consum und Eroski verteuerten ihre Angebote um rund 15 Prozent, den geringsten Anstieg verzeichneten hingegen Alimerka (eine Kette, die vornehmlich in Asturien aktiv ist) sowie Carrefour Express mit 8,5 Prozent. Allerdings ist Carrefour Express in absoluten Preisen als eine Art "Spätkauf" schon immer teurer gewesen als Standard-Supermärkte.
Die richtige Wahl des Supermarktes kann Familien eine jährlich Einsparung, besser gesagt, eine Verminderung der Mehrausgaben von im Schnitt 1.000 Euro erbringen, allerdings ist das Potential auf Grund des unterschiedlichen Angebots an Alternativen von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich. Beim gleichen Warenkorb können in Madrid zwischen dem teuersten und dem günstigsten Angebot jährlich 3.529 Differenz auftreten, während in Segovia nur 520 Euro Einsparung möglich sind.
Was die absoluten Preise angeht, ist Alcampo (Auchan) die billigste Supermarktkette Spaniens, knapp gefolgt von Tifer, Dani und Family Cash. Am teuersten ist der standardisierte Warenkorb bei Amzaon, Novavenda, Ulabox und Sánchez Romero. Doch auch regional und kommunal gibt es gewaltige Unterschiede: In Vigo und Ciudad Real sind die Supermärkte am billigsten, gefolgt von Almería, Jerez, Huelva und Granada. Die teuersten Supermärkte finden sich, wenig überraschend, in Palma de Mallorca, Gerona, Barcelona, Madrid. Einige Ketten, wie Aldi, hat der OCU gar nicht getestet, einen Grund dafür gab die Organisation nicht an.
Die Verbraucherschützer haben beobachtet, dass in den vergangenen drei Monaten vor allem Reis, Nudeln, Hühnerfleisch und Milchprodukte teurer wurden, ohne dass die Erzeugerpreise signifikant angestiegen wären. Die OCU fordert die Regierung auf, ähnlich wie bei Strom und Kraftstoff sozial abfedern einzugreifen. "Eine zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer wäre der schnellste Weg für Entlastung zu sorgen", so die Verbraucherschützer in einer Stellungnahme. "Lebensmittel-Schecks für sozial schwache Familien" sollten ebenfalls ausgestellt werden, wissend, dass die Ketten eine Mehrwerststeuersenkung kaum vollständig oder längerfristig an die Kunden weitergeben werden.
Carrefour hat eine Garantie angekündigt, dass seine White Label Produkte immer billiger sind als bei jedem anderen Anbieter, andernfalls würde der Kunde das Zehnfache der Differenz erstattet bekommen. Und auch bei Mercadona gibt es Neuigkeiten: Die Kette will sein Brot nicht mehr selber backen, sondern nun "lokale Erzeuger" liefern lassen. Der Bäcker um die Ecke wird es nicht sein, in Málaga z.B. werden das drei Industriebäckereien, die sich nun selbst mit den in Spanien extrem gestiegenen Strompreisen herumschlagen sollen. Das eingesparte Personal soll betriebsintern umgesetzt, aber nicht gekündigt werden.