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Schnellzug in Spanien: Zweite Wahl für abgehängte Region

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Von: Thomas Liebelt

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Die Alvia-Schnellzüge sollen in der Extremadura verkehren.
Spanien Alvia.jpg © EFE/XOAN REY

Durch Spanien mit dem Zug reisen, gilt als besonders schön. Eine Region sollte man auf Schienen meiden: Die Extremadura. Ein Schnellzug soll das ändern. Hält er was er verspricht?

Madrid - Das AVE-Hochgeschwindigkeitsnetz der Eisenbahn in Spanien wird bald um 150 Kilometer wachsen. So die offizielle Lesart. Am 19. Juli geht die Verbindung Plasencia-Badajóz in der Extremadura offiziell in Betrieb. Die Jungfernfahrt hat Verkehrsministerin Raquel Sánchez bereits absolviert. Doch irgendwie hängt die neue Strecke in der Luft. Sie verbindet lediglich die vier Extremadura-Städte Plasencia, Cáceres, Mérida und Badajóz. Eine reine Regionalstrecke also.

Spaniens Hochgeschwindigkeitszug AVE: Extremadura verpasst Anschluss an Madrid

Einen Anschluss an das AVE-Netz etwa über den Verkehrsknotenpunkt Madrid gibt es nicht. Wird es auch so schnell nicht geben. Der schöne AVE-Schein trügt. Denn in Wahrheit herrscht im Südwesten Spaniens Eisenbahn-Tristesse. Der Nutzen der neuen Verbindung hält sich denn auch in Grenzen. Die Fahrtzeit von Madrid nach Badajóz verringert sich gerade einmal um knapp eine Stunde. Reduziert sich von fünf Stunden und 15 Minuten auf vier Stunden und 17 Minuten. Von der Hauptstadt nach Plasencia – Luftlinie 200 Kilometer – bietet die Strecke den Standard vergangener Tage: einspurig und nicht elektrifiziert. Dauer deshalb: drei Stunden.

Wann dieser Abschnitt mit AVE-Tempo befahren werden kann, steht noch nicht fest. Ein Teilstück ist in Bau, für den Rest kann Verkehrsministerin Raquel Sánchez noch nicht einmal einen Zeitplan vorlegen. Für die Extremadura ist die Neubaustrecke dennoch so etwas wie der Eintritt in die moderne Welt der Eisenbahnen. Im Rest der Region mit ihrem 725-Kilometer-Schienennetz sieht es nämlich katastrophal aus. Alte Züge – nach Diesel stinkend und laut. Alte Gleise. 15 Prozent der Schwellen stammen noch aus dem 19. Jahrhundert und sind: aus Holz. Im Schnitt fahren die Züge zwischen 80 und 100 Stundenkilometer. Nur auf kurzen Abschnitten ist Tempo 160 möglich.

Eine Bahnreise von Madrid nach Badajóz „zählt zu den schlimmsten in Spanien“, stellt „El País“ fest. Größtenteils wird sie in Regio-Zügen absolviert, die für kurze und mittlere Distanzen gedacht sind. Entsprechend häufig hält der Zug. Ein Talgo von Madrid nach Badajóz fuhr 2010 das letzte Mal. Seit 2018 aber gibt es wieder einen Talgo Intercity. Aber nur einmal am Tag. Bis vor vier Jahren waren Fernzug-Verbindungen also Fehlanzeige.

Ansonsten rollen die Züge durch die Region im eingleisigen Verkehr. Verspätungen sind programmiert. Neben Murcia ist die Extremadura die einzige Region in Spanien, die über keine elektrifizierte Bahnstrecke verfügt. Auch die Züge auf der Neubaustrecke fahren nicht mit Strom, sondern mit Diesel. Die Region besitzt nicht nur eine vorsintflutliche Eisenbahn, diese Bahn wurde auch konsequent isoliert. 1984 stellte Eisenbahngesellschaft Renfe den Zugverkehr auf der Strecke Plasencia--Salamanca-Astorga ein. Damit war die Extremadura bahntechnisch für immer vom Norden Spaniens abgeschnitten. Heute verläuft auf der Trasse eine Vía Verde für Radler und Wanderer. An eine Wiederbelebung der Strecke ist also nicht zu denken.

Spaniens Schnellzug AVE in der Extremadura: Der Südwesten wird systematisch abgekoppelt

Der zweite Schnitt erfolgte 2012, als der Nachtzug „Lusitania“ von Lissabon nach Madrid eingestellt wurde. Die einzige noch bestehende direkte Verbindung zwischen den beiden Hauptstädten. Will man heute von Lissabon nach Madrid oder umgekehrt mit der Bahn fahren, muss man dreimal umsteigen und mindestens elf Stunden Fahrzeit einplanen. 1981, als eine durchgehende Bahnverbindung zwischen beiden Städte feierlich eröffnet wurde, war man schon einmal weiter. Überhaupt existiert heute von Spanien nach Portugal nur noch eine einzige Bahnverbindung – die von Vigo nach Porto.

Bei so viel Eisenbahn-Tristesse wundert es nicht, dass 2017 rund 40.000 Extremeños in Madrid aufschlugen und mit dem Ruf „Einen würdigen Zug – sofort“ für eine moderne Bahn in der Region demonstrierten. Genau genommen ist auch die jetzige Neubaustrecke eine eher halbe Sache. Eine AVE-Strecke zweiter Wahl gewissermaßen. Zwar wurde den Extemeños im Jahr 2000 vom damaligen Ministerpräsidenten José María Aznar vollmundig versprochen: „Es wird einen AVE geben.“ Damals kamen die Regierungen von Spanien und Portugal überein, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen beiden Hauptstädte durch die Estremadura zu bauen. Passiert ist nichts. Unter der anschließenden PSOE-Regierung hieß es schon etwas unverbindlicher: „Höchste Priorität.“ 2012 – wieder unter einer Volkspartei-Regierung – war dann nicht mehr die Rede von einem AVE. Fortan hieß es nur noch: „Tren Rápido Extremeño“ – nur ein Schnellzug also. Aber versprochen wurde wieder: für 2015. Und so gingen die Jahre ins Land, bis 2022.

Gleichwohl wird die Schnellzugstrecke unter den AVE-Strecken gelistet. Mit AVE-Tempo wird zwischen Plasencia und Badajóz auch nicht gefahren. Zum Einsatz kommen Alvia-Hybridzüge, die zwar Tempo 250 schaffen können. Aber nur, wenn eine Strecke elektrifiziert ist. Doch auf der Neubaustrecke ist bei maximal 180 Stundenkilometer Schluss. Mehr ist im Diesel-Modus nicht drin. Neuesten Baujahrs sollen die eingesetzten Züge ebenfalls nicht sein. Wie auch immer: Wer als Extremeño trotzdem einmal wissen will, wie sich halbwegs modernes Bahnfahren in der Region anfühlt, der steigt in Plasencia in den Alvia. In etwas mehr als einer Stunden ist er in Badajóz. Das reicht für einen entspannten Café con leche im Bord-Bistro. Dabei können Zugreisen in Spanien traumhaft schön sein.

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