Skandal im Parlament in Spanien: Ministerin soll laut Opposition Päderastie billigen

Der Stuhl von Irene Montero wackelt. Die linke Ministerin soll in einer Debatte über Sexualerziehung Päderastie gebilligt haben. Was steckt hinter dem Skandal?
Madrid – Die Ministerin muss weg. Die Rechtspopulisten von Vox und die Liberalen von Ciudadanos in Spanien nehmen die Gleichheitsministerin Irene Montero ins Visier wegen ihrer umstrittenen Äußerung, die von der Opposition und im Internet als eine Apologie für sexuelle Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern interpretiert wird. Das hat die Podemos-Politikerin im Parlament wirklich gesagt: „Die Sexualerziehung ist ein Recht der Jungen und Mädchen, unabhängig von ihren Familien. Weil alle Jungen, Mädchen, Kinder das Recht haben, ihren Körper zu kennen, zu wissen, dass kein Erwachsener ihren Körper anfassen darf, wenn sie nicht wollen und dass dies eine Form von Gewalt wäre. Sie haben das Recht zu wissen, dass sie lieben und sexuelle Beziehungen haben können, mit wem sie wollen, die auf gegenseitigem Einverständnis beruhen. Und dass dies anerkannte Rechte sind,“ sagte Montero im Parlament.
Politik-Skandal in Spanien nach Twitter-Beitrag über Päderastie: Rücktrittsforderung gegen Ministerin Irene Montero
Diese Worte fielen im Kontext einer Debatte im Parlament über das neue Abtreibungsgesetz mit der der Vox-Abgeordneten Lourdes Méndez Monasterio, die der Gleichheitsministerin vorwarf, „Tiere besser zu behandeln als Frauen“. Daraufhin verteidigte die Ministerin das Recht von Mädchen ab 16 Jahren, einen Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft auch ohne das Einverständnis ihrer Eltern einzuleiten und sprach sich mit diesen umstrittenen Worten für die Notwendigkeit der Sexualerziehung aus.
Kein Abgeordneter hat diesen Worten der Podemos-Ministerin Beachtung geschenkt oder gar an ihnen etwas Anstößiges empfunden. Weder die Vertreter von Vox, noch die von Ciudadanos oder die der Volkspartei erkannten während der Debatte darin also in irgendeiner Form eine Apologie von Päderastie. Dann aber ging gegen 21 Uhr abends ein Twitter-Beitrag einer Person namens Marta de Pedro im Netz viral, die diese obige Äußerung von Montero aufgriff, vor inzwischen fast vier Millionen Netznutzern interpretierte und kommentierte: „Nein Frau Montero, Kinder können keinen sexuellen Beziehungen mit Erwachsenen einwilligen, das ist kein Recht, das ist Päderastie und die steht unter Strafe und die gefällt uns natürlich nicht.“
Gegen 22 Uhr twitterte dann die Vox-Abgeordnete Vox Carla Toscano mit und stauchte die Montero-Äußerung etwas zusammen auf „alle Jungen, Mädchen und Kinder haben das Recht zu wissen, dass kein Erwachsener sie anfassen darf, wenn sie das nicht wollen und zu wissen, dass sie sexuelle Beziehungen haben können mit wem sie wollen“. Das interpretierte die Rechtspopulistin als „Kindsmissbrauch und Apologie der Päderastie“ und servierte damit den Liberalen und Vox die Rücktrittsforderung für die ungeliebte Linkspolitikerin auf einem silbernen Tablett.
Soziale Netzwerke und Politik in Spanien: Rücktrittsforderung aufgrund von Twitter-Gewitter
Am Tag darauf berief der Vox-Sprecher Iván Espinosa de los Monteros eine Pressekonferenz ein, mit den Worten. „Das ist das Schlimmste, was in diesem Parlament gesagt wurde, seit ich Abgeordneter bin.“ An seine Rücktrittsforderung schloss sich Ciudadanos-Sprecher Edmund Bal an. „Als ich das Whatsapp erhielt, dachte ich erst, das sei Witz und konnte es nicht glauben.“ Nun die Frage, was ist der Witz an diesem scheinbaren Skandal und wen nimmt er aufs Bockshorn? Die Gleichheitsministerin mit einer zuerst als unverfänglich scheinenden Äußerung oder ihre politischen Gegner, die eine zusammengebastelte Steilvorlage aus dem Internet benötigen, um eine Ministerin für etwas anzugreifen, das die niemand im Parlament als anstößig empfunden hatte.
Interessant ist die Reaktion der konservativen Volkspartei. Es gibt nämlich keine. Die Konservativen hielten sich bis jetzt an die Order ihres Präsidenten Alberto Núñez Feijóo, keine Politik mehr auf dem Minenfeld von Twitter zu machen. Und dort hat sich die Gleichheitsministerin Montero, die selbst auch gerne scharfe Kommentare über diese Plattform abgibt, schwer verletzt, „Ich schäme mich für diese Kampagne der Ultrarechten“, erklärte sie Journalisten und verteidigte abermals „das Recht der Kinder auf eine integrale Sexualerziehung.“
Allerdings könnte die Sozialministerin irren, dann der Skandal ist längst keine Kampagne „der Ultrarechten“ mehr, sondern eben auch Gesprächsthema unter Eltern, auf der Straße, in Bars und bei sozialen Treffen. Ein Skandal also. Es klingt schon das Misstrauen durch, dass die Linken zu weit gehen und sich in Bereiche der Erziehung einmischen, die Familien vorbehalten sein sollten. Wenig hilft es, dass die „integrale Sexualerziehung“ mit dem Gesetz Teil des Schulunterrichts sein soll und die Ministerin schon recht hat, dass alle Kinder gleich ihrer Herkunft ein Recht darauf haben – das gilt ja für den Mathematik- oder Spanischunterricht und jedes andere Fach auch. Und was die Sexualerziehung in der Schule betrifft, da sitzt Spanien schon seit Jahren in den hinteren Reihen, was die Empfehlungen internationaler Organisationen betrifft. Die Gleichheitsministerin hat stets bei ihrer Politik stets die Bedeutung von Erziehung betont, etwa wenn es um ungewollte Schwangerschaft, den schädlichen Einfluss der Pornografie oder etwa den Machotum insbesondere in Beziehungen von Jugendlichen geht.
Podemos und insbesondere ihren beiden Galionsfiguren Irene Montero und Arbeitsministerin Yolanda Díaz stehen permanent in einem Kreuzfeuer der rechts-konservativen Opposition, das sie wohl bis zu den Wahlen von der sozialen Mitte in der Gesellschaft abdrängen soll. Die Konservativen lehnen eine ganze Reihe von Sozialgesetzen ab, die vom linken Koalitionspartner der Regierung kommen und teilweise ihrer Zeit, für einige auch der sozialen Wirklichkeit voraus zu sein scheinen, dazu gehören etwa das Sterbehilfegesetz, das Gesetz zur sexuellen Freiheit, das Abtreibungsgesetz oder das Tierschutzgesetz – ganz abgesehen von den Vorstellungen, die Podemos bezüglich der Gleichberechtigung und der Identität der Geschlechter vertritt.