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Spanien reagiert auf Ukraine-Krieg: Regierung senkt Strompreis und bezuschusst Sprit

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Von: Stephan Kippes

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Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez spricht bei einer Parlamentssitzung.
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat ein Maßnahmenpaket geschnürt, um die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs abzuschwächen. © Eduardo Parra/dpa

Seit Freitag, 1. April, ist der Sprit in Spanien billiger. Die Regierung hat ein Paket geschnürt, um die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs abzuschwächen. Darunter fällt auch die Senkung des Strompreises und ein Hilfspaket für die streikenden Lkw-Fahrer.

Madrid – Die Inflation ist im März in Spanien auf fast zehn Prozent geklettert, manche Produkte machen sich in den Supermärkten rar, unter der Woche blockieren streikende Brummi-Fahrer die Straßen, auf denen am Wochenende demonstriert wird. Der Unmut der Bevölkerung über hohe Strompreise und Lebenshaltungskosten wächst. Keiner weiß, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine zu den bereits angekommenen 25.000 noch aufgenommen, untergebracht und versorgt werden müssen – auch mit den notwendigen Dokumenten, um hier Fuß fassen zu können. Nun reagiert Spanien aber Schlag auf Schlag auf die Folgen des Kriegs gegen die Ukraine, mit einem Hilfsplan, Senkung der Energiekosten und einem Maßnahmenpaket für den Transportsektor.

Auswirkung des Ukraine-Kriegs: Spanien senkt Spritpreis durch Zuschüsse

„Die Sicherheit und der Wohlstand unseres Landes sind in Gefahr, wenn wir jetzt nicht mit Bestimmung handeln“, sagte Pedro Sánchez. Am Mittwoch stellte Spaniens Ministerpräsident den Nationalen Reaktionsplan im Parlament vor, mit dem er die Folgen des Ukraine-Kriegs abfangen will. Das Land pumpt 16 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf mit dem Ziel, die Inflation in Spanien von zehn Prozent zu bändigen und ihre Folgen für Verbraucher und Unternehmer abzufangen. Vorwiegend handelt es sich um direkte Beihilfen, Steuersenkungen und Kredithilfen, die bis 30. Juni abrufbar sind.

Ab Freitag, 1. April, drückt Spanien den Preis für Benzin und Diesel für alle Verbraucher um 20 Cent pro Liter, 15 Cent steuert der Staat bei, 5 Cent die Mineralölkonzerne. Die Spritpreise lagen am Mittwoch bei rund 1,83 Euro für Benzin und 1,87 für Diesel. Den Lkw-Streik konnte die Regierung noch nicht beenden, aber zähmen. Einen Teil ihrer Schlagkraft haben die noch protestierenden Fahrer in der dritten Streikwoche aber verloren, die diese Subventionen und Beihilfen als „Krümel und Peanuts“ abtun. Auch die Fischer fahren wieder aufs Meer hinaus.

Folgen des Ukraine-Kriegs abschwächen: Spanien hilft Landwirten, Fischern und Industrie

Als weitere Maßnahmen beschränkt die Regierung die Mieterhöhungen auf zwei Prozent in dem Zeitraum und greift damit weit in Privatrechte ein. Dazu kommt eine Erhöhung des Grundeinkommens um 15 Prozent, das derzeit für Einzelpersonen bei 490 Euro liegt. Die spanische Regierung will auch den Kreis der Personen und Haushalte um 600.000 auf fast zwei Millionen erweitern, die Anspruch auf Sozialtarife bei der Stromversorgung haben. Ferner dürfen Firmen keine Mitarbeiter bis 1. Juli entlassen, wenn sie Direkthilfen aus diesem Programm beziehen. Die Steuersenkungen für Strom bleiben auch bis 30. Juni bestehen.

Neben Kredithilfen und Bürgschaften über das offizielle Kreditinstitut ICO gewährt der Staat auch Direkthilfen. 362,47 Millionen Euro fallen auf die Land- und Viehwirtschaft ab, 193 Millionen gehen direkt an Bauern, 169 Millionen an die Milchproduzenten und 68 Millionen Euro gibt es für die Fischerei in Spanien. Der Löwenanteil kommt mit 490 Millionen Euro der Industrie zugute, die am meisten unter den hohen Energiepreisen leidet.

Spanien will Strompreis senken - Pedro Sánchez erzielt Erfolg bei EU

Kaum einer in Spanien wird den Krieg und seine Folgen noch als weit weg wähnen. Die Tankrechnung spürte jeder im Geldbeutel, die leeren Regale in den Supermärkten waren nicht zu übersehen. Das Land hat seine Richtlinien neu ausgerichtet. Vor wenigen Wochen träumte man von einer Revolution der Erneuerbaren Energien, um nun Benzin und Diesel zu subventionieren. Vor einer überhaupt möglichen Analyse des umfangreichen Maßnahmenkatalogs ist Kritikern nicht entgangen, dass dieser Notfallplan von Ministerpräsident Sánchez spät kommt, kaum eine Strategie verfolgt und nur kurzfristig – bis 1. Juli – wirkt. Es ist eine Art Pflaster für wirtschaftliche Wunden.

Spanien und Portugal wollen aber noch diese Woche der EU-Kommission einen Plan vorlegen, um den Referenzpreis von Erdgas zu senken, der für die Berechnung des Strompreises herangezogen wird. Damit sollten die Strompreise umgehend sinken. Nach zähem Ringen boxten die beiden Länder beim EU-Gipfel in Brüssel befristete nationale Sonderregelungen durch. Für Sánchez ein großer Triumph, der seine zuvor nicht sehr glücklich verlaufene diplomatische EU-Tournee in Vergessenheit drängt. Diese Sonderregelungen ermöglichen es der Iberischen Halbinsel, Obergrenzen bei Gas einzuführen, um Strom billiger zu machen. Dieses Modell wollte Sánchez ursprünglich in der EU einführen, scheiterte aber am Widerstand von Deutschland und anderen Ländern, die vor Eingriffen in den freien Markt warnen.

Ukraine-Konflikt: Spaniens Rolle bei Gasversorgung Europas

Auf dieser diplomatischen Tour durch Europa lotete Sánchez scheinbar auch die neue Nordafrika-Politik aus, vor allem was die gestörten Beziehungen zu Marokko anbelangt. Daher wohl auch der überraschende Schritt, diese Bundesland-Lösung für die Westsahara zu unterstützen und das Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis für Zugeständnisse Marokkos in der Flüchtlingspolitik zu opfern.

Damit brachte Sánchez Bewegung in einen 46 Jahre alten festgefahrenen Konflikt und zwar in eine Richtung, die auch Frankreich, Deutschland und die EU mehr oder weniger vertreten. Spanien aber zog sich im Land den Ärger der Linken und außerhalb den Algeriens zu. Die Iberia-Flugverbindung nach Algier ist gekappt und der nordafrikanische Nachbar weigert sich, abgeschobene Flüchtlinge aufzunehmen. Nur die Gasversorgung bleibt von Unstimmigkeiten unberührt. Milliardenschwer scheint der Ärger doch nicht zu sein. Derweil ließ der deutsche Botschafter Wolfgang Dold diese Woche in einem Interview mit der „La Vanguardia“ durchblicken, wie Berlin Spaniens Rolle bei der Energieversorgung einschätzen könnte, nämlich bei der Gasversorgung Europas. „In erster Linie wegen seiner Verbindungen nach Nordafrika, nach Algerien und auch nach Marokko“, sagte der Diplomat.

Krieg in Ukraine ändert alles - Spaniens Strategie setzte eigentlich auf Erneuerbare Energien

Spanien könnte auch Flüssiggas aus den USA und anderen Ländern speichern und weiterleiten – ob auf dem Land- oder Seeweg. Der Diplomat machte sich auch für die MidCat-Pipeline stark, mit der 7,5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr von Katalonien nach Südfrankreich transportiert werden können. „Wir glauben, dass die Iberische Halbinsel eine Alternative bietet und zur Diversifizierung beitragen kann“, betonte Dold.

Bis vor dem Krieg in der Ukraine setzte Spanien seine Zukunft auf Erneuerbare Energien, auf Umwelttechnik und Digitalisierung. Von Gas und Atomkraft wollte das Land nichts mehr wissen. Nun verweist die Opposition auf das Beispiel Deutschland und spricht gar von Kohle. Bleibt die Frage, was von dem, was man einst wollte, noch bleibt.

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