Binnen von Stunden verlieh er dem Diskurs der PP einen neuen Dreh, als es um die Reaktion auf die politischen Unruhen in Brasilien ging. PP-Generalsekretärin Cuca Gamarra geiferte wie üblich den Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und dessen Verurteilung dieses Staatsstreichs im Trump-Stil an: „Wegen Dir wäre das hier nur eine Störung der öffentlichen Ordnung“, meinte sie und spielte auf die Strafrechtsreform, in deren Zug der Strafbestand des Aufruhrs gestrichen wurde. Auch alle Parteikollegen, die Brasilien als eine Steilvorlage nutzen und mit den Unruhen im Oktober 2017 nach dem illegalen Referendum in Katalonien vergleichen wollten, pfiff Sémper zurück. Mit den Worten „vom Präsidenten über die Generalsekretärin bis hin zum letzten Stadtrat unterstützt die PP die rechtmäßig konstituierte Regierung in Brasilien“ nahm er den Sozialisten den Wind aus den Segeln, die bereits die Volkspartei als künftige Volksaufwieglerin im Falle einer Wahlniederlage hinstellen wollten.
Einen ähnlichen Spagat wie die PP müssen wohl auch die Sozialisten hinlegen. Denn mit 102 Mandaten, die ihnen Umfragen zubilligen, ist kein Korb zu gewinnen. Pedro Sánchez startet aus einem Umfragetief heraus, gemäß dem die PSOE elf Mandate weniger als 2019 holen würde. Und selbst mit den 31 Stimmen von Koalitionspartner Unidas Podemos bliebe das Ergebnis ein Trauerspiel.
Nicht nur, weil die Linkspartei auch auf dem absteigenden Ast sitzt. Podemos hatte bereits 2019 Federn lassen müssen und würde nun abermals vier Mandate einbüßen. Links der PSOE kann Sánchez nur bei vielen kleinen Parteien gewinnen, die bei Umfragen als „andere“ geführt werden, also Regionalparteien, Separatisten aus dem Baskenland und Katalonien sowie Linksparteien, die zusammen auf 41 Mandate kommen und niemals mit der Volkspartei paktieren würden. Mit viel Glück mag das reichen, aber es ist viel zu knapp, um eine Wahlkampfstrategie darauf aufzubauen.
Auch Pedro Sánchez wird die Angel nach der politischen Mitte auswerfen und versuchen, in den Bereichen zu punkten, in denen die Regierung ein besseres Bild abgegeben hat als ihr die Konservativen zubilligen – etwa in der Arbeitsmarktpolitik oder in der Wirtschaftspolitik, was das Handeln der Energiekrise anbelangt. Hinzu kommt, dass Sánchez ab der zweiten Jahreshälfte auf dem internationalen Parkett an Profil gewinnen dürfte, da Spanien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. So mögen die Konservativen mit Vorteil in die Kommunal- und Landtagswahlen starten, gewonnen haben sie das lange Rennen um die Macht noch nicht. Dann gibt es noch dieses alte Sprich, wen zwei sich streiten, freut sich die Dritte. Das könnte in diesem Fall die amtierende Vizeministerpräsidentin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz sein,. Die aktuell populärste Politikerin Spaniens hat sich noch nicht entschieden, ob sie mit ihrer Linksbündnis Sumar antreten wird oder mit Podemos. Sumar kommt sehr modern daher und hält diesen Traum der spanischen Linken wach, dass ein Bündnis die Zersplitterung in viele kleine Parteien bündeln. kann. Podemos hat das nicht geschafft.