Tierschutz in Spanien: Regierung knickt vor Jägern und Landwirten ein

Der Tierschutz wird das erste Opfer des Wahljahrs 2023. Die Sozialisten nehmen Jagd- und Arbeitshunde aus dem neuen Tierschutzgesetz.
Madrid – Die Sozialisten rudern beim Tierschutz nach den katastrophalen Wahlergebnissen bei den Landtagswahlen in ländlichen Regionen wie Andalusien zurück und nehmen Tiere für Jagd und Landwirtschaft aus dem neuen Tierschutzgesetz für Spanien, das Ley de Bienestar Animal, heraus. Für Jagdhunde und andere Nutztiere, die für Weidewirtschaft, Sport, Rettung und Sicherheit eingesetzt werden, soll eine spezifische Verordnung ausgearbeitet werden, das ebenfalls die Verpflichtungen der Halter gegenüber den Tieren berücksichtigen soll.
Tierschutz in Spanien: Sozialisten kündigen eigenes Tierschutzgesetz für Jagdhunde an
Damit wollen die Sozialisten das Kriegsbeil mit aufgebrachten Jägern, Landwirten und anderen Sektoren aus dem ländlichen Spanien begraben, die vor den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen im Frühjahr 2023 wieder mit massiven Protesten gedroht haben. Allerdings schlagen die Sozialisten einen Konfrontationskurs mit dem Koalitionspartner Podemos ein. Nicht zuletzt arbeitet die Generaldirektion für Tierrechte das Ley de Bienestar Animal aus, die wiederum dem Sozialministerium von Podemos-Ministerin Ione Belarra untersteht.
Und die Linken fühlen sich von dem Kurswechsel vor den Kopf gestoßen. „Tierquälerei ist Tierquälerei, völlig unabhängig, wofür das Tier genutzt wird. Oder sind die Sozialisten dafür, dass ein Jagdhund an einem Baum aufgehängt wird, erschossen oder abgeschleppt und über den Boden gerissen wird, bis er verblutet und Welpen lebendig in Kalk vergraben werden, nur weil sie Jagdhunde sind?“, meinte Podemos-Sprecher Pablo Echenique.
Tierschutz in Spanien: Tierschutzgesetz gilt für Haustiere, nicht für Jagd- und Arbeitshunde
Die Sozialisten versichern, dass die Sonderregelung keinesfalls im Widerspruch mit dem neuen Tierschutzgesetz stehen soll. „Das Tierschutzgesetz wird auf jeden Fall für Haustiere angewandt, die in einem familiären Umfeld leben. Für die restlichen Tiere wird eine Verordnung ausgearbeitet, die den europäischen Richtlinien folgt“, stellt der Parlamentssprecher der Sozialisten, Patxi López, klar.
Es hat politische Gründe, dass das Tierschutzgesetz in der Schublade verstaubt. Die Sozialisten verlieren im ländlichen Spanien gegenüber Vox und Volkspartei an Boden und im Frühjahr stellen sich bei den Kommunal- und Landtagswahlen neun sozialistische Regionalpräsidenten und 2.700 Bürgermeister zur Wiederwahl. Das Ergebnis dieser Urnengänge beeinflusst auch entscheidend die Parlamentswahl im November, bei der die Zukunft der sozialistischen Regierung und Ministerpräsident Pedro Sánchez auf dem Spiel steht. Im März dieses Jahres standen rund 400.000 aufgebrachte Jäger und Landwirte vor der Haustür der Regierung und mit Vox und PP als politischen Begleitschutz. Und die Andalusien-Wahl dürfte den Sozialisten auch als eine bittere Lektion gedient haben, schließlich gewann die PP in dieser ruralen und traditionell sozialistischen Region die absolute Mehrheit.
Der spanische Jagdverband mit seinen über 330.000 Mitgliedern „feiert den Kurswechsel der PSOE“ und will mit Argusaugen verfolgen, welche Richtung die angekündigte neue Verordnung über Nutztiere einschlägt. Die Jäger des Verbands stören sich prinzipiell nicht an Tierschutzregelungen und der Bekämpfung der Tierquälerei, sondern sie reiben sich an der „urbanen Ausrichtung des Gesetzes“ und an konkreten Punkten, die ihrer Meinung nach dem ländlichen Leben nicht Rechnung tragen. Etwa, dass Jäger ihre Jagdhunde nicht mehr züchten dürfen und auf professionelle Hundezüchter angewiesen sein sollen. An der Verpflichtung, jeden Hund zu sterilisieren, der sich auch im Freien aufhält, an Auflagen bei der Abrichtung von Jagdhunden wie etwa dem Verbot der Elektroschocker-Halsbänder. Ferner stören sie sich an schwammigen Formulierungen wie der Richtlinie des Gesetzes, das auf das „Wohlergehen des Tieres“ ausgerichtet ist.
„Ich verstehe nicht, was damit gemeint ist und ich verstehe nicht, wieso Tiere humanisiert werden sollen. Wir sind auf jeden Fall gegen Tierquälerei, aber was das ist, muss klar definiert sein und das macht das Gesetz nicht, das meiner Meinung nach aus absurden Vorschlägen besteht, die nichts mit dem Wohlergehen der Tiere zu tun haben, zumindest nicht mit denen, die für die Jagd eingesetzt werden, die machen keinen Sinn“, sagte der Valentín Morán, Vorsitzende des Jagdverbands in Asturien. Doch nicht nur die Jäger laufen Sturm gegen das Tierschutzgesetz, auch Bauernverbände drängen auf die Notwendigkeit einer separaten Verordnung und verweisen etwa auf Hirten- und Arbeitshunde, die in der Vieh- und Weidewirtschaft eingesetzt werden. Die Auflagen des Ley de Bienestar Animal würden die Haltung von 90 Prozent dieser Hunde unmöglich machen.
Auf der anderen Seite stehen die Tierschützer, deren Interessen prinzipiell von der Partei Pacma vertreten werden. Pacma holte zwar 220.000 Stimmen bei der jüngsten Wahlen, hat aber keine parlamentarische Vertretung. Nun nimmt die Parteiführung der PSOE in Kauf, dass Juniorpartner Podemos Stimmen bei den spanischen Tierfreunden abgrast. Muss sie wohl, weil die Basis in den ländlichen Regionen und Länderbarone wie Emiliano García-Page Sánchez aus Kastilien-La Mancha massiv auf eine Sonderregelung für Nutztiere drängen. Und wenn die Sozialisten sich Chancen auf einen Wahlsieg wahren wollen, müssen sie diesen Nimbus ablegen, nur Politik in und für Madrid zu machen und dürfen nicht den Eindruck erwecken, die ländlichen Regionen den konservativen und rechten Parteien zu überlassen.
Ohne Zweifel kam und kommt es gerade unter Jägern immer wieder zu Verstößen gegen artgerechte Tierhaltung und die furchtbaren Fotos von aufgehängten Jagdhunden zeigen wohl nur die Spitze des Eisbergs, doch schwarze Schafe gibt es auch zuhauf unter Haltern und Bewohnern in Städten, wie die jüngsten Skandale in Torrevieja undder brutale Angriff auf einen Hund in Murcia belegen. Was all das zeigt, ist, dass der Tierschutz in Spanien dringend ernst genommen und geregelt werden muss, warum dann nicht artgerecht und ohne ideologische Scheuklappen?