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Erstes Tierschutzgesetz in Spanien - Versicherungspflicht drin, Jagdhunde draußen

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Von: Stephan Kippes

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Hund in einem Tierheim wartet auf Adoption.
Das Tierschutzgesetz fördert Adoptionen von Hunden aus Tierheimen. © Carlos Castro/dpa

Ein Meilenstein zwischen Stolpersteinen - Spanien hat sein erstes Tierschutzgesetz. Tierschützer feiern den Fortschritt und beklagen die Lücken.

Madrid – Als Rosa Parks 1955 ihren Sitz in einem Bus in Alabama nicht für einen weißen Mann räumen wollte, nahm die Bürgerrechtsbewegung ihren Anfang. Fast 70 Jahre später kann man in den USA noch nicht von Gleichberechtigung sprechen. Das erste Tierschutzgesetz in Spanien ging durchs Parlament, als in Jerez ein Mann einen kleinen Hund vor den Augen seiner gerade mal zwölfjährigen Halterin tottrat, nur weil er beinahe über die Leine gestolpert wäre. „Unser Kampf für Tierrechte hört mit diesem Gesetz nicht auf“ ist sich Ángela Molina sicher, die Koordinatorin des Zusammeschlusses valencianischer Tierschützer, die maßgeblich an der Ausarbeitung des regionalen Tierschutzgesetzes beteiligt war.

Erstes Tierschutzgesetz in Spanien: Tiere sind „fühlende Wesen“ und werden vor Vernachlässigung geschützt

Misshandlungen von Tieren werden wohl weiter vorkommen, doch mit diesem Gesetz zeigt Spanien, dass sie diese nicht mehr toleriert und spricht erstmals Tieren Rechte zu, – und zwar nicht nur Haustieren. Das Ley de Protección de los Derechos y el Bienestar de los Animales stuft Haustiere als „fühlende Wesen“ ein, sie gelten nicht mehr als Objekte. Generell will die Regierung die etwa 26 Millionen mascotas besser vor Vernachlässigung, Aussetzung und Quälerei durch ihre Halter schützen. Gleichzeitig verpflichtet sie Halter, eine Haftpflichtversicherung für sie abzuschließen, womit Kosten von rund 30 bis 60 Euro pro Jahr auf Besitzer zukommen können.

Tiere müssen artgerecht untergebracht und vor Kälte und Hitze geschützt, falls nötig tierärztlich behandelt werden. Hunde dürfen nicht mehr den ganzen Tag an einem winzigen Balkon angekettet sich selbst überlassen oder in der Hitze in einem Auto gelassen werden. „Man hat sicherlich nicht alles erreicht, was wünschenswert gewesen wäre – aber dieses Gesetz ist sicherlich ein qualitativ großer Schritt für das Wohlergehen der Tiere“, meint der Tierarzt und Ortspolitiker Isidoro Molla aus Benissa an der Costa Blanca..

Erstes Tierschutzgesetz in Spanien - Tötung von Tieren nur im Rahmen von Euthanasie durch Tierarzt erlaubt

Misshandlungen und andere Verstöße gegen den Tierschutz können mit Geldstrafen bis zu 200.000 Euro oder in besonders schwerwiegenden Fällen mit bis zu 36 Monaten Gefängnis bestraft werden. Wer sein Tier misshandelt hat, dem wird es abgenommen und in ein Tierheim gegeben. Eine Tötung von Haustieren ist nur bei einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit oder im Rahmen von Euthanasie erlaubt und dann auch nur durch einen Tierarzt. Damit geht die federführende Ministerin Ione Belarra von Unidas Podemos auf die Sacrificio-Cero-Forderung der Tierschützer ein und will verhindern, dass ausgesetzte Tiere in privat betriebenen Stationen landen und eingeschläfert werden, falls sich kein Halter finden lässt.

Letztendlich zog aber der Koalitionspartner der Linken, die Sozialisten, vor der Jagd-Lobby den Schwanz ein und nahm ausgerechnet Jagdhunde aus dem ab September in Kraft tretenden Gesetz heraus. Dabei werden gerade die perros de caza bisweilen unter unsäglichen Umständen gehalten und landen nach ihrer Dienstzeit mit Glück in Tierheimen. „Für mich ist dieses Gesetz ein Rückschritt wegen seiner Ausnahmen. Ein Jagdhund ist auch ein Hund. Man kann noch gar nicht absehen, was für Folgen die Regel für Jagdhunde haben wird“, kritisiert Ángela Molina. Die valencianische Regelung nimmt wohl Jagdhunde unter Schutz und gilt unter Tierschützern als viel fortschrittlicher als die nun verabschiedete staatliche Grundlagenregelung. Ob Ober Unter sticht, oder die Valencianer an ihrer hart erkämpften Regelung festhalten können, kann auch Molina zum aktuellen Zeitpunkt nicht einschätzen. „Eigentlich müsste unsere Regelung bestehen bleiben“, meint sie.

Nicht nur Jagdhunde bleiben außen vor, die Ausnahmen gelten auch für Polizei- und Blindenhunde sowie Herden- und Hütehunde – wobei diese Hunde wohl eingeschoben wurden, um den Jagdhunden Geleitschutz zu leisten. Auch das Verbot, Tiere für Kampfveranstaltungen wie etwa Hahnenkämpfe einzusetzen, greift nicht für Stierkämpfe, die von einem eigenen Gesetz geregelt werden. Auf Nutz- und Schlachttiere in der Landwirtschaft finden ebenfalls andere Regeln Anwendung.

Dennoch begrüßen Tierärzte wie Molla eine stärkere Regulierung des Sektors, etwa bei der Zucht. Privatpersonen dürfen keine Rassehunde mehr züchten, um sie über das Internet zu verkaufen. „Das begrüße ich ausdrücklich. Es gibt so viele Hunde, die nicht artgerecht gezüchtet werden. Die Welpen haben dann oft Krankheiten. Wer züchtet, muss wissen, was er tut und die Zucht auch unter den entsprechenden hygienischen Bedingungen betreiben“, meint er.

Hundewelpen in Käfigen
Die Zucht von Hunden wird im Tierschutzgesetz reguliert. © Stadt Karlsruhe/dpa

De facto wird die Tierzucht in die Hände registrierter Züchter übergeben. Auch in Tierhandlungen dürfen keine Hunde, Frettchen und Katzen mehr ausgestellt und verkauft werden, kleinere Tiere wie Fische und Kaninchen aber schon. Die Regierung will auch noch eine Liste ausarbeiten, die Haus- von Wildtieren unterscheidet, um den Handel mit exotischen Exemplaren einzudämmen.

Erstes Tierschutzgesetz in Spanien: Hunde und Katzen dürfen nicht in Tierhandlungen ausgestellt werden

Wohl können zoologische Geschäfte als Vermittler für Adoptionen zwischen Tierheimen und Privatpersonen auftreten. Das Gesetz macht es explizit zur Aufgabe, Adoptionen aus Tierheimen zu fördern. „Derzeit herrscht noch große Unsicherheit, weil das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist. Man weiß noch nicht, welche Tiere auf diese Liste kommen und das wirkt sich negativ aus. Die Leute haben Angst, einen Hamster zu kaufen“, meint Mido Elsaghir von der Tierhandlung Ladridos in Benidorm.

Halter müssen weiterhin Hunde chippen und bei den entsprechenden Stellen ihrer Regionen registrieren. Weiterhin setzt die Regierung bei Kolonien von Straßenkatzen auf ein Managementmodell, das auf den Schritten „einfangen, sterilisieren und rückführen“ fußt. Diese CER-Methode gilt auf den Kanaren und auch in einigen Gegenden mit Feuchtgebieten als umstritten, da die ausgewilderten Schmusetiger offensichtlich Vögel und Reptile jagen könnten.

Die Gesetzesinitiative hat in vielen Punkten für hitzige Diskussionen gesorgt, innerhalb der linken Koalitionsregierung, aber auch zwischen Parlament und Senat ging es heiß hin und her. Gekippt ist das Verbot, dass Obdachlose keine Hunde halten dürfen. Obwohl sie manchmal für das Betteln um Almosen missbraucht würden, seien sie für die besonders ungeschützten Obdachlosen ein zu wichtiger Begleiter. Auch der Kursus für Hundehalter für den artgerechten Umgang mit ihren Schützlingen scheint vorerst auf der Strecke zu bleiben.

Nicht durchsetzen konnten sich die Linken mit ihrer Forderung, die Listenhunde abzuschaffen und größere Hunde allgemein einem Test zu unterziehen, ob sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könnten. Damit bleibt die Ausgrenzung der Rassen Pit Bull Terrier, Rottweiler, Argentinische Dogge, Staffordshire Bull Terrier, American Staffordshire Terrier, Fila Brasileiro, Tosa Inu und Akira Inu weiter bestehen, die als PPP – perros potencialmente peligrosos – geführt und oft zu den Langzeiturlaubern hiesiger Tierheime werden.

Wie bei einem Podemos-Gesetz üblich, laufen Lobbys aus allen beteiligten Sektoren Sturm, von Tierärzten über Tierhändler, Jäger, Landwirte und Tierschützer. Dennoch, dieses Gesetz ist ein Meilenstein, würdigt die Arbeit der Tierschützer und spiegelt den Teil von Spanien wider, der Tierquälerei nicht mehr hinnehmen will. „Wir sind so weit gekommen, wie wir mit unseren Kräften konnten, aber nicht so weit, wie wir uns gewünscht oder gedacht haben. Und wir haben auch nicht als erste diesen Weg des Tierschutzes beschritten, da waren viele, viele Personen vor uns da“, sagte Ministerin Ione Belarra vor dem Parlament.

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