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Spanien und die Ukraine: Die Folgen des Kriegs für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft

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Von: Stephan Kippes

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fluechtlinge aus ukraine kommen in spanien an.
Mit den Gedanken in der Ukraine, aber erstmal in Spanien in Sicherheit. Ein Kunsthändler aus Málaga charterte kurzerhand einen Bus und brachte am Montag 47 Menschen aus dem Kriegsgebiet. © Carlos Díaz/EFE

Putins Krieg gegen die Ukraine hat in Spanien eine Welle der Solidarität ausgelöst. Der Krieg wirkt sich zunehmend auch auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus.

Madrid - Der Krieg gegen die Ukraine hat Spanien erreicht. Dienstagnacht kamen die ersten Busse mit Flüchtlingen aus der Ukraine an. In Valencia sah man meist erschöpfte Frauen mit ihren Kindern, die bei spanischen Familien Unterschlupf fanden. Weitere werden folgen. Kein Mensch weiß, wie viele noch kommen. Die Vereinten Nationen beziffern dieses Flüchtlingsdrama derzeit auf über zwei Millionen Menschen.

Spanien und der Krieg in der Ukraine: Solidarität mit Flüchtlingen

Die spanische Regierung will drei große Auffangzentren für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einrichten, in Madrid, in Barcelona und in den ehemaligen Filmstudios Ciudad de la Luz in Alicante. Vor Ort überschlagen sich auch die humanitären Aktionen, mit denen Tausende ihre Anteilnahme am Leid ausdrücken. Von einer Gruppe Madrider Polizisten, die nach Polen fuhren, um Flüchtlinge nach Spanien zu bringen, ist die Rede. Ein junger Mathelehrer macht Schlagzeilen, der im Kriegsgebiet versucht, logistisch zu koordinieren, wie und welches medizinisches Material aus Spanien auf effiziente Weise in die Krankenhäuser der Ukraine gebracht werden kann. Man hört sogar von einer Handvoll Alicantiner, die an der Grenze Flüchtlinge mit „Friedens-Paella“ verköstigen.

Eine Fruppe von Frauen, Männern und Kindern mit Ukraine-Fahnen demonstrieren in Cartagena gegen den Krieg.
Ukraine-Spenden aus Murcia: Auch in Cartagena demonstrieren die Menschen gegen den Krieg. © Rathaus Cartagena

Auch entlang der Küste finden überall tausende Benefizveranstaltungen, Spenden- und Sammelaktionen sowie Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine statt. In größeren Städten machten sich Zehntausende für ein Ende des Krieges stark, die Friedensdemonstrationen in Vitoria-Gasteiz und im Baskenland drückten treffend aus, wie sehr die Flüchtlingsschicksale die spanische Bevölkerung treffen und wie groß die Solidarität mit den Ukrainern ist. Wichtige Anlaufstationen vor Ort führt die Costa Blanca Nachrichten (CBN) im Lokalteil auf, auch auf Benefizveranstaltungen und Hilfsaktionen weisen die Redaktionen der Costa del Sol Nachrichten (CSN) und der Costa Cálida Nachrichten (CCN) hin.

Derweil bekommt die spanische Bevölkerung zu spüren, dass der Krieg – so weit weg er auch sein mag – auch hier nicht ohne - vor allem wirtschaftliche Folgen bleiben wird. Am Samstag fingen viele Supermärkte an, den Verkauf von Sonnenblumenöl zu rationalisieren. Das Öl verwenden viele Spanier zum Frittieren. Das einst günstige, jetzt deutlich teurere Öl, das auch in Konserven verwendet wird, stammt zu einem großen Teil aus der Ukraine, ebenso wie Getreide, Mais und andere landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die etwa für die Herstellung von Viehfutter benötigt werden. Langsam setzen sich Kettenreaktionen in Gang, deren Folgen sich bisher kaum überblicken lassen.

Der Benzinpreis hat an einigen Tankstellen die Zwei-Euro-Marke geknackt. Das hat es in Spanien auch noch nie gegeben. DIe Folge sind lange Autoschlangen vor sogenannten Low-Cost-Tankstellen und ein Streik der kleinen Transportunternehmen, der für Montag, 14. März, angekündigt ist, hinter dem aber bisher nur die Plataforma para la Defensa del Sector del Transporte de Mercancías por Carretera steht,

Der Strompreis schnellt in schwindelerregende Höhen, einige Experten sehen bei der 1.000-Euro-Marke pro Megawattstunde noch keinen Gipfel. Gas ist dermaßen teuer, dass der Aufruf des europäischen Außenbeauftragten Josep Borrell, sich beim Heizen zu mäßigen, in vielen spanischen Haushalten gar nicht mit Solidarität mit der Ukraine und dem Boykott des Gases aus Russland begründet werden muss, mit deren Kauf die EU bedauerlicherweise indirekt den Krieg finanziert, den sie anprangert.

Spanien und der Krieg in der Ukraine: Sánchez will Anstiegt der Energiepreise bremsen

Mit einer Inflation von 7,6 Prozent im Februar nimmt die Entwicklung in so vielen Lebensbereichen so schnell an Fahrt auf, dass die Regierung bald zum Handeln gezwungen sein wird, bevor die ersten Unternehmen wegen der hohen Produktionskosten Ausstellungsverfahren einleiten müssen. Sogar Umweltministerin Teresa Ribera spricht von „verzerrten Energiemärkten“, aber Madrid rennt in Brüssel immer wieder gegen eine Wand, wenn es an der umstrittenen Berechnungsweise rütteln will, die den Strompreis bestimmt. Ministerpräsident Pedro Sánchez will aber jetzt in der EU nach Bündnispartner für eine Reform der Energiepreise um sich scharren, gegen die sich vor allem Deutschland sträubt.

Derweil gibt sich Ministerpräsident Pedro Sánchez wenig Illusionen hin und spricht von einer lang dauernden Krise mit Putin. Mit politischem Gespür hat Sánchez wohl erkannt, dass dieser Krieg die Weichen auf ein geeinteres Europa gestellt hat. „Brexit, Pandemie und Putin haben Europa nicht geschwächt, sondern die Einheit gestärkt und vitalisiert. Jetzt sieht man die beste Version von Europa“, sagt Sánchez.

Spanien und der Krieg in der Ukraine: Geeintes Europa kann Putin aufhalten

Vielleicht die einzige, die Russland die Stirn bieten kann. Sánchez scheut sich nicht mehr, der Ukraine mit direkten Waffenlieferungen zur Seite zu stehen. Am vergangenen Wochenende brachten vier Transportflugzeuge des Typs A400M Granatwerfer, Maschinengewehre und Munition an einen grenznahen Flughafen in Polen, von wo aus sie an ukrainische Widerstandskämpfer verteilt wurden. Dabei soll es sich um Waffen handeln, für die man keine militärische Erfahrung braucht. Der Widerstand, der den Sozialisten vom linken Koalitionspartner entgegenblies, dürfte Sánchez wie ein Sturm im Wasserglas vorgekommen sein. Es steht zu viel für Europa auf dem Spiel, als dass man Putin diesen Krieg durchgehen lassen könnte.

Sánchez drängt stark auf eine Isolierung Putins und eine autarkere Energieversorgung, bei der Spanien, was die Lagerung und den Transport von Gas nach Zentraleuropa angeht, durchaus eine Schlüsselrolle in den kommenden Jahren zukommen könnte. So ziehen sich auch die großen spanischen Konzerne aus Russland zurück. Zara, Mango und wie all die Modeketten heißen, machen ihre Filialen dicht. Auch Symbole für die westliche „Freiheit“ nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wie McDonalds oder Ikea kehren Russland den Rücken.

Zum Thema: Kunst im Krieg - Soll das Russische Museum in Málaga geschlossen werden? Ein Dilemma wird zur einer Groteske.

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