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Wahlbetrug bei Briefwahl in Spanien - „Ich kaufe dir alle Stimmen ab“

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Von: Stephan Kippes

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Lagerhalle mit Wahlunterlagen.
Bei der Briefwahl soll es in Melilla nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. © Sina Schuldt/dpa

Bei der Briefwahl für die Kommunal- und Landtagswahlen in Spanien soll es in Melilla nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Nun werden die Spielregeln geändert.

Melilla – Die auffällig hohe Anzahl von Anträgen für Briefwahl in der Exklave Melilla hat den Verdacht der Obersten Wahlaufsichtsbehörde in Spanien geweckt. So mussten Bürger der nordafrikanischen Exklave, die ihre Wahlunterlagen für die Kommunal- und Landtagswahlen in Spanien einreichen wollen, dies zuletzt mit Ausweis in den Niederlassungen der spanischen Post Correos tun. Ferner begleitete die Polizei die Postboten, die Wahlunterlagen an die Antragsteller austeilen, nachdem in den Vortagen fünf Überfälle auf Briefträger verzeichnet wurden.

Verdacht auf Wahlbetrug bei Briefwahl in Melilla: Wahlaufsichtsbehörde verhängt Ausweispflicht

Der Anteil von Briefwählern soll in Melilla aktuell fast bei 20 Prozent liegen, im Rest Spaniens erreicht dieser Anteil keine 2,5 Prozent. Eine wie ein Netzwerk organisierte Mafia soll Bürgern aus ärmeren Schichten bis zu 150 Euro für ihre Wahlunterlagen geboten haben. Auch Geschäftsleute erhielten über WhatsApp und ähnliche Apps unmoralische Angebote, wie etwa die Aussicht auf bestimmte Genehmigungen oder andere Gefälligkeiten. So liegt der Polizei eine Aufnahme vor, in der es heißt: “Wie geht es Dir, Bruder? Und der Familie? Wenn Du, deine Frau und deine Famile wählen wollen, gib mir die Stimmen. Ich kauf sie Dir alle ab.”

Der Wahlbetrug kann funktionieren, weil für Briefwahlunterlagen für die Kommunal- und Landtagswahl am 28. Mai in Spanien zwar bei der Antragsstellung ein Nachweis der Identität erforderlich ist, aber diese dann ohne Ausweispflicht eingereicht oder abgeschickt werden können. Das haben Betrüger scheinbar spitzbekommen, die in die Rollen der Wähler schlüpfen und für politische Formationen stimmen, die zuvor über Mittelsmänner dafür bezahlt haben. Diese Stimmen wurden scheinbar nicht nur über die Landgrenze nach Marokko gebracht und von dort aus verschickt, sondern auch auf die Iberische Halbinsel geschmuggelt und dort aufgegeben. Neu ist diese Methode nicht, wohl aber das Ausmaß, da offensichtlich eine Art Mafia davon Gebrauch macht.

Verdacht auf Wahlbetrug bei Briefwahl in Melilla: 750 Stimmen ohne Überprüfung eingegangen

Damit ist es nun für Bürger aus Melilla im ganzen Land mit der Ausweispflicht vorbei. Allerdings sind bereits über 750 Briefwahlunterlagen eingegangen ohne eine doppelte Überprüfung des Wählers, die von der Wahlaufsicht als gültig eingestuft wurden. Inzwischen hat auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Mit der neuen Regelung wird laut der Wahlaufsichtsbehörde “kein Wahlrecht eingeschränkt, sondern ganz im Gegenteil garantiert, dass dieses Recht in den besten Konditionen ausgeübt werden kann.”

Die Nationalpolizei spricht bisher von “Dutzenden” betrügerischer Stimmen und nimmt insbesondere die Partei Coalición por Melilla ins Visier der Ermittlungen, aber nicht nur diese Lokalpartei. Ein Verdächtiger wurde mit 1.400 Euro in bar verhaftet.

In der 85.000-Einwohner-Stadt Melilla haben 11.700 Personen die Briefwahl beantragt, mehr als doppelt so viele wie 2019. Allerdings sind davon nur 920 eingegangen, 750 davon vor Inkrafttreten der Ausweispflicht. Für ein Mandat in Melilla muss ein Kandidat auf etwa 1.000 Stimmen kommen. In der nun auslaufenden Legislatur hat sich allerdings die seltsame Konstellation ergeben, dass die Exklave von Eduardo de Castro regiert wird, der 2019 als einziger Kandidat der liberalen Partei Ciudadanos einzog und mit den Sozialisten und die Coalición por Melilla eine Regierung bilden konnte und die Exklave nach dem Ausschluss von Ciudadanos wegen eines Korruptionsskandals als Parteiloser regiert. Den aktuellen Umfragen für die Kommunal- und Landtagswahlen zufolge liegen nun die Volkspartei und Coalición por Melilla vorne, die vor allem in der muselmanischen Bevölkerung großen Rückhalt hat.

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