Die Spritpreise knackten an etlichen Tankstellen bereits die Zwei-Euro-Marke. Spaniens Wirtschaft wird Wachstum einbüßen. In welchem Umfang steht noch nicht fest. Die Entwicklung der Energiepreise infolge des Angriffs auf die Ukraine ist es denn auch, was den Regierungen in der EU neben der militärischen Bedrohungslage die größte Sorge bereitet. Inzwischen hat die EU-Kommission eine Idee der Regierung Sánchez, die bislang immer verworfen wurde, aufgegriffen: eine Deckelung der Energiepreise.
Die EU-Kommission hat den Auftrag, bis Ende März Vorschläge für Notfallmaßnahmen zu präsentieren. Sie sollen auch zeitlich begrenzte Preislimits beinhalten. Im Wesentlichen geht es darum, den Strompreis von der Entwicklung des Gaspreises zu entkoppeln und den Ansteckungseffekt zu begrenzen. Ferner soll die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas beendet werden. Bei der Diversifizierung der Importe könnte Spanien eine wichtige Rolle zukommen. Zum einen wegen der beiden Gas-Pipelines aus Algerien. Zum anderen wegen der in sechs spanischen Häfen existierenden Möglichkeiten, Flüssiggas anzulanden, zu speichern und zu regasifizieren.
Am Mittwoch ließ die Regierung Sánchez ankündigen, dass man Strom, Gas und Diesel über steuerliche und andere Eingriffe billiger machen wird, notfalls auch einseitig, wenn sich die EU nicht schnell genug einigt oder bestimmte Schritte ablehnt. Genaue Zahlen nannte der Regierungssprecher noch nicht.
Unterdessen schlagen Sektoren wie die Industrie, die Fischerei und das spanische Transportwesen Alarm angesichts der Spritpreisentwicklung. Am lautesten meldete sich das Nationale Komitee für Straßentransport (CNTC) zu Wort und forderte von der Regierung „dringende Maßnahmen gegenüber einer bis dato noch nie erlebten Situation“ für Spediteure, der Taxi- sowie der Busunternehmen. Der Dachverband der Tankstellen-Betreiber (CEEES) schlug eine Senkung der Mehrwertsteuer (IVA) auf Benzin und Diesel von 21 auf zehn Prozent vor.
Die hohen Energiepreise haben in der stromintensiven Industrie zu ersten Produktionsstilllegungen geführt. Die Vereinigung der energieverbrauchsintensiven Unternehmen (AEGE) sagt weitere Stilllegungen voraus. „Die Unternehmen vollführen einen Balanceakt zwischen der Erfüllung der Verträge einerseits und dem Bestreben andererseits, nicht mit Verlust zu produzieren. Wenn Regierung und EU-Kommission nicht schnell brauchbare Schritte einleiten, wird es zu einem Desaster kommen“.
Aus der Metall verarbeitenden Industrie werden Überlegungen laut, Kurzarbeit anzumelden. Große Sorgen wegen des Kriegs breiten sich in der Landwirtschaft aus. Die Getreidepreise sind in die Höhe geschnellt. Zudem leidet der „Campo“ in Spanien unter einer Dürre. Schon jetzt ist Spanien in der EU der Hauptimporteur von Getreide. Davon gehen 70 Prozent in die Viehwirtschaft. Der mit Abstand wichtigste Getreidelieferant ist die Ukraine. Die Regierung fordert, die EU-Kommission möge die Importhindernisse für Mais aus Argentinien und den USA aufheben.
Bei Sonnenblumenöl sind bereits erste Lieferprobleme aufgetreten. Einige Supermärkte haben den Verkauf rationiert, angeblich soll es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme handeln, um Hamsterkäufe zu vermeiden. Andere Töne kommen aus der Süßwarenindustrie: Der Vorrat an Sonnenblumenöl für die Produktion reiche noch maximal vier Wochen. Alles Sonnenblumenöl komplett zu ersetzen, sei nicht machbar, heißt es seitens des Dachverbands Produlce.
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Im Tourismus fürchten die Hoteliers einen Preiskampf mit der Türkei. Um den Ausfall der Russen zu kompensieren, wird erwartet, dass die Türkei mit Billigpreisen Briten und Deutsche ins Land locken will. Wie groß die Unsicherheit ist, ob den Menschen nicht die Lust aufs Reisen vergeht, zeigte sich an der Börse: Tourismus-Werte gehörten zu den Papieren, die am stärksten abstürzen.
Auch wenn die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine derzeit an der Inflation, den hohen Energiepreisen und deren wachstumshemmenden Effekten auszumachen sind, Spanien könnte wegen der neuen geopolitischen Lage ins Abseits geraten. Es zeichnet sich ab, dass Europa mehr investieren muss für seine Verteidigungsbereitschaft. Das Geld wird in den Osten fließen. Fürs Militär, für die Flüchtlinge, für den Wiederaufbau. Experten rechnen damit, dass der Corona-Wiederaufbaufonds umgeschichtet wird. Spanien wird weniger aus Brüssel bekommen. Das wird die Wirtschaft spüren.
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