Wohnungsnot in Spanien: Teure Immobilien, leere Versprechen, schwache Gesetze

Die Mieten und die Immobilienpreise steigen in Spanien, während die Löhne nahezu stagnieren. Die Regierung steuert mit einem Wohnungsgesetz gegen. Doch das reicht nicht.
Madrid - Der Chef zahlt 1.200 Euro, der Vermieter will 750 und Iberdrola und Co. halten auch die Hände auf. Etwas ist faul am Wohnungsmarkt in Spanien. Von langer Hand und doch aus der Not geboren, boxt die Regierung von Pedro Sánchez das neue Wohnungsgesetz durch und darf sich zumindest auf die Fahnen schreiben, dass eines der großen sozialen Probleme in den Ballungsgebieten und entlang der Küsten im Wahlkampf thematisiert wird. Das konservative Lager kontert mit Versprechen wie 1.000 Euro Starthilfe für junge Mieter und Häuslebauer, die Regierung legt Sozialwohnungen nach. Mit der Wohnungspolitik gewinnt der Wahlkampf inhaltlich an Fahrt und Gewicht.
Wohnungsnot in Spanien: Soziales Problem wird im Wahlkampf thematisiert
Wohnungsnot ist für viele Familien ein großes soziales Problem mit vielen Facetten, von hohen Immobilienpreisen, horrenden Mieten bis hin zu den Schwierigkeiten, sich vom Elternhaus zu emanzipieren. Wie wichtig Neuregelungen auf dem Wohnungsmarkt sind, zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts 40dB. Demnach fressen Hypotheken und Mieten für die Mehrheit über 30 Prozent des monatlichen Familieneinkommens auf. Die hohen Wohnungskosten sind eine der Hauptsorgen der Spanier. 82,8 Prozent der Befragten sind darüber beunruhigt. Im Wahlkampf findet die Politik immer wieder interessante Lösungen, leider verliert sie diese danach in der Regel ebenso schnell wieder.
Die Regierung aus PSOE und Podemos will mit dem Wohnungsgesetz Ley de Vivienda die Mietpreise in Ballungsgebieten deckeln. Das Modell, Mieten über einen Eingriff in das Marktgeschehen zu regeln, soll gestützt werden von einer Initiative für den sozialen Wohnungsbau.
Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte den Bau von 43.000 neuen Sozialwohnungen zur Miete an und will 50.000 Objekte aus dem Bestand der staatlichen Auffanggesellschaft Sareb nehmen. Das kommt bei jungen Wählern gut an, auch wenn es etwas am eigentlichen Bedarf in den Ballungsgebieten vorbeigeht, aber immerhin. So kommt zumindest etwas von der umstrittenen Bankenrettung mit Steuergeldern über diese Sareb-Bauten beim Bürger an.
Wohnungsnot in Spanien: Sozialisten wollen in Markt eingreifen, Konservative bieten Anreize und Hilfen
Dem stellen die Konservativen ein Modell der Anreize gegenüber. Sie wollen jungen Menschen bis zu 1.000 Euro in die Hand geben, als Starthilfe, um das Haus ihrer Eltern verlassen und sich eine Wohnung oder ein Haus mieten oder kaufen können. Ferner bekundet die Volkspartei jetzt – wo das aus der Not geborene Wohnungsgesetz durch ist – ihre Bereitschaft für einen Staatspakt mit dem Ziel, Bauland zu generieren, massiv Sozialwohnungen zu bauen und so dem Preistrend entgegenzutreten. Auch will Spitzenkandidat Alberto Núñez-Feijóo die illegale Besetzung von Immobilien bekämpfen. Die PP will Hausbesetzer binnen 24 Stunden ausweisen und generell gegen Okupas hart vorgehen – auch um zu verhindern, dass Vox ihr junge Stammwähler abzieht.
Derweil setzt das neue Wohnungsgesetz bei der Begrenzung der Mieten an. „Alle Mieten, die sich in Zonen mit angespanntem Mietmarkt befinden, werden geregelt und gedeckelt. Und egal, ob es sich dabei um große oder kleine Vermieter handelt“, sagte ERC-Abgeordnete Pilar Vallugera. Die Einigung sieht vor, dass es für 2023 wegen der Inflation bei der Regelung bleibt, dass die Mieten um nicht mehr als zwei Prozent steigen dürfen. Für 2024 wurde ein Limit von drei Prozent bei der Verlängerung von Mietverträgen festgelegt. Mit der Regelung werden wohl viele leben können. Sollte die Inflation weiter nachlassen, dürfte es sich 2024 de facto wieder um eine Mieterhöhung gemäß der Inflationsrate handeln.
Ferner gibt es jetzt auch die lang erwartete Definition für „Zonen mit angespanntem Mietmarkt“. Eine von zwei Bedingungen muss erfüllt sein: So fallen alle Gegenden darunter, in denen die durchschnittliche Miete oder Hypothek plus Nebenkosten 30 Prozent oder mehr des monatlichen Familieneinkommens ausmacht. Zum anderen, wenn Kaufpreis oder Miete in den vergangenen fünf Jahren um mindestens drei Prozentpunkte mehr als die Inflationsrate angestiegen ist. Zwangsräumungen von Wohnungen werden schwieriger werden. Unangekündigte Räumungen sind nämlich verboten. Festgelegt wird auch, dass die Vermittlungskosten für eine Immobilienagentur vom Eigentümer zu tragen sind und nicht vom Mieter. Weitere Inhalte betreffen steuerliche Anreize für Eigentümer, die ihre Immobilien dem Mietmarkt zur Verfügung stellen. Geschützt wird zudem der öffentliche Wohnungspark. Danach ist es verboten, öffentliche Sozialwohnungen an Investmentfonds zu verkaufen, was in der Ära der konservativen PP gang und gäbe war.