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Spaniens Haushalt 2023: Sánchez schnürt mächtige Geldpakete gegen Krisen, Krieg und Konkurrenten

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Von: Marco Schicker

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Spaniens Premier Sánchez spricht im Parlament.
Spaniens Premier Sánchez erklärt der rechten Opposition, warum er in diesen Zeiten die Steuern für Besserverdiener nicht senken wird. © Moncloa

Spaniens Haushalt für 2023 beinhaltet Rekordausgaben für Soziales, aber auch das Militär. Mit weiteren Hilfspaketen für breite Schichten der Bevölkerung will Regierungschef Sánchez Krisen mildern - und die kommende Wahl gewinnen.

Madrid - Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat es eilig. Wieder einmal muss er mehrere Krisen gleichzeitig bekämpfen, werden Staat und er zur Feuerwehr, zur Tafel und zur Bank. Sánchez kennt das gar nicht anders, er hat das Land zwar ziemlich erfolgreich durch die Klippen von zwei Jahren Corona-Krise manövriert, um nun mitten in einem Minenfeld aus Energiekrise, Inflation und teils absurder Teuerung von Lebensmitteln, Spekulation, Zinsschraube, Dürre, Klimakrise und allgemeiner Kriegsgefahr zu stehen.

Die eigenen Regierungspartner vom linken Flügel machen Sánchez die Hölle heiß, weil er ihnen nicht sozial genug agiert, die oppositionelle PP aber will ihre konzertierten Steuersenkungen für Besserverdiener auf regionaler Ebene medial als Befreiungskrieg für das spanische Volk verkaufen. Und im Mai 2023 sind Wahlen. Und im Wahlkampf zählen alte Allianzen nichts mehr. Noch muss der Haushaltsentwurf durchs Parlament.

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Sánchez hat seine Liste an konkreten, zählbaren Hilfen für all jene, die von der galoppierenden Teuerung besonders betroffen sind, nochmals verlängert. Er lindert, was er kann, die Weltlage verbessern kann er nicht. Am Dienstag legte seine Regierung dem Parlament einen Haushalt vor, der sowohl die höchsten Sozialausgaben aller Zeiten beinhaltet, aber auch die höchsten Rüstungsausgaben des demokratischen Spaniens.

Gleichzeitig wird in Spanien von vonseiten des Staates 2023 so viel investiert wie lange nicht, obwohl die Wachstumsaussichten für das Land für das kommende Jahr gerade nochmals nach unten, auf nun bescheidene 2,1 Prozent korrigiert werden mussten, während Sánchez in diesem Jahr mit einem Wachstum von 4,4 Prozent kalkulieren kann. Wer soll das bezahlen? Die EU, künftige Generationen und ein bisschen auch guter Wille und buchhalterischer Erfindungsgeist. Doch wann, wenn nicht in geballten Krisen dieser Art, darf sich ein Staat verschulden?

Spaniens Regierungschef Sánchez auf Mallorca
Spaniens Regierungschef Sánchez spricht Anfang Oktober 2022 auf Mallorca mit Vertretern der „Kellys“, den Zimmermädchen, denen er bessere Arbeitsbedingungen zusagt. © Fernando Calvo/Moncloa

Sánchez will sein Volk nicht im Stich lassen, wie es die Regierung bei der Finanz- und Immobilienkrise ab 2008 tat. Dafür hat er sich bei der EU mit mächtigen Lobbyisten angelegt, den Preisdeckel für Gas durchgesetzt, die iberische Ausnahme an der Energiebörse als Exempel statuiert, eine Steuer auf Übergewinne der Energiekonzerne und Banken durchgesetzt und zuletzt auch die Mehrwertsteuer auf Gas deutlich gesenkt. Das ist für einen europäischen Sozialdemokraten, die lange rot getünchte Püppchen des Neoliberalismus waren, durchaus eine Leistung.

Sánchez will die Spanier überzeugen, dass er die beste Wahl für ihre Zukunft oder notfalls zumindest das kleinere Übel ist, es ihnen mit der Rechten schlechter gehen würde und: Dass die Steuern, die zu zahlen sind, durchaus auch sinnvoll ausgegeben werden, nämlich solidarisch von Oben nach „Unten“.

Sozialausgaben und Militärbudget in Spanien steigen auf Rekordhoch

Zahlen bitte: 6 von 10 Euro auf der Ausgabenseite des spanischen Staatshaushalts 2023 sind für soziale Zwecke vorgesehen, das sind 266,7 Milliarden Euro, 10,5 Prozent mehr als in diesem Jahr und so viel wie nie zuvor. Hinzu kommen hier 8 Milliarden von der EU. Der Anstieg der Ausgaben für die militärische Verteidigung beträgt hingegen 25,8 Prozent auf 12,3 Milliarden Euro. Davon werden 4,8 Milliarden für die „Modernisierung der spanischen Streitkräfte“ reserviert und über Kredite finanziert. Damit gibt Spanien knapp 1,5 Prozent seines BIP für das Militär aus, immer noch 0,5 Punkte unter dem US-Wunsch für die NATO-Partner. Die Erhöhung des Budgets ist natürlich auch ein politisches Zeichen an den Kriegsverbrecher in Moskau.

Die soziale Komponente im Haushalt trägt neben Sánchez' vor allem auch die Handschrift von Podemos und Vereinigter Linker, vor allem deren Ministern Yolanda Díaz, Alberto Garzón und Ione Belarra. Sie sorgten dafür, dass die monatliche Beihilfe von 100 Euro für arbeitende Mütter mit Kindern, die als Unterstützung zur Kinderbetreuung gedacht war, nun für alle Mütter zum allgemeinen Kindergeld von 0-3 Jahren ausgebaut wird. Das Arbeitslosengeld wird nach sechs Monaten von 50 auf 60 Prozent der Berechnungsgrundlage angehoben, der Pflegegeldzuschuss steigt um 620 Millionen, häusliche Pflegerinnen werden auch ohne Verträge als Vollzeitkräfte mit Zugang zur Krankenversorgung und zum Arbeitslosengeld anerkannt.

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Die Regierung beschließt zudem, dass die kostenlosen Monats- und Dauerkarten für die Nahverzüge von Renfe und die Media Distancia, die vor allem Pendlern und Studenten, aber auch Rentnern, die ihre Familien besuchen, zugutekommen, auf das Jahr 2023 ausgedehnt werden. Das 0-Euro-Ticket kostet den Staat weitere 700 Millionen Euro.

12,7 Milliarden fließen in die Jugendpolitik, ein Plus von 13,2 Prozent, darunter sind 400 Millionen Euro mehr für Stipendien und Studienbeihilfen, ein Einkaufscheck für junge Erwachsene und 3,4 Milliarden Euro als Beihilfe für die erste Wohnung. Damit sollen jungen Menschen Perspektiven in Spanien geboten, die sogenannten NiNis weniger werden. Die Ausgaben für Gesundheit werden nochmals um 6,7 Prozent angehoben, 500 Millionen Euro gehen zusätzlich in den Ausbau der Erstversorgung sowie die Verstärkung der Psychischen Gesundheit.

Ein spezielles Anti-Inflations-Paket hat die Regierung zum Jahresende angekündigt, darin sollen die Reichensteuer, die Sondersteuern für Banken und Energiekonzerne konkretisiert werden, aber auch konkrete Hilfen für alle jene verankert werden, deren Hypotheken aufgrund der gestiegenen Zinsen schwerer oder unbezahlbar geworden sind. Ende des Jahres erfahren die Spanier auch, ob die Steuer- und Abgabensenkungen sowie die Subventionen bei Strom, Gas und Kraftstoffen verlängert werden und ob es direkte Zuzahlungen zur Stromrechnung für Betriebe oder für die Heizung von Wohnungen geben wird.

Fast 10 Prozent mehr Gehalt für Spaniens öffentlichen Dienst - binnen drei Jahren

Spaniens Arbeitsministerin Yolanda Díaz
Macht Sánchez Feuer von links: Spaniens Arbeitsministerin Yolanda Díaz. © Borja Puig de la Bellacasa/Moncloa

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt für den sozialen Frieden wie die Stabilität der demokratischen Institutionen sind die Gehälter der öffentlich Bediensteten. Vom Finanzbeamten, über den Lehrer, den Feuerwehrmann, die Krankenschwester in staatlichen Krankenhäusern, sind das drei Millionen Menschen samt Familien. Ihre Gehälter steigen binnen der kommenden drei Jahre um 9,5 Prozent oder sogar mehr, wenn die Inflation nochmals zulegen sollte. Die wichtigsten Gewerkschaftskonföderationen CC.OO. und UGT haben dem bereits zugestimmt. Die erste Anhebung von 2,5 Prozent kommt im Januar 2023, davor gibt es eine Einmalzahlung von rund 500 Euro. Außerdem nimmt die Regierung mehr Menschen in den öffentlichen Dienst auf, 20,5 Milliarden kosten ihn dann die Gehälter im öffentlichen Dienst, 21,2 Milliarden die Arbeitslosengelder, fünf Prozent weniger als im Vorjahr.

21 Milliarden Euro sind als staatliche Investitionen vorgesehen, 43 sind es, wenn wir EU-Mittel mitzählen. Vor allem geht dieses Geld natürlich in Infrastruktur (15 Prozent), aber auch in Zukunftsprojekte wie Meerwasserentsalzung, Förderung von Wind- und Sonnenenenergie (20 Prozent), sowohl im industriellen wie im individuellen Maßstab. Weitere Gelder gehen in Forschung und Entwicklung von Satellitentechnik bis Impfstoffe und in die Digitalisierung (25 Prozent).

Zum Thema: Sonne, Wind und Putin - Was Spaniens Boom bei Erneuerbaren Energien bedeutet.

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Ein gigantischer Posten, um den es traditionell das größte Hauen und Stechen gibt, sind die Finanzleistungen an Länder und Kommunen. Hier geht es 2023 um 135,3 Milliarden Euro, 24 Prozent mehr als zuvor für die Regionen sowie 23,2 Milliarden Euro direkte Zuwendungen an die rund 5.000 Gemeinden, ein Plus von 5 Prozent.

Rund 31 Milliarden Euro wird die Neuverschuldung betragen, das sind 3,9 Prozent und wäre für Brüssel in „Friedenszeiten“ ein Grund zum Einspruch. Doch die Haushaltsnormen mit ihrem Schuldenlimit sind derzeit außer Kraft gesetzt. Bleibt noch festzuhalten, dass Sánchez trotz allem die Steuern senkt, aber nicht für die Reichen. Die Lohn- und Einkommenssteuer (IRPF) für alle mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von unter 21.000 Euro sinken, ebenso die Steuerlast für Kleinbetriebe mit Umsätzen von unter 1 Million Euro sowie die „cuota“, die Pflichtabgabe für Selbständige. Auf der anderen Seite stehen die Sondersteuern für Großverdiener, Banken und Energiekonzerne. Der Saldo: Ein Plus von 3 Milliarden Euro für die Staatskasse - wenn die Pläne aufgehen und das Wachstum nicht völlig einbricht. Die Staatsschuldenquote sinkt wegen der höheren Steuereinnahmen trotz der Mehrausgaben leicht auf 112,9 Prozent des BIP.

Zum Thema: Spanien in der Energiekrise - Wer kann das noch bezahlen?

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