Zahlen bitte: 6 von 10 Euro auf der Ausgabenseite des spanischen Staatshaushalts 2023 sind für soziale Zwecke vorgesehen, das sind 266,7 Milliarden Euro, 10,5 Prozent mehr als in diesem Jahr und so viel wie nie zuvor. Hinzu kommen hier 8 Milliarden von der EU. Der Anstieg der Ausgaben für die militärische Verteidigung beträgt hingegen 25,8 Prozent auf 12,3 Milliarden Euro. Davon werden 4,8 Milliarden für die „Modernisierung der spanischen Streitkräfte“ reserviert und über Kredite finanziert. Damit gibt Spanien knapp 1,5 Prozent seines BIP für das Militär aus, immer noch 0,5 Punkte unter dem US-Wunsch für die NATO-Partner. Die Erhöhung des Budgets ist natürlich auch ein politisches Zeichen an den Kriegsverbrecher in Moskau.
Die soziale Komponente im Haushalt trägt neben Sánchez' vor allem auch die Handschrift von Podemos und Vereinigter Linker, vor allem deren Ministern Yolanda Díaz, Alberto Garzón und Ione Belarra. Sie sorgten dafür, dass die monatliche Beihilfe von 100 Euro für arbeitende Mütter mit Kindern, die als Unterstützung zur Kinderbetreuung gedacht war, nun für alle Mütter zum allgemeinen Kindergeld von 0-3 Jahren ausgebaut wird. Das Arbeitslosengeld wird nach sechs Monaten von 50 auf 60 Prozent der Berechnungsgrundlage angehoben, der Pflegegeldzuschuss steigt um 620 Millionen, häusliche Pflegerinnen werden auch ohne Verträge als Vollzeitkräfte mit Zugang zur Krankenversorgung und zum Arbeitslosengeld anerkannt.
Die Regierung beschließt zudem, dass die kostenlosen Monats- und Dauerkarten für die Nahverzüge von Renfe und die Media Distancia, die vor allem Pendlern und Studenten, aber auch Rentnern, die ihre Familien besuchen, zugutekommen, auf das Jahr 2023 ausgedehnt werden. Das 0-Euro-Ticket kostet den Staat weitere 700 Millionen Euro.
12,7 Milliarden fließen in die Jugendpolitik, ein Plus von 13,2 Prozent, darunter sind 400 Millionen Euro mehr für Stipendien und Studienbeihilfen, ein Einkaufscheck für junge Erwachsene und 3,4 Milliarden Euro als Beihilfe für die erste Wohnung. Damit sollen jungen Menschen Perspektiven in Spanien geboten, die sogenannten NiNis weniger werden. Die Ausgaben für Gesundheit werden nochmals um 6,7 Prozent angehoben, 500 Millionen Euro gehen zusätzlich in den Ausbau der Erstversorgung sowie die Verstärkung der Psychischen Gesundheit.
Ein spezielles Anti-Inflations-Paket hat die Regierung zum Jahresende angekündigt, darin sollen die Reichensteuer, die Sondersteuern für Banken und Energiekonzerne konkretisiert werden, aber auch konkrete Hilfen für alle jene verankert werden, deren Hypotheken aufgrund der gestiegenen Zinsen schwerer oder unbezahlbar geworden sind. Ende des Jahres erfahren die Spanier auch, ob die Steuer- und Abgabensenkungen sowie die Subventionen bei Strom, Gas und Kraftstoffen verlängert werden und ob es direkte Zuzahlungen zur Stromrechnung für Betriebe oder für die Heizung von Wohnungen geben wird.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt für den sozialen Frieden wie die Stabilität der demokratischen Institutionen sind die Gehälter der öffentlich Bediensteten. Vom Finanzbeamten, über den Lehrer, den Feuerwehrmann, die Krankenschwester in staatlichen Krankenhäusern, sind das drei Millionen Menschen samt Familien. Ihre Gehälter steigen binnen der kommenden drei Jahre um 9,5 Prozent oder sogar mehr, wenn die Inflation nochmals zulegen sollte. Die wichtigsten Gewerkschaftskonföderationen CC.OO. und UGT haben dem bereits zugestimmt. Die erste Anhebung von 2,5 Prozent kommt im Januar 2023, davor gibt es eine Einmalzahlung von rund 500 Euro. Außerdem nimmt die Regierung mehr Menschen in den öffentlichen Dienst auf, 20,5 Milliarden kosten ihn dann die Gehälter im öffentlichen Dienst, 21,2 Milliarden die Arbeitslosengelder, fünf Prozent weniger als im Vorjahr.
21 Milliarden Euro sind als staatliche Investitionen vorgesehen, 43 sind es, wenn wir EU-Mittel mitzählen. Vor allem geht dieses Geld natürlich in Infrastruktur (15 Prozent), aber auch in Zukunftsprojekte wie Meerwasserentsalzung, Förderung von Wind- und Sonnenenenergie (20 Prozent), sowohl im industriellen wie im individuellen Maßstab. Weitere Gelder gehen in Forschung und Entwicklung von Satellitentechnik bis Impfstoffe und in die Digitalisierung (25 Prozent).
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Ein gigantischer Posten, um den es traditionell das größte Hauen und Stechen gibt, sind die Finanzleistungen an Länder und Kommunen. Hier geht es 2023 um 135,3 Milliarden Euro, 24 Prozent mehr als zuvor für die Regionen sowie 23,2 Milliarden Euro direkte Zuwendungen an die rund 5.000 Gemeinden, ein Plus von 5 Prozent.
Rund 31 Milliarden Euro wird die Neuverschuldung betragen, das sind 3,9 Prozent und wäre für Brüssel in „Friedenszeiten“ ein Grund zum Einspruch. Doch die Haushaltsnormen mit ihrem Schuldenlimit sind derzeit außer Kraft gesetzt. Bleibt noch festzuhalten, dass Sánchez trotz allem die Steuern senkt, aber nicht für die Reichen. Die Lohn- und Einkommenssteuer (IRPF) für alle mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von unter 21.000 Euro sinken, ebenso die Steuerlast für Kleinbetriebe mit Umsätzen von unter 1 Million Euro sowie die „cuota“, die Pflichtabgabe für Selbständige. Auf der anderen Seite stehen die Sondersteuern für Großverdiener, Banken und Energiekonzerne. Der Saldo: Ein Plus von 3 Milliarden Euro für die Staatskasse - wenn die Pläne aufgehen und das Wachstum nicht völlig einbricht. Die Staatsschuldenquote sinkt wegen der höheren Steuereinnahmen trotz der Mehrausgaben leicht auf 112,9 Prozent des BIP.
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