Sein Parteichef Alberto Núñez Feijóo pries kürzlich als Wunderwaffe im Steuerkarussell die allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer (IVA) auf Grundnahrungsmittel von zehn auf vier Prozent für Spanien an. Eine Maßnahme, die nicht nur Finanzministerin Montero kritisch sieht, die zu bedenken gibt, dass es im europäischen Kontext nicht gut ankommen könnte, EU-Hilfen in Höhe von 140 Milliarden Euro zu erhalten, die mit den Steuern der Bürger der 27 Mitgliedsstaaten finanziert wurden, um dann in Spanien die IVA zu senken.
Montero setzt dagegen auf eine „selektive Steuerpolitik“, also mit dem Skalpell statt nach der Haudrauf-Methode, wie die PP vorschlägt. Denn, wenn eine Stange Brot zehn Prozent teurer wird, bedeutet das nicht dasselbe für eine Person, die 12.000 Euro im Jahr verdient, wie für jemanden, der 500.000 Euro im Jahr einstreicht. Lediglich bei der Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte für Frauen in Spanien lässt die Regierung mit sich reden, sie soll von zehn auf vier Prozent gesenkt werden.
Aber auch von der EU-Kommission selbst bekam die Volkspartei einen Dämpfer. „Man muss vorsichtig sein bei den Folgen einer IVA-Reduzierung“, sagte der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, Paolo Gentiloni, bezüglich einer Mehrwertsteuersenkung in Spanien. „Oft ist es nützlicher, Familien und Unternehmen zu unterstützen, als Steuern zu senken.“
Am Dienstag bemühte sich die PP angesichts des forcierten Rückziehers der britischen Premierministerin Liz Truss, von deren Steuerplänen ebenfalls die Besserverdiener profitiert hätten, zu betonen, dass die Steuerpolitik der PP sich komplett von Truss’ Plänen unterscheide. Allein die Tatsache, dass Feijóo dies betonen muss, zeigt aber, dass dem nicht so ist. Eine Abschaffung der Vermögenssteuer – zusätzlich zu einer Mehrwertsteuersenkung für alle Steuerklassen – würde eben auch in Spanien vor allem die höheren Einkommen begünstigen.
Spaniens Schatzmeisterin Montero kündigte dagegen im Fiskalpaket Steuererleichterungen für mittlere und kleinere Einkommen bis 21.000 Euro an. Auch im Staatshaushalt für 2023 wurden die Sozialausgaben enorm angehoben, um Familien zu entlasten. Auch die Abgaben von Kleinunternehmern sollen sinken, die größerer Firmen steigen. Für Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als einer Million Euro wird die Unternehmenssteuer von 25 auf 23 Prozent gesenkt. Davon profitieren laut Finanzministerium rund 407.000 Betriebe. Andererseits können Unternehmen die Verluste von Tochtergesellschaften steuerlich nur noch zu 50 Prozent geltend machen. Diese Maßnahme betrifft 3.600 große Unternehmen in Spanien, die diese Möglichkeit nutzen.
All diese Maßnahmen greifen aber erst ab dem Steuerjahr 2023, dabei zahlen die Bürger doch dieses Jahr trotz staatlicher Zuschüsse, Hilfen und Subventionen horrende Preise für Strom, Gas, Benzin und Lebensmittel. Die Inflation lag – auch wenn sie gegenüber Juli und August etwas nachgegeben hat – im September noch immer bei neun Prozent. Rückwirkend wie etwa die Region Valencia möchte der Staat die Steuerzahler aber nicht entlasten. Bis jetzt.
Der näher rückende Wahlkampf wird wohl noch so einige Steuerpirouetten provozieren, die Gier nach dem Sieg auf der konservativen Seite und die nackte Angst vor der Niederlage bei den Linken führt zu diesem aberwitzigen Rennen. Der Staat verbucht so viele Einnahmen wie nie zuvor, die Zahl der Beitragszahler in der Seguridad Social in Spanien liegt auf einem Niveau von um die 20 Millionen – Geld ist da, warum also nicht die Bürger, vor allem aber Unternehmen und Selbstständige entlasten, zumal die zusätzlichen Steuereinnahmen immer noch fast doppelt so hoch sind wie die Summe, mit der der Staat Bürger und Firmen entlasten will. Diese Steuerreform schlägt wirklich kein Loch in den Staatssäckel.
Bei der Fiskalpolitik muss die Regierung aber auch äußere Faktoren berücksichtigen. Mag zwar keiner mehr hören, aber das Coronavirus gilt noch immer als eine Pandemie, und niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sehr das öffentliche Gesundheitswesen im Herbst und Winter beansprucht wird. Hinzu kommen der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die völlig unabsehbaren Folgen für Spanien und ganz Europa.
Staat und Regionen haben bereits versucht, den Karren in der Spur zu halten. Die Bürger in Spanien fahren Auto mit subventioniertem Benzin, und viele auch Bus und Bahn umsonst. Der Gaspreis ist gedeckelt und somit wird auch der Strom indirekt subventioniert. Das will alles bezahlt werden. Auch das Gesundheitswesen wird mit Steuern finanziert, das Bildungs- und Sozialwesen übrigens auch. Hört sich wie Binsenweisheiten an, aber ausgerechnet Regionen wie Valencia, Murcia und Andalusien klagen seit Jahrzehnten über eine völlig defizitäre Länderfinanzierung, die es ihnen kaum ermöglicht, ihren Verpflichtungen gegenüber den Bürgern nachzukommen. Jetzt prescht gerade das schwindsüchtige Trio vor mit Steuersenkungen. Da kommt ein wenig der Verdacht auf, dass diese Versprechen nach dem Wahlkampfgetöse vergessen sein werden.