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Eskalation: Streik der Lkw-Fahrer legt Spanien lahm - Trotz Hilfsangebot der Regierung kein Ende in Sicht

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Von: Marco Schicker

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Blockade der LKW-Fahrer und Polizei in Spanien
Immer häufiger kommt es bei den Blockaden zu Konfrontationen zwischen streikenden Lkw-Fahrern, Kollegen, die arbeiten wollen, und der spanischen Polizei. © EFE

Der Streik der Lkw-Fahrer und kleinen Transportunternehmen belastet Spaniens Wirtschaft schwer: Landwirte bleiben ohne Tierfutter, Milch wird weggegossen, Betriebe müssen schließen, Supermärkte leeren sich. Blockaden und Gewalt gegen Kollegen nehmen zu. Einen Zuschuss der Regierung zum Diesel von 500 Millionen Euro lehnt die „Plattform“ ab, weitere Verbände schließen sich dem Streik an. Unternehmer warnen vor einem „Zusammenbruch des Landes“.

Madrid - Die spanische Regierung will den seit 14. März in Spanien andauernden Streik der selbständigen Lkw-Fahrer und kleinen Transportunternehmer mit einer Soforthilfe von 500 Millionen Euro beenden. Zu jedem getankten Liter Diesel soll es einen direkten Zuschuss geben, die Details werden auf der Kabinettssitzung am 29. März beschlossen. Spanien folgt damit dem französischen Modell der Direkthilfen (dort sind es etwa 15 Cent pro Liter), will aber nicht den Abgabenanteil bei den Kraftstoffen senken. Das liegt auch daran, weil in Spanien die geringstmögliche von der EU zugelassene Steuerquote auf Diesel erhoben wird.

LkW-Streik in Spanien weitet sich aus: Neben "Wilden" streiken jetzt auch "Organisierte", Taxifahrer könnten folgen

Nicht nur für die "wilden" Streikenden der "Plattform" ist das zu wenig und vor allem zu unkonkret, die an ihrem "unbefristeten Streik festhalten", wie sie auf Twitter erklären, jetzt steigen auch noch anerkannte Berufsverbände in den Streik ein, weil sie fürchten, sie könnten sonst bei den Hilfen für "die kleinen" Transportunternehmer leer ausgehen. So ist der Verband Fenadismer mit 32.000 Mitgliedern und 50.000 Fahrzeugen aus der Verabredung der Dachorganisationen CNTC und CETM ausgeschert und will ab sofort an den Blockade- und Bummelstau-Aktionen mitwirken. Weitere Organisationen wie Fetransa und Feintra wollen zunächst noch ihre Mitglieder befragen, ob sie sich dem Streik anschließen wollen. Auch einige Taxifahrer-Organisationen denken darüber nach, sich dem Lkw-Streik anzuschließen.

Am Freitag soll es nochmals Verhandlungen zwischen den Verbänden und der Regierung geben, aber nach wie vor nicht mit der "Plattform", die von der Regierung als "von Extremisten unterwanderte Boykotteure" qualifiziert wurden. Deren Anhänger wehrten sich dagegen in die rechte Ecke gedrängt zu werden, auf Plakaten war zu lesen "Hier geht es nicht um Links oder Rechts, sondern um Oben gegen Unten". Allerdings sind Verbindungen zur Gewerkschaft "Solidaridad" offensichtlich geworden, die eindeutig der rechtsextremen Vox zuzuordnen ist und deren Aktivisten alles daran setzen, das Chaos im Lande anzustacheln.

Streikende Transporteure: Spaniens "Regierung verhandelt mit den Falschen"

Die Absage der „Plattform“ gegenüber der Soforthilfe der Regierung war indes deutlich: „Es gab überhaupt kein Gespräch über diesen Vorschlag und wir werden daher mit dem Streik so lange weitermachen bis sich diese Dame (Verkehrsministerin Raquel Sánchez, Anm.) dazu herablässt, mit uns zu reden. Der CNTC (Dachverband der Unternehmerverbände des Transportwesens) ist nicht zu solchen Verhandlungen legitimiert, denn er vertritt genau jene Unternehmen, die unsere Probleme erst geschaffen haben. Sie sind es, die einen Transportauftrag für 1.000 Euro annehmen, davon aber nur 500 Euro an uns Transporteure weitergeben. Wir brauchen ein Gesetz, dass die Deckung unserer Kosten garantiert“, so Manuel Hernández von der Plattform. „Die Regierung verhandelt mit den Falschen“. Er betont, dass die seit über einem Jahr stark steigenden Dieselpreise, die seit dem Ukraine-Krieg nochmals einen Sprung gemacht haben, „nur ein Teil des Problems“ sind.

LKW-Streik in Spanien: Polizei eskortiert "lebenswichtige Güter", erste Supermärkte und viele Betriebe müssen schließen

Während dieser medialen Scharmützel verhärtet sich der Lkw-Streik in Spanien, die Auswirkungen sind in fast allen Branchen und auch im Alltag der Konsumenten nicht mehr zu übersehen. Die Polizei ist weiter täglich mit 24.000 Beamten im Einsatz, um jenen freie Fahrt zu ermöglichen, die nicht streiken wollen. Nationalpolizei und Guardia Civil haben seit Streikbeginn 44 Menschen verhaftet, gegen 377 weitere ein Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie 1.900 Konvois mit "lebenswichtigen Gütern" begleitet, so das Innenministerium.

Lkw-Fahrer in Spanien streiken weiter
Die Lkw-Fahrer in Spanien streiken weiter, trotz 500 Millionen Euro Hilfsangebot der Regierung. Hier ein Bummelstreik in Málaga. © EFE

Während manche Handelsketten, wie Mercadona, auf eigene Transportnetzwerke zurückgreifen können, sind andere gleich mehrfach vom Streik betroffen. So musste Lidl bereits die ersten Filialen (in Gijón) wegen des Ausbleibens von Lieferungen schließen, bei Aldi sind vor allem in Andalusien die Regale mit Frischwaren leer: Obst, Gemüse, Fleisch, Milchprodukte, Fisch, weil die Großmärkte blockiert werden, Lkws nicht zu den Supermärkten durchkommen oder Ware nicht in die Umschlagzentren gelangt. Der Mangel heizt zudem Panik bei den Konsumenten an, Hamsterkäufe nehmen zu. Außerdem wird wegen des Ukraine-Krieges immer weniger Mehl, Sonnenblumenöl und Grundstoff für Tiernahrung geliefert.

Streik in Spanien kostet bereits Milliarden: Landwirte fürchten, dass ihr Vieh verhungert

Etliche Branchen mussten zudem die Produktion einstellen. In Asturien und Galicien werden täglich Hektoliter Milch weggeschüttet, weil sie nicht abgeholt werden kann. Stahlerzeuger, Autoindustrie, Mühlen, aber auch Brauereien bleiben ohne Grundstoffe oder fertige Ware schafft es nicht aus den Betrieben. Der Schaden für die spanische Wirtschaft wird bereits auf rund eine Milliarde Euro beziffert, durch den Domino-Effekt würden sich die Verluste aber exponentiell steigern, täglich kämen Umsatzausfälle von 200-300 Millionen Euro hinzu.

Leere Regale, Aldi in Antequera (Málaga
Aldi in Antequera (Málaga). © Marco Schicker

Dramatisch wird es besonders für Spaniens Fischer, die ohnehin schon kaum noch aufs Meer fahren, weil für sie auch die Dieselpreise nicht mehr tragbar sind. Tun sie es doch, riskieren viele, ihren Fang mangels Transportmöglichkeiten oder Blockaden nicht los zu bekommen. Der Verband der Tierfutterversorger, Cesfac, klagt, dass den Viehzüchtern die Reserven ausgehen, "ein Großteil der Höfe in Spanien steht vor dem unmittelbaren Zusammenbruch wegen des wilden Streiks", so Cesfac in einer Aussendung. Allein im Hafen von Huelva werde derzeit ein Konvoi von 50 Lkw mit Tierfutter blockiert, der die Viehzüchter in Andalusien und Extremadura beliefern soll. "Ab Dienstag, 22. März, gibt es kein Futter mehr", erklärten sie in "ABC".

Steine auf Kollegen, zerstochene Reifen: Blockaden und Gewalt in Spanien nehmen zu

Immer mehr Lkw-Fahrer, die eigentlich gar nicht streiken wollten, bleiben indes auch aus Angst von der Straße. Zerstochene Reifen, Handgreiflichkeiten und Beschimpfungen sind Teil des Aufstands der Brummi-Fahrer geworden, die alle Kollegen, die noch fahren, als Verräter ansehen. In Antequera wurde ein "Streikposten" verhaftet, nachdem er einen Ziegelstein auf einen Kollegen geworfen hatte, andere Verhaftungen gab es nach Steinwürfen von Autobahnbrücken.

Besonders "umkämpfte" Gebiete sind die Häfen, die großen Logistikcenter und Industrieparks, aber auch Frachstationen der Bahn, die als Umschlagplätze dienen sowie die Großmärkte wie MercaMadrid, MercaSevilla und so weiter. Für die Industrie sind vor allem der Freihafen von Barcelona, die Zona Franca de Barcelona sowie die Häfen von Tarragona und Valencia Achillesversen, für landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe sowie Fische und Meeresfrüchte sind es vor allem die Häfen in Andalusien und ihre vorgelagerten Stützpunkte, wie der Polígono Trevenez in Málaga, die von den Streikenden blockiert werden. Durch diese Art des Streiks leiden zunehmend auch die Produzenten, am härtesten jene, die Frischware auf den Markt bringen wollen: Jene spanischen Landwirte also, denen selbst schon das Wasser bis zum Hals steht, sprichwörtlich, denn buchstäblich geht es ihnen bekanntlich zunehmend aus.

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