Manuel Hernández ist nicht nur Brummi-Fahrer, sondern auch Präsident der "Plataforma para la Defensa del Sector del Transporte de Mercancías por Carretera", der Platform für die Verteidigung der Warentransporteure auf der Straße. 75.000 Lkw-Fahrer, vor allem Selbständige und Kleinunternehmer, so schätzt und hofft Hernández, werden ab Montag, 14. März, 0.00 Uhr, in ganz Spanien in einen unbefristeten Streik gehen.
Möglicherweise legen sie mit dem "paro nacional" auch das ganze Land durch Straßenblockaden lahm oder zuerst nur einige Städte, "die Plattform" hält sich dahingehend noch bedeckt. Nur, dass der Lkw-Streik in Spanien diesmal "unbefristet" sein wird und wirklich stattfindet, das stehe fest, so Hernández. Denn "solange unsere wichtigsten Forderungen nicht erfüllt werden, können wir einfach nicht mehr losfahren", so Hernández. 90 Prozent aller Transporteure stehen vor dem Aus, wenn sich nichts ändere. "Drei Tage würde es dauern, bis sich Regale leeren", wenn wirklich Zehntausende Lkws Spaniens Straßen blockierten.
"Die Gelbwesten kommen auch nach Spanien" titelten schon einige Zeitung die Ankündiung des Lkw-Fahrer-Streiks und stellen sie ein bisschen wie Outlaws da, malen die Bilder brennender Barrikaden und Straßenschlachten mit der Polizei in Paris in den spanischen Himmel. Denn der Protest der Plattform wird weder von den großen Gewerkschaften CC.OO. und UGT, noch von den führenden Arbeitgeber- und Berufsverbänden der Transportbranche getragen, die im Comité Nacional del Transporte (CNT) zusammengeschlossen sind. Diese, wie die Gewerkschaften, sehen die angekündigten Proteste daher auch als nicht legitim an, das sei kein Streik, sondern ein wilder Aufstand. CNT rief sogar offen zum Streikbruch auf und fordert von den Behörden "Maßnahmen, den Zusammenbruch des Transports auf den Straßen und der Lieferketten zu verhindern". Stehen in Spanien Szenarien wie jüngst in Kanada an?
Die spanische Regierung hält sich zunächst an die bequemeren Sozialpartner und will vorerst mit der Plattform nicht verhandeln, was die selbständigen Lkw-Fahrer nur umso wütender macht, denn sie würden zwischen Gewerkschaften und Transport-Lobby zerrieben und nicht durch fairen Wettbewerb. Der CNT und die Gewerkschaften wurden kurz vor Weihnachten von der Regierung mit einem Kompromiss ruhiggestellt. Ein Real Decreto Ley, also ein Gesetz ging am 10. März durchs Parlament, das einige der Forderungen der "Großen" erfüllten, wie das Verbot, Fahrer an der Be- und Entladung zu beteiligen. So verhinderte die spanische Regierung einen Lkw-Streik mitten im Weihnachtsgeschäft.
"Doch das Hauptproblem blieb ungelöst, das besteht darin, dass verboten werden muss, dass für Transportleistungen Preise bezahlt werden dürfen, die unter den Kosten liegen", reklamiert Hernández die zentrale Forderung seiner Plattform ein. Eigentlich ist das auch verboten, doch bei der Berechnung dieser Kosten fallen bei den großen Spediteuren etliche Posten durch Splittung auf alle Angestellten oder Fahrzeuge deutlich niedriger aus als bei einem selbständigen Fahrer mit nur einem oder zwei Fahrzeugen oder kleinen Kooperativen.
Eine weitere, wesentliche Forderung: Ein Moratorium für Fahrer aus anderen EU-Staaten zur Aufnahme von Ware in Spanien. Damit will die Plattform verhindern, dass Transporteure, um Leerfahrten zu vermeiden, zu Dumpingpreisen "Ware auflesen", um wenigstens ein paar Kosten zu decken. Das würde das Preisgefüge aber weiter "unrentabel" machen, am Ende für alle.
Rund 70 Prozent "unserer Verbündeten" von der Plattform unterstützen den Streik ab Montag. "Es werden also rund 75.000 Lkw stehenbleiben" und uns rufen auch Unternehmer und Angestellte von Transportfirmen an, die zum CNT gehören, die uns verstehen und mitmachen wollen, weil sie "wissen, dass unser ganzer Sektor vor dem völligen Zusammenbruch steht und der Regierung und dem Land klarmachen wollen, dass wir keine Idioten sind", so Hernández.
Für diese halten sie aber offenbar die "großen Geier", wie Hernández Großspeditionen nennt, die unter anderem in der Confederación Española de Transporte de Mercancías, CETM, zusammenschlossen sind. Die würden unter den hohen Spritpreisen, bald über 2 Euro pro Liter Diesel oder Flüssiggas, zwar auch leiden, hätten aber den längeren Atem "als wir Kleine". Ihnen käme die Pleite tausender Selbständiger oder deren Unterwerfung unter die großen Firmen als angestellte Fahrer gelegen, um Marktanteile zu erhöhen, ist sich die Plattform sicher. CETM fordert in harschen Worten eine sofortige Deckelung der Treibstoffpreise für Transporteure und besser auch noch umstandlose Subventionszahlungen, sonst würde "die Lieferketten kollabieren".
Doch die Plattform, die sich jetzt die Warnwesten anzieht und die Lkws abstellt, warnt genau vor diesem Szenario. Subventionierte Treibstoffpreise würde die Transportkosten zwar senken, aber auch die Erlöse, weil die Auftraggeber ihre Tarife unmittelbar anpassen. Den Großen sei das zwar schmerzhaft, aber hinnehmbar, solange sie die Aufträge überhaupt bekommen, für die Kleinen aber ist dieser Mechanismus ruinös, "tödlich". "Vier Tage nach einer Preissenkung beim Treibstoff, stehen wir wieder vor dem gleichen Problem", so Manuel Hernández, den die Entsolidarisierung durch den Sektor und die Gewerkschaften schmerzt. "Es hat aber keinen Sinn zu arbeiten, wenn man davon nicht leben kann und nur Verluste einfährt."
Hernández geht noch weiter und hofft, dass sich auch die Fischer, die teilweise auch nicht mehr aufs Meer fahren und die Taxifahrer und natürlich die Landwirte anschließen, die bereits seit Wochen in Einzelaktionen protestieren und "die alle vor dem gleichen Problem" stünden, ebenso wie alle Bürger, "denn das ist doch ein Dominoeffekt der Kostensteigerung", den man an der Inflation ablesen könne.
"Die traditionellen, subventionierten Gerwerkschaften reden viel im Fernsehen, tun aber wenig für die Menschen auf der Straße", erregt sich der Plattform-Präsident. Und auch sein Verband, jener der selbständigen Transproteure, Fenadismer, zeigt sich wenig entschlossen und fordert in einer Stellungnahme dazu auf, "die Kollegen zu unterstützen, die am Streik teilnehmen wollen, aber auch jene nicht zu behindern, die entscheiden, weiter zu arbeiten". Immerhin, mit Fenadismer spricht die Regierung. Doch mehr als "Maßnahmen gegen die exzessiven Preissteigerung" fällt dem Verband auch nicht ein. Deshalb ziehen Manuel Hernández und seine Kollegen am Montag ihre gelben Westen an.
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