Brot statt Diesel: Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel in Spanien entfällt für 6 Monate - Tankrabatt nur noch für Gewerbe

Eine Einmalzahlung soll den Tankrabatt für Private in Spanien ersetzen. Damit soll den wirklich Bedürftigen geholfen werden. Die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel wird gestrichen oder gesenkt.
Update, 27. Dezember: Auf der letzten Kabinettssitzung 2022 hat die spanische Regierung nun einige verbindliche Beschlüsse gefasst, die Regierungschef Pedro Sánchez auf einer Pressekonferenz kundtat: Folgende Hauptpunkte enthält das 3. Inflations-Hilfspaket in Spanien:
- Die Mehrwersteuer auf Grundnahrungsmittel wird per 1. Januar 2023 für 6 Monate von 4 auf 0 Prozent gesenkt. Das betrifft Brot, Mehl, Milch, Käse, Eier, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Getreide. Die IVA auf Öl und Nudeln wird von zehn auf fünf Prozent gesenkt.
- 4,2 Millionen Haushalte mit etwa 15 Millionen Menschen mit einem Haushaltseinkommen von jährlich je unter 27.000 Euro bekommen einen Einmal-Scheck über 200 Euro.
- 30 Prozent Nachlass auf Monatskarten und andere Mehrfach-Fahrscheine im öffentlichen Personennahverkehr (städtisch und interurban, bisher nur auf Renfe-Strecken), der von Kommunen oder Regionen auf 50 Prozent ausgeweitet werden kann.
- Beibehaltung der Steuer- und Abgabensenkungen auf die Strom- und Gasrechnungen bis Ende Juni. Preise für Butan-Flaschen bleiben eingefroren.
- Mieten für privaten Wohnraum dürfen bis 31. Dezember 2023 höchstens um 2 Prozent angehoben werden.
- Wohnungsräumungen mangels Einkommen bei Familien bleiben untersagt, die Abschaltung von Strom und Wasser wegen Zahlungsunfähigkeit ebenso.
- Die Zuzahlungen für die Betankung privater Autos entfällt, jene für den professionellen Bereich (Transportgewerbe, Landwirtschaft, Fischerei) bleiben bestehen und werden am Monatsende ausgezahlt.
- Sonderhilfe von 120 Millionen Euro für die Fischereiwirtschaft.
- Die Renten werden um 8,5 Prozent angehoben.
- Der gesetzliche Mindestlohn wird erhöht, die Höhe steht noch aus.
Erstmeldung 21. Dezember, Madrid - Die Justizreform, die derzeit von der konservativen Mehrheit des Verfassungsgerichtes blockiert wird, kostet Pedro Sánchez Wählerstimmen. Die Mehrheit der Spanier glaubt nämlich, dass die Reform des Hinterziehungsparagraphen „die Politiker begünstigen“ wird, auch wenn das Gegenteil das erklärte Ziel sei. Außerdem gefällt vielen nicht, über das Strafgesetz „Frieden“ mit Katalonien zu schließen, es riecht nach einem faulen Deal. Sánchez‘ Ruf bei seinem Krisenmanagement ein Händchen für das Soziale zu haben, wird vom Getöse der Opposition übertönt - oder ist es sein eigenes Stolpern? Sánchez‘ Nimbus bröckelt.

Auch Spaniens Wähler sind unbestechlich, aber käuflich, denn Geld ist, was den meisten Spaniern derzeit fehlt. Ein neues, ein drittes Hilfspaket soll daher noch vor Jahresende 2022 verabschiedet werden: Der pauschale Tankrabatt für Private in Spanien von 20 Cent pro Liter wird zum Jahr 2023 wohl auslaufen, damit Geld für die gezielte Hilfe für bedürftige Haushalte frei wird. So sieht der Stratgiewechsel der spanischen Regierung beim Kampf gegen die Auswirkungen der Inflation aus, die noch den „Mittelstand“ als Zielgruppe nannte, ohne dabei auf diese Gruppe zugeschnittene Maßnahmen zu erwähnen.
Spaniens neues Hilfspaket: Einmalig 300 Euro für Haushalte mit geringen Einkommen
Konkret geht es zunächst um einen Scheck über 300 Euro, der an alle Haushalte mit einem Jahreseinkommen von unter 14.000 Euro (also bis gesetzlicher Mindestlohn bei Vollzeit) gehen soll, das wären um die 17 Millionen Haushalte, rund 5,5-7 Milliarden Euro würde das die Regierung kosten, in etwa so viel, wie sie 2022 für den Tankrabatt ausgab. Schlimm genug, dass es so viele Haushalte im prekären Einkommensbereich gibt, müssen diese den Scheck aber selbst beantragen, er wird nicht automatisch zugestellt. Außerdem soll der SMI, der gesetzliche Mindestlohn in Spanien, derzeit 1.000 Euro in 14 Zahlungen, für 2023 um 46 bis 82 Euro angehoben werden, wie eine Expertengruppe der Regierung nun empfohlen hat, - in der freilich keine Arbeitgebervertreter mitmachten, die jedes Mal den Zusammenbruch der Wirtschaft prognostizieren, wenn den Arbeitseseln etwas mehr Heu zugeteilt wird.

Regierungschef Sánchez hatte gezielt Hilfen im Kampf gegen steigende Lebensmittelpreise angekündigt, denn deren Anstieg von rund 15,3 Prozent über die vergangenen 12 Monate liegt mehr als doppelt so hoch wie die Inflationsrate in Spanien. Diese betrug zum November 6,8 Prozent und war damit auch die niedrigste im gesamten Euro-Raum, dies aber wiederum nur durch direkte Eingriffe wie die 20-Cent-Gutschrift auf jeden Liter Benzin oder Diesel, der auch Millionären zu Gute kam. An den Tankzuschüssen für das Transportgewerbe, die Landwirtschaft und die Fischerei wird nicht gerüttelt, auch werden 2023 die Steuerrabatte oder -moratorien auf den Gas- und Stromrechnungen weitergehen. Ebenfalls sollen die Rabatte für Pendler auf den Renfe Nahverkehrszügen und Cercanías bestehen bleiben, ergänzt um freiwillige Nachlässe auf Bus- und Bahnfahrten auf Landesebene oder kommunal.
Mehrwertsteuersenkung auf Grundanhungsmittel in Spanien würde von Handelketten ausgenutzt
Der Verdacht, dass die großen Lebensmittelhandelskonzerne die Preise künstlich treiben, auf Kosten der Konsumenten wie der Erzeuger, die Preissteigerungen also nur zum Teil etwas mit gestiegenen Erzeugerpreisen, Transport- und Lagerkosten oder höheren Betriebskosten der Supermärkte zu tun haben, liegt nicht nur nahe, sondern für die Regierung auf der Hand. Allerdings ist eine Einmalzahlung, noch dazu in dieser Höhe, keine adäquate Antwort. Laut Statistikamt INE gab jede spanische Familie 2022 um die 700 Euro mehr für Lebensmittel aus. Und es ist auch zu bedenken, dass Familien mit geringen Einkommen tanken müssen, um dieses Einkommen zu verdienen. So könnte der 300 Euro-Gutschein vielleicht gerade den weggefallenen Tankrabatt ausgleichen, was einem Schildbürgerstreich gleichkäme.
Arbeitsministerin Yolanda Díaz, die Pedro Sánchez regelmäßig von links ins Schienbein tritt, erklärte daher auch, dass die von der Opposition geforderte generelle Senkung der Mehrwertsteuer „nicht den gewünschen Effekt bringe, sondern nur den großen Konzernen helfe“, nämlich, weiter ihre Gewinner zu steigern. Sei es durch schleichende Preiserhöhungen über die Zeit, Tricks bei Verpackungsgrößen und Füllmengen oder Erfindungsreichtum „neuer“ Marken. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, die von der PP nach wie vor als Allheilmittel bezeichnet wird, hätte dagegen nur einen geringen Effekt für den Konsumenten, denn die meisten Nahrungsmittel stehen schon unter ermäßigter IVA von 4 Prozent (Brot, Mehl, Gemüse) oder 10 Prozent (Pasta, Öl, Fleisch, Fisch, Konserven) und nicht wie zuvor der Strom beim Höchstsatz von 21 Prozent.
Das Bild hängt schief: Spaniens Regierungschef Sánchez verliert Nimbus als Krisenmanager
Podemos fordert knallhart, die Sondersteuer auf „Sondergewinne“, wie sie Banken und Energiekonzerne zahlen müssen, auch auf die Handelsketten und damit die Supermärkte auszuweiten. Was die Regierung Sánchez in Betracht zieht: Nachlässe auf die Stromrechnungen der Supermarktketten, wenn die bei einer Liste von Nahrungsmitteln auf Preiserhöhungen verzichten. So profitierten Kunden wie Supermärkte. An dem Warenkorb für diesen Handel arbeiten Díaz Mitarbeiter seit Wochen, kommen aber auf keine Einigung mit den Handelsketten. Das Grundproblem: Ein Preisdiktat und sei es auch für Grundnahrungsmittel, lässt sich juristisch kaum durchsetzen und das wissen Mercadona, Carrefour, Lidl und Co. sehr gut.

Das dritte Hilfspaket der Regierung Sánchez wird rund zehn Milliarden Euro kosten, die Hälfte davon entfällt allein auf die Nachlässe bei der Stromrechnung. Beschlossen werden soll es auf der letzten Kabinettssitzung Ende Dezember 2022, damit es pünktlich zum neuen Jahr 2023 in Kraft treten kann. Möglich also, dass Sánchez zu Weihnachten noch einen überraschenden Bonus auspackt, um die Stimmung im Land wieder zu seinen Gunsten zu wenden. In einer aktuellen Wahlumfrage liegt nicht nur die PP bereits 4 Punkte vor der PSOE, sondern der konservative Herausforderer Feijóo schließt in den Beliebtheitswerten zu Sánchez auf, und das ist wirklich unerhört. Und auch seine Vize, Yolanda Díaz, ausgerechnet die „Kommunistin“ im Kabinett, liegt vor ihm.
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