Auch in Spanien gebe es praktisch kein Miteinander mit Russen. „Wenn mich jemand etwas auf Russisch fragt, dann antworte ich auf Spanisch“, meint Julias Schwester, Olena Zelinska. Und Antonina Rogalska fügt hinzu: „Ich bin Lehrerin für Russisch und Weltliteratur, aber wenn ich jetzt jemanden Russisch sprechen höre, dann stößt mich das so sehr ab, dass ich gehen muss“, gesteht sie. „Das hätte ich mir nie vorstellen können.“
Ihnen sei immer klar gewesen, dass der russische Präsident nicht aufhören würde. „Zuerst die Ukraine, dann Polen und so weiter, bis Spanien, er will alles“, ist Mikola Bilyachenko überzeugt. Die Widerstandskraft des ukrainischen Volkes gegen die russische Invasion führen sie auf die Geschichte zurück. „Wir leben seit 800 Jahren mit dem Krieg, seit über 300 mit Russland“, meint Antonina Rogalska. „Deswegen besitzt die Ukraine diese Stärke und diesen Stolz, um das Land und seine Menschen zu verteidigen.“
Das ukrainische Volk sei sehr geeint, meint Bilyachenko. „Ich glaube, die Ukraine ist die einzige Nation, die Russland die Stirn bieten kann, deshalb brauchen wir Hilfe und Unterstützung in Form von Waffen, denn wir geben unser Leben, das restliche Europa muss zumindest das Geld geben“, sagt der 49-Jährige. „Wir sind wie eine Wand, die ganz Europa verteidigt“, meint Rogalska. „Wir sind nicht dort, aber wir arbeiten Tag und Nacht für die Ukraine, denn es ist unser Krieg und es ist unsere Pflicht“, sagt die 62-Jährige, die vergangene Woche ihren Sohn in Charkiw besucht hat, einer der am meisten von russischen Bomben zerstörten Städte.
Auf die Frage, wie die Situation dort ist, gerät die sonst so resolute Ukrainerin ins Stocken und kämpft mit den Tränen. „Es ist sehr hart und schwierig, der Strom fällt immer wieder aus, das Netz bricht zusammen, die Heizung funktioniert nicht“, erzählt sie. „Ich bin seit einer Woche wieder hier, aber meine Gedanken sind immer noch dort, ich bin am Boden zerstört. Es ist so traurig, die Straßen ohne Kinder zu sehen.“
Rund 100 Flüchtlinge seien nach Ausbruch des Krieges nach Mutxamel gekommen. Doch im vergangenen Sommer seien viele in die Ukraine zurückgekehrt. „Zum einen, weil es hier schwierig ist, es gibt keine finanziellen Hilfen, und die Mieten sind unglaublich gestiegen“, sagt Rogalska. Viele seien aber auch wegen ihres Arbeitsplatzes in die Ukraine zurückgekehrt. „Manche wollten, dass ihre Kinder zum Schuljahresbeginn wieder in der Heimat sind, wieder andere hatten Familienangehörige dort und machten sich Sorgen. Es gibt viele Gründe.“
Vor allem für ältere Flüchtlinge sei es auch sehr hart, hier in Spanien zu sein. „Sie sind wie ein Baum, den man ohne die Wurzel abgeschnitten und in ein anderes Land versetzt hat“, vergleicht sie. Auch Mikola Bilyachenko hatte im März 2022 seine Eltern und Schwiegereltern nach Spanien geholt. Auch sie kehrten im Sommer in die Ukraine zurück. „Sie wollten zurück zu ihrem Haus und sagten, wenn wir sterben müssen, dann wollen wir zu Hause sein“, erzählt der 49-Jährige.
Sehr dankbar seien sie für die Solidarität, die sie seit Ausbruch des Krieges erfahren hätten, etwa von der Grundschule Arbre Blanc, die eine große Spendensammlung veranstaltet habe. Aber auch von den Rathäusern in Mutxamel, Sant Joan, Alicante und San Vicente habe der Verein viel Unterstützung bekommen. „Die Spanier reagieren immer großartig auf Solidaritätsaktionen“, meint Antonina Rogalska.
Und was erhoffen sich die Ukrainer von der Zukunft? „Wir hoffen, dass wir diesen Krieg gewinnen und zu unseren Grenzen von 1991 zurückkehren“, meint Mikola Bilyachenko. „Und dann müssen wir sehen, wie wir diese Zukunft sichern können und mit wem, vielleicht mit der Nato, sonst wird das wieder passieren.“