Kommentare in den Sozialen Netzwerken schmücken diese Entwicklung aus: Wir sind vom „Ich kann mir nicht mehr erlauben, Fisch zu kaufen“ übergegangen zu: „Ich kann mit nicht mehr erlauben, eine Wassermelone zu kaufen“. Eine anderer Nutzer: „Wäre schön, in der Lotterie zu gewinnen, damit ich mir eine Wassermelone kaufen kann.“ Wieder ein anderer meint: „Wir müssen uns entscheiden, kaufen wir uns eine Wassermelone oder fahren wir in den Urlaub.“ Wer alleine lebt, ist in diesen Tagen ohnehin der Dumme. Er zahlt den Single-Satz der Inflation. Für Alleinlebende ist das tägliche Leben noch einmal deutlich teurer als für Paare oder Familien.
In den Supermärkten müssen sich die Mitarbeiter ständig Beschwerden anhören. Unversehens ist die Wassermelone zum Gradmesser für den Frust geworden, den Spaniens Verbraucher über die steigenden Lebensmittelpreise schieben. Diese tragen inzwischen am meisten zur Inflation bei. Auf sie allein entfallen zwei Prozentpunkte der Teuerungsrate von 8,7 Prozent im Mai. Der Anteil ist höher als der von Strom. Insgesamt haben sich Lebensmittel und Getränke laut Nationalem Statistikinstitut (INE) im Schnitt um elf Prozent verteuert. So viel wie noch nie.
Doch der für den Verbraucherpreisindex herangezogene Warenkorb spiegelt naturgemäß nicht die Bedürfnisse jedes Einzelnen, ist ein Quer- und Durchschnitt, denn natürlich setzt sich dieser Warenkorb bei älteren Menschen anders zusammen als in Familien mit kleinen Kindern.
Nachfolgend eine Auswahl von Produkten und Dienstleistungen, die wir alle mehr oder weniger konsumieren und ihre Verteuerung über die vergangenen 12 Monate in Spanien. Auch hier ist es ein Landes- und Jahresschnitt, natürlich kann in Ihrem Supermarkt um die Ecke der Anstieg anders ausgefallen sein und regionale Unterschiede sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Immerhin, ein Posten ist sogar billiger geworden, nämlich der Mobilfunk, -1,3 Prozent. Damit können wir unser Leid preiswert weitererzählen, sollten uns aber dennoch kurz fassen, denn Handys werden bekanntlich mit dem Luxusgut Strom aufgeladen.
Die Folge der Teuerung liegt auf der Hand: Die Spanier schnallen den Gürtel enger. Denn das Realeinkommen wächst nur in einigen Sektoren, in einigen Provinzen sinkt es sogar, etwa solche, wo schlecht bezahlte Kellnerjobs, die es jetzt zwei Jahre gar nicht gab, die Statistik "versauen". In Málaga z.B. stiegen die Mieten binnen eines Jahres um fast zehn Prozent, die Reallöhne aber sanken um fast 4 Prozent.
Spanienweit wird der reale Kaufkraftverlust offiziell mit 3,7 Prozent im ersten Quartal angegeben. Die spanische Nationalbank drosselte zudem erneut ihre Wachstumserwartungen an die spanische Wirtschaft von 4,5 auf 4,1 Prozent, vor allem wegen rückläufigen Konsums. Zwar werde sich das Konsumentenvertrauen in der zweiten Jahreshälfte erholen, so die Zentralbank, aber der private Konsum werde im Vergleich zum Vorjahr allenfalls um schwache 1,4 Prozent zulegen.
Die Marktforscher von Kantar stellten per Umfrage Ende März fest, dass 89 Prozent der Haushalte meinen, man könne nicht mehr einkaufen gehen, ohne nicht ganz genau auf den Preis zu achten. 61 Prozent äußerten, aktuell sei kein günstiger Moment, um bestimmte Ausgaben zu tätigen. 45 Prozent der Befragten gaben an, ihren normalen Einkauf bereits reduziert zu haben.
Nochmal zur Wassermelone: Laut Erzeugerverbänden sind vor allem Transport und der Handel Schuld an exorbitanten Obst- und Gemüsepreisen, denn die Erzeuger würden die gestiegenen Kosten nicht einmal ansatzweise decken können, die Erzeugerpreise hätten sich lediglich um 4,6 Prozent erhöht, so der Verband MAPA. Hinsichtlich der Wassermelone verweisen die Produzenten auch daraufhin, dass der Saisonauftakt immer etwas teurer ausfällt, sich die Preise aber dann normalisieren, bis hin, dass einem die sandías irgendwann als Sonderangebote hinterhergeworfen werden. Dann schmecken sie übrigens auch am besten.
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