Bürgermeister Kichi hatte in Cádiz im September 2022 eine Regelung in Kraft gesetzt, die im Zentrum von Cádiz die Einrichtung von Ferienwohnungen, also touristisch genutzten Apartments, auf eine bestimmte Prozentzahl am Gesamtbestand von Wohnungen beschränkte. Dagegen wandte sich die Lobby-Vereinigung von Investoren im Ferien-Apartment-Bereich, Asociación de Profesionales de Viviendas y Apartamentos Turísticos de Andalucía (AVVAPro), an die Landesregierung, konkret an das Amt für Zuständigkeiten (Agencia de la Competencia), das eine Komptenzüberschreitung des Bürgermeisters von Cádiz feststellte und deswegen vor Gericht ging.
Der Sieg von „Kichi“ von der linken Partei Adelante Andalucía über die konservative PP-Landesregierung ist daher auch ein politischer, nämlich jener Bürgermeister, die gegen die Gentrifizierung, die Entvölkerung der Innenstädte etwas unternehmen wollen, gegen jene, die sich klar als Lobbyisten für Hoteliers und Immobilienunternehmen im Apartment-Bereich positionieren.
Das Urteil ist eine Präzdenz für ganz Andalusien, damit ist auch ein weiterer Rechtsstreit gegen den PSOE-Bürgermeister in Sevilla hinfällig, der in der Altstadt Touristen-Apartments nur noch im Erdgeschoss und im ersten Stock zulässt, wogegen die Landesregierung auch klagen wollte. Die Junta de Andalucía hat nun ein Dekret angekündigt, „das den Investoren Rechtssicherheit geben soll“. In diesem Dekret wird der Richterspruch, der endgültig ist, politisch verankert. Der Tourismusminister der Landesregierung, Arturo Bernal, machte durch die Blume klar, zu versuchen, die Kriterien für die vom Gericht vorausgesetzte „Sättigung“ selbst zu definieren, womit die Bürgermeister wieder vor Gericht ziehen müssten, denn die Richter hatten dieses Kriterium ausdrücklich in ihre Hände gelegt.
Das Urteil der Richter in Sevilla ist auch deshalb sehr interessant, weil es künftig verhindern kann, dass Investoren lokale Limitierungen bei der Errichtung von Ferien-Apartments einfach umgehen, in dem sie das ganze Gebäude kaufen und „umwandeln“. Diese Umwandlung muss nun über den Flächennutzungsplan gehen, daher haben Rathäuser Eingriffsrechte. Neben den Stadtzentren der großen Zentren für den City-Tourismus in Andalusien, hat das Urteil aber auch Einfluss auf die Zustände in den Küstenorten wie Marbella, Torremolinos oder Torrox Costa. Zwar können bestehende Lizenzen für Touristen-Apartments nicht rückwirkend unwirksam gemacht werden, doch viele Ferienwohnungen sind noch gar nicht für die gewerbliche Kurzzeitvermietung zugelassen. Diese Zulassung wurde bis dato zwar lokal überprüft, aber von der Landesregierung genehmigt. Hier können Bürgermeister nun direkt eingreifen und neue Lizenzen verhindern.
Das Gericht konnte sich aus Sicht der linken Parteien keinen bessern Zeitpunkt für das Urteil, mitten im Wahlkampf zu den Kommunalwahlen in Spanien am 28. Mai aussuchen. Zwar tritt Kichi in Cádiz nicht nochmal an, gibt aber seiner Partei Adelante Andalucía Aufwind, denn das Thema Gentrifizierung ist in den betroffenen Vierteln mitunter wahlentscheidend. Cádiz hat sich im Zentrum noch „normales Leben“ bewahrt, doch in Barrios wie Mentidero oder Pópulo sowie rund um La Caleta und La Viña kippten sowohl die Lage wie die Stimmung bereits. Auch El Puerto de Santa María, das derzeit einen Hotel- und Apartment-Boom erlebt, spielt das Urteil eine Rolle, wenn der Bürgermeister das will.
Nun bekommt zum Beispiel auch der PSOE-Kandidat für Málaga um das Amt des Bürgermeister, Dani Pérez, neue Munition im Wahlkampf. Der PP-Amtsinhaber Francisco De la Torre hatte sich bis dato immer auf die „Zuständigkeit der Landesregierung“ zurückgezogen, wenn es darum ging, die massive Invasion von Ferien-Apartments in Málagas Zentrum anzusprechen oder gar zu verändern. In manchen Stadtteilen wie La Merced gibt es bereits mehr Ferienwohnungen als normale Wohnungen, in Málagas Altstadt insgesamt sogar mehr Airbnb-Apartments als Einwohner. Daraus resultieren neben dem massiven Anstieg der Mieten sowie einem dramatischen Rückgang des Angebotes von Mietwohnungen für Langzeitverträge, noch eine Reihe anderer Probleme im Zusammenleben. In Málaga, Sevilla, Cádiz, Granada geht es um Lärm, Müll, das Verschwinden von Infrastruktur wie Banken oder kleiner Läden zu Gunsten von Franchise-Gastronomie oder Souvenirläden-Ketten.
Das TSJA stützte sich bei der Urteilsfindung auf etliche Fälle aus anderen Regionen Spaniens, wo Gerichte schon vor Jahren die Kompetenz der Rathäuser in Sachen Ferien-Apartments anerkannten und verankerten, dazu zählen Barcelona, San Sebastián, Palma de Mallorca sowie auch die Region Valencia. Anhand der Umsetzung lässt sich aber das gleiche Rechts-Links-Gefälle wie in Andalusien feststellen. Während linke Parteien eher auf Limitierung von Airbnb und Co setzen, - mit unterschiedlichem Erfolg - regieren Mitte-Rechts-Regierungen fast immer im Interesse der Immobilien-Investoren. Mehr zum exzessiven Airbnb-Tourismus in Málaga, Sevilla und Cádiz.
Es sind nämlich weniger die Besitzer einer Zweitwohnung, die diese zeitweise vermieten, um ein paar Euro nebenher zu machen, sondern massive Investment-Fonds oder Privatinvestoren mit Geld aus aller Herren Länder und nicht immer transparenter Herkunft, die die Probleme der Übersättigung in Spaniens Innenstädten verursacht haben und die die Politik zu lange weitgehend unkontrolliert gewähren ließ. Die Lobby behauptet, dass die Zahlen zur Übersättigung „falsch und dramatisiert“ seien, die historische Substanz der Altstädte durch ihre Investitionen gerettet würde. Was wenig nutzt, wenn sie für die Einwohner trotzdem „unbewohnbar“ werden.
Zum Thema: Spaniens Mietendeckel mit großem Schlupfloch: Kurzzeitvermietung ausgeklammert.