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Wahlkampf in Spanien: Landtagswahlen und Kommunalwahlen 2023

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Von: Marco Schicker

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Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez macht Meter über die Dörfer und hofft so auf eine Wiederwahl im Dezember 2023. © EFE

Die Landtags- und Kommunalwahlen am 28. Mai sollen die Richtung für die Parlamentswahlen in Spanien am Jahresende 2023 weisen, zum Showdown zwischen PP-Chef Feijóo und Regierungschef Sánchez. Das Rennen scheint offen.

Update, 29. Mai: Ergebnisse der Landtagswahlen und Kommunalwahlen in Spanien. Ergebnisse der Kommunalwahlen an der Costa del Sol und in Andalusien.

Madrid - Am Freitag, 12. Mai, begann auch offiziell die Wahlkampagne zu den Kommunal- und Landtagswahlen in Spanien am 28. Mai 2023. Gefühlt gehen die Politiker aber schon seit Monaten hausieren und posieren. Gewählt werden über Partei- oder Wahllisten 67.515 Stadträte in allen spanischen Gemeinden, die dann 8.120 Bürgermeister bestimmen, davon 40 knapp Prozent ehrenamtliche. Daraus ergibt sich auch die Zusammensetzung der jeweiligen Provinzverwaltungen, die wichtige Verteilstellen öffentlicher Gelder sind.

Gewählt werden zudem die Landtage (Regionalparlamente) in 12 der 17 Autonomen Gemeinschaften (Bundesländer) Spaniens sowie in den Städten mit Autonmiestatus Ceuta und Melilla, den beiden Enklaven in Marokko, in denen Rathaus und Landtag das gleiche ist. Die Zusammensetzung der Regionalparlamente bestimmt indirekt auch die Machtverhältnisse im Senat, Spaniens Länderkammer, durch die wichtige Gesetze des Congreso, der ersten Parlamentskammer, bestätigt werden.

Wahlen in Spanien 2023: Abrechnung mit oder Belohnung für Regierung Sánchez

Auch wenn kommunale Themen von der zu kleinen Tiefgarage, über den überdimensionierten Solarpark, eine fehlende Schule bis zur erdrückenden Anzahl von Ferienwohnungen sowie die Sympathie und Bekanntheit der Kandidaten wichtige Faktoren bei der Wahlentscheidung der Bürger sein dürften, spielt die nationale Politik auch schon am 28. Mai eine sehr wichtige Rolle. Auch die Kandidaten sorgen dafür, vor allem jene der konservativen Volkspartei PP, für die 2023 das Jahr der endgütligen Wende und der Rückkehr an die Macht sein soll. Denn am Jahresende, im Dezember 2023 wird Spanien ein neues Parlament wählen und damit auch die Richtung seiner Politik für die kommenden vier Jahre bestimmen.

PP-Chef Fejóo
Es soll Jahr werden, PP-Chef Fejóo verpatzte den Wahlkampfauftakt in Badajoz, wo er die Extremadura mit Andalusien verwechselte. © EFE

Daher tragen schon die Landtags- und Kommunalwahlen einen gewissen Charakter der Abrechnung mit der Regierung von Pedro Sánchez (PSOE), der genau vor fünf Jahren (1. Juni 2018) durch ein konstruktives Misstrauensvotum im Parlament Mariano Rajoy von der PP stürzte und die Macht übernahm. Seine Regierungskoalition mit Unidas Podemos regierte auch nach den Parlamentswahlen 2019 in Minderheit und brauchte für jedes Gesetzesvorhaben weitere Stimmen. Meist kamen die von Regionalparteien (Kanaren, Navarra, Basken, Katalonien) und oft war es leichter diese zu überzeugen als die eigenen Koaltionspartner.

Krisen am laufenden Band: Spanien wählt Rathäuser, Landtage und dann das Parlament

Wenn die Spanier am 28. Mai zu den Wahlurnen schreiten, wählen sie zwar ihre Bürgermeister und Regionalparlamente, zeigen aber eine mögliche Stimmung und Richtung für die nationalen Wahlen auf, auch was die Mobilisierung betrifft. Es geht um nicht weniger als die Bilanz zum Corona-, Kriegs-, Inflation-, Enegiekrisen- und Dürre-Management der Regierung Pedro Sánchez, der praktisch einen Albtraum nach dem anderen zu bewältigen hatte und daneben auch die latenten Krisen des Landes, Jugendarbeitslosigkeit, Katalonien-Krise, Verschuldung etc. beackern musste.

Die rechte Opposition macht es sich relativ leicht und behauptet, Sánchez habe das Land praktisch in den Abgrund geführt, auch wenn numerische Indikatoren wie der Arbeitsmarkt das Gegenteil belegen. Sánchez, der vor allem auf sozialem Gebiet punkten konnte, sieht sich als strahlenden Krisenmanager. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Doch in Spanien gibt es in dieser Mitte niemanden zu wählen. Die beiden großen Blöcke tun auch viel dafür, diese Bipolarität zu erhalten, die sozusagen abwechselnd profitabel war, linke und rechte Ränder dürfen mitnaschen, aber in der Mitte bleibt kein Platz, auch nicht für konstruktiven Dialog zwischen den „Elefanten“.

Valencia, Madrid, Andalusien: Schwergewichte auf dem Weg an die Macht in ganz Spanien

Als besonders prestigereich und wegweisend gelten bei Wahlen die Regionen Valencia, wo die linke Botànic-Koalition von Ministerpräsident Ximo Puig (PSOE, Compromís, Podem) weiterarbeiten will, die 2015 eine lange und besonders korrupte PP-Ära (Gürtel-Skandale) beendete sowie die Hauptstadtregion Madrid, wo seit 2019 die rechte Populistin Isabel Díaz Ayuso mit Unterstützung der rechtsextremen Vox regiert und mitunter auch ihren Parteifreunden unverhohlen höhere Ambitionen kommuniziert. Sollte die PP unter Fejóo am 28. Mai schwächeln, wird Ayuso auch umstandslos ein interner Putsch zugetraut, er wäre nicht der erste Parteichef, den sie stürzte.

Valencias Ministerpräsident Ximo Puig beim Wahlkampf.
Die Chancen für eine Neuauflage der Botànic-Koalition in der Region Valencia stehen relativ gut. © EFE

Ähnliches Gewicht hat noch Andalusien, doch da gab es bereits 2022 Landtagswahlen, die Juanma Moreno von der Volkspartei mit absoluter Mehrheit gewann und der sich so zum Machtfaktor in der PP erhob, während der neue Parteichef Alberto Núñez Feijóo, früher Präsident von Galicien, nun seine erste große Bewährungsprobe erlebt. Der hat sich beim Wahlkampfauftakt in Badajoz gleich einen Faux pas geleistet, als er hier in der Extremadura deklarierte, dass er sich „immer freut, nach Andalusien zu kommen“.

Für Vox, dessen Performance nach zunächst massivem Aufwind, zuletzt in Andalusien und bei anderen Zwischenwahlen weit hinter den eigenen Erwartungen bliebt, ist das Ziel, in alle Landtage einzuziehen und in vielen Zünglein an der Waage sein zu können. Die Linke wiederum, also vor allem Podemos und IU, werden versuchen, ihre Leute bei der Stange zu halten, so gut es geht, denn zu den Parlamentswahlen betritt mit Sumar unter Führung der „Kommunistin“ und aktuellen Arbeitsministerin - und beliebtesten Politikerin Spaniens - Yolanda Díaz eine neue linke Wahlbewegung die Bühne, die zur echten Bedrohung der Podemos-Hegemonie werden könnte. Zumal Sánchez mit Díaz stets besser klar kam als mit den Podemos-Ministern.

Madrid: Vier weitere laute Ayuso-Jahre oder doch ein Umschwung?

Die Umfragen zum Auftakt des Wahlkampfes (alle Daten vom Institut CIS von Anfang Mai) sagen Ayusos PP in der Region Madrid ein Ergebnis knapp unter der absoluten Mehrheit voraus. Sie steht zwar medial in der Kritik, wegen ihres menschenverachtenden Coronavirus-Managements, ihrer spalterischen Polemik und so manchen Korruptionsverdachts, doch die Linke in Madrid ist zerrissen und zerstritten, bietet keine erkennbare Perspektive, weder auf Landesebene, noch für das Rathaus, in dem der PP-Kollege José Luis Martínez-Almeida 2019 die charismatische Manuela Carmena von der PSOE ablöste.

Wahlkampfauftakt in Valencia (Video auf Twitter):

45 Prozent sagt das CIS-Umfrageinstitut, das als tendentiell PSOE-freundlich gilt, der PP unter Ayuso für Madrid vorher, Más Madrid (eine moderate Podemos-Abspaltung) käme auf 21, die PSOE wäre mit 17 Prozent nur dritte Kraft, Podemos läge um die 6-7 Prozent, die rechtsextreme Vox auf ebenso viel, womit die Konstellationen im Landtag gleich blieben. Allerdings sind die Verhältnisse dort so knapp, das eine kleine Abweichung ein Patt oder sogar einen Machtwechsel herbeiführen könnte, wenn auch alle Indikatoren momentan auf vier weitere, laute Ayuso-Jahre deuten.

Landtagswahlen in Spanien: Rote Festungen Valencia und Castilla-La Mancha

In der Region Valencia wird, nach der jetzigen Lage der Dinge, die PP die PSOE von Regionalpräsident Puig wohl knapp überholen 31:29 sagt CIS. Dennoch könnte die linke Botànic-Koalition wohl weiterregieren, weil Compromís und andere Linke zusammen auf rund 20 Sitze kommen, während Vox, die einzigen, die mit der PP koalieren würden, „nur“ 8-12 Mandate erringen werden.

Eine sichere Bank für die PSOE und rote Festung bleibt Castilla-La Mancha. Ihm werden 47,2 Prozent der Stimmen zugetraut und damit das beste Ergebnis für einen Landesfürsten in Spanien überhaupt. Allerdings saugt Ministerpräsident Emiliano García Page mit der PSOE praktisch das gesamte linke Lager leer, es ist denkbar, dass weder Podemos, noch IU, auch nicht die beiden grünen Parteien Alianza Verde und Verdes Equo auch nur einen Sitz erlangen. Die PP käme auf ca. 24, Vox auf rund 11. Die Ciudadanos, das liberale Parteienexperiment, mit dem konservative Altkader versuchen wollten, eine PP-affine Fake-Mitte zu schaffen, wird, das ist ein landesweiter Trend in Rathäusern wie Landtagen, weitgehend von der politischen Bühne verschwinden, viele Cs-Kader suchten bereits Unterschlupf im Mutterschiff, auf PP-Listen. In Flächenregionen wie La Mancha könnte auch der Umgang mit der katastrophalen Dürre, die Spanien im Griff hat, ausschlaggebend werden.

Von Murcia bis Asturien: Umfragen zu den Landtagswahlen in Spanien 2023

Den Umfagen des Instituts zu den Landtagswahlen in Spanien 2023 lauten desweiteren:

Kampf um die Rathäuser von Madrid, Barcelona, Valencia: Kommunalwahlen in Spanien

Die Stadt Madrid, Spaniens Hauptstadt, tendiert nach wie vor nach Mitte-Rechts, die PP von Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida wird wohl stärkste Kraft. Allerdings wankt seine Mehrheit, wenn die sonst wackelige Mehrheit von Podemos, Izquierda Unida und Alianza Verde bis zu den Wahlen hält, was auf städtischer Ebene besser zu klappen scheint als für die Region Madrid. CIS sagt ein mögliches Patt der Blöcke voraus. Das könnte es auch in Barcelona geben, wobei dort nur die Frage zu beantworten sein wird, ob die amtierende Ada Colau von der halbseparatistischen Linken Barcelona en Comú oder der „verfassungstreue“ Linke von der PSC, Jaume Collboni, gewinnt. Weder PP noch Vox kommen in Kataloniens Hauptstadt auch nur in die Nähe der Macht.

Isabel Díaz Ayuso
Madrids Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso und ihr Madrider Bürgermeister Almeida (beide PP), wollen ihre Posten behalten. Laut CIS wackeln sie nur ein bisschen. © Zipi Aragón/EFE

Andalusiens Hauptstadt Sevilla bleibt wohl eine rote PSOE-Insel im momentan schwarzen andalusischen Meer, Bürgermeister Antonio Muñoz kann auf Wiederwahl hoffen, auch Valencia bleibt in linker Hand, jener von Joan Ribó von Compromís, Vigo in der Hand des Sozialisten Abel Caballero und auch Valladolid wird von einem PSOE-Mann, Óscar Puente regiert werden. In Bilbao macht traditionell die baskische Nationalpartei PNV das Rennen.

CIS erklärt aber, dass alle ihre Umfrageergebnisse „den Wert von Schätzungen, nicht von Ergebnisvorhersagen“ hätten. Die Fähigkeit der Wahlkämpfer, vom kleinen Stadtrat bis zum Parteichef, die Wähler an die Urnen zu bringen, haben ganz entscheidenden Einfluss und könnten auch so manch sicher geglaubtes Wahlergebnis drehen. Und diese Performance kann, sowohl bei Beteiligung wie beim Ergebnis, einen entscheidenden Impuls geben, auf welche Seite die Stimmung bei den Parlamentswahlen Ende 2023 beim Kampf um die Moncloa kippt. Laut CIS steht alles auf der Kippe, ist aber auch kein echter Stimmungsumschwung erkennbar. Das Rennen ist also offen.

Zum Thema: Gerichtsurteil ermöglicht Städten in Spanien Beschränkung von Touristen-Apartments.

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