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Wie vor einem Krieg: Andalusiens Feuerwehr rüstet sich für Waldbrand-Saison 2023

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Von: Marco Schicker

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Waldbrand in der Sierra Bermeja, Málaga, 2022
Beim großen Waldbrand in der Sierra Bermeja, Málaga, 2022, konnten selbst die Experten von Infoca zeitweise nur hilflos zuschauen. © Alvaro Cabrera/EFE

Andalusiens Infoca-Feuerwehr sieht mit Sorge in die Waldbrand-Saison. Es fehle an Personal und ganzjähriger Prävention. Die anhaltende Dürre und frühe Hitze machen den Süden Spaniens zu einem Pulverfass.

Sevilla – Andalusien bereitet sich auf die Waldbrandsaison 2023 vor wie auf einen unabwendbaren Krieg, einen sich jedes Jahr früher und heftiger wiederholenden Albtraum. 4.500 verbrannte Hektar in Castellón Ende März und halb Asturien seit Wochen in Flammen, geben einen bitteren Vorgeschmack. In ganz Spanien sind 2023 bereits 46.000 Hektar verbrannt, sozusagen in der Vorsaison. Das ist das Vierfache des sonst üblichen Schnitts zu dieser Zeit. 2022 waren es 310.000 im ganzen Jahr, fast ein Allzeitrekord. In Andalusien brannten bis Ende März 2023 bei 113 Interventionen bisher „nur“ rund 460 Hektar ab, allein 50 davon bei einem Feuer in Tarifa, bei dem 70 Menschen evakuiert werden mussten. Doch der Infoca, der Landesfeuerwehr gegen Waldbrände, stecken auch noch die Großbrände in Málaga, in der Sierra Bermeja und Sierra de Mijas 2022 mit je um die 20.000 Hektar Verlust in den Knochen.

Waldbrandgefahr in Andalusien: „Wir bräuchten 12 Wochen Dauerregen“

Das waren, so die Feuerwehrleute, Waldbrände „einer neuen, gewalttätigen Qualität“ mit regelrechten Explosionen, hervorgerufen durch hohe Hitze, mehr Biomasse durch Mangel an Flurpflege und Klimawandel. Die Feuerwehr löscht dann oft nicht mehr, sondern versucht nur noch die Eingrenzung, Evakuierung und spätere Sicherung der verkohlten Gebiete.

Feuerwehrleute in Spanien kommen vom Einsatz
Ausgebrannte Helden: Infoca-Feuerwehrleute beim Waldbrand in der Sierra Bermeja, Málaga © Álex Zea/dpa

Die LandesregierungAndalusien rüstet auf und ruft bereits einen Monat früher als üblich die mittlere Bereitschaftstufe aus, meterologisch herrscht seit Wochen „extreme Waldbrandgefahr“ in Andalusien. Vorerst bis 24. April ist in ganz Andalusien das Verbrennen von Grünschnitt bei Strafe verboten, eine Verlängerung sehr wahrscheinlich. Denn Regen in maßgeblichen Mengen wird in diesem Monat April in Andalusien nicht mehr erwartet, „wir bräuchten 10 bis 12 Wochen Dauerregen, um allein das Defizit der letzten 12 Monate auszugleichen“, erklärt ein Experte von Aemet, dem staatlichen Wetteramt Spaniens. Am Montag, 10. April, registrierte die Wetterstation am Flughafen Málaga die höchste hier in einem April gemessene Temperatur, 33,6 Grad. In Estepona stieg das Thermometer sogar auf 34,2 Grad. Von den 130 Litern Regen pro Quadratmeter, die im langjährigen Schnitt von Januar bis März in Málaga niedergehen (470 sollten es im Gesamtjahr sein), kam man 2023 nur auf rund 30.

2.500 Feuerwehrleute gegen Waldbrände in Andalusien: Nicht genug

Das verdirbt den Bauern die Ernten, da in den Stauseen, die im Schnitt in Andalusien unter 30 Prozent befüllt sind, kaum noch Reserven zu finden sind, es bringt Dörfer und bald auch Städte in Probleme bei der Trinkwasserversorgung und es erhöht die Waldbrandgefahr, ein sehr heißer Sommer steht uns im doppelten Sinne bevor. 2.500 Mann soll die Infoca 2023 bei Vollbesetzung umfassen, hinzu kommen 117 „schwere Fahrzeuge“ und acht Löschflugzeuge bzw. -helikopter, weitere sechs kommen ab 1. Mai dazu. Außerdem hat jede Provinz eine eigene „normale“ Feuerwehr, die bei Waldbränden eingreifen kann und sei es, um bewohntes Gebiet zu schützen oder zu räumen. Im Extremfall steht in jeder Provinz auch die UME, die Katastrophenschutz-Einheit des spanischen Militärs „Gewehr“ bei Fuß.

Ein spanischer Feuerwehrmann freut sich über Regen.
Endlich: Der erste Regen seit fünf Monaten in Andalusien bringt den Feuerwehrleuten der Infoca Erleichterung. (September 2022) © Plan Infoca/Junta de Andalucía

2.500 Infoca-Feuerwehrleute klingt viel, das relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass Andalusien größer als Österreich ist und ähnlich bergig, allerdings viel heißer. Die Gewerkschaften und Berufsorganisationen der Feuerwehren äußern daher auch sehr viel Kritik an der Landesregierung, „zu wenig, zu spät“, so der Tenor. Am Beispiel der Provinz Granada rechnen UGT und CSIF vor, dass sie in diesem Jahr sogar 70 auf Waldbrände spezialisierte Feuerwehrleute weniger haben als im Vorjahr und „praktisch keine Zeit für Prävention“ bleibe. Zudem seien im April von den 38 Brandbeobachtungspunkten der Provinz nur ganze elf besetzt, was angesichts der wachsenden Unberechenbarkeit der Waldbrandsaison „grob fahrlässig“ sei.

Es geht früh los mit den Waldbränden in Spanien 2023. Ein Video-Bericht von EuroNews:

Waldbrände in Spanien: Ungepflegte Wälder, zugewucherte Felder - Viel Zunder

Denn die Infoca-Helden, die ihr Leben riskieren, sind in der Mehrzahl Saisonkräfte, wie Kellner oder Rettungsschwimmer. Es fehle zudem Personal zur Wald- und Flurpflege in den Naturparks sowie klare Vorschriften dazu, wie private Wald- und Grundstücksbesitzer ihre Gründe pflegen müssten, um das Brandrisiko zu senken, zumindest aber die Ausbreitung zu verlangsamen. 70 Prozent der in Spanien 2022 verbrannten Flächen waren in Privatbesitz. Es sind also nicht die Umweltschützer mit ihrer „Verbotskultur“, die den Zunder ansammeln, sondern Grundbesitzer und die Politik. Im Gegenteil, Eccologistas en Acción und Greenpeace mahnen seit Jahren an, dass es nicht damit getan ist, Naturschutzgebiete zu deklarieren, es braucht auch Personal und Geld für die Wald- und Flurpflege zur Brandvorbeugung. Nebenbei betonen sie, „wir sitzen in keiner Regierung, die Entscheidungen trifft“.

Einsatzzentrale der Feuerwehr Andalusien
In der Einsatzzentrale der Experten für Brandbekämpfung der Infoca, unweit des Großfeuers in der Sierra Bermeja. © Emergencias 112 Andalucía

Auch die Lebensmittelindustrie, sowohl die in Spanien unantastbare Massentierhaltung als auch die Agrarkonzerne, die unter sterilen Planen das Gemüse für den Norden Europas züchten, werden von den Ökos als Schuldige für das hohe Brandpotential verantwortlich gemacht. Denn das Billigfleisch verdrängte über Jahrzehnte die extensiv Viehzucht, früher fraßen Schafe und Ziegen, sogar Kühe Brandschneisen in die Landschaft. Bauern, deren Gemüse und Obst nicht mehr konkurrenzfähig ist, geben Felder auf, die zuwuchern. Die Landflucht fördert das Brandrisiko.

INFOCA, Andalusiens Waldbrand-Feuerwehr gibt u.a. auf Twitter aktuelle Infos über Waldbrände oder Warnstufen heraus:

Wenn sich diese Entwicklung nebst dem Klimawandel mit seinen unberechenbaren extremen Wetterphänomenen und dem Temperaturanstieg, schon nicht so bald umkehren lässt, müsste die Infoca zumindest in voller Stärke ganzjährig im Einsatz sein, um Prävention betreiben zu können und die Wald- und Grundstückspflege der privaten Eigner zu kontrollieren und notfalls einzufordern. Die Landesregierung muss mehr Geld ausgeben. Auf Unverständnis bei den Einsatzkräften stößt in diesem Zusammenhang auch die aktuelle Ankündigung der Junta, eine neue Notfallzentrale für Waldbrände und andere Naturkatastrophen zu schaffen und diese direkt beim Amt des Ministerpäsidenten in Sevilla anzusiedeln. Die Kräfte zu bündeln sei zwar wünschenswert, doch gebe es diese koordinierten Notfallstrukturen bereits als mobile Kommandostellen dort, wo sie hingehörten, vor Ort bei jedem Brand. Man brauche also mehr Fußsoldaten und weniger „Generäle“, die sich in leuchtende Westen kleiden und für die Medien posieren, so die UGT.

Zum Thema: Der Mensch vergisst schnell, das Waldbrand-Inferno in Spanien 2022 war teilweise apokalyptisch.

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