Der neue Alfa Romeo Tonale – ein Auto zum Verlieben? Testfahrt verrät es

Endlich wieder ein neues Modell der Kult-Marke Alfa Romeo. Mit dem Tonale schicken die Italiener einen SUV ins Rennen.
- Mit dem Tonale will Alfa Romeo BMW X1, Mercedes EQA und Audi Q3 angreifen.
- Der Italo-Franzose setzt beim Antrieb vor allem auf ein Hybridsystem mit 160 PS.
- Mamma mia: Ausgerechnet beim Motor leisten sich die Italiener einen echten Patzer.
„Wiederauferstehung auf Italienisch“ – so hatten wir uns nach der ersten aber rein statischen Begegnung mit dem Alfa Romeo Tonale in München gefreut. Nach Stelvio und Giulia endlich wieder ein neues Modell. Die Wiedergeburt einer höchst emotionalen Marke, die über 100 Jahre alt ist und Rennsportgeschichte(n) geschrieben hat. Kuriosität am Rande: Das in Mailand ansässige Unternehmen war zunächst das Filialwerk eines französischen Herstellers, bevor italienische Investoren es übernahmen. Es handelte sich um die „Società Anonima Lombarda Fabbrica Automobili“ – aus den ersten Buchstaben der letzten vier Worte leitet sich der Name Alfa ab. Das Romeo steuerte der spätere neapolitanische Besitzer Nicola Romeo dazu. Französisch geboren ist Alfa heutzutage wieder in französischer Hand. Die Italiener gehören zum Stellantis-Konzern, der wiederum von Peugeot und Citroen dominiert wird. Weitere ausführliche Fahrberichte finden Sie übrigens hier.

So viel Jeep steckt im neuen Alfa Tonale
Das ist nicht nur eine Kuriosität, sondern sagt viel auch über das Innenleben des Alfa Tonale aus. Der wird nämlich auf einer technischen Plattform gebaut, die schon ein paar Jahre und ein paar andere Modell gesehen hat. Zum Beispiel den Jeep Compass. Das muss per se jetzt nicht schlecht sein, schließlich verfolgt der Volkswagen-Konzern diese Strategie schon seit Jahren ziemlich erfolgreich bei seinen Modellmarken VW, Seat und Skoda. Trotz ähnlicher Technik haben die einzelnen Fahrzeuge trotzdem einen eigenen Charakter und eine unverwechselbare Seele.

An diese Alfas erinnert der Tonale vom Design her
Das definiert sich vor allem über reine Äußerlichkeiten. Und zumindest die stimmen beim neuen Tonale, der wie sein großer Bruder nach eine Pass benannt wurde. Über den Passo Tonale (1882 Meter Höhe) kommt man vom Trentino ins Piemont, der Heimat von Alfa. Und weil die ganz in der Nähe von Mailand liegt – wird dem modischen Aussehen eines Autos dort ein besonderes Augenmerk geschenkt. Optisch wildert der Tonale in der eigenen glorreichen Vergangenheit. Die drei gebogenen Frontlichter erinnern an den legendären Brera, die Seitenlinie an den Disco Volante und die Heckleuchten an die Rennmaschine Alfa 8C. Ganz zu schweigen von den Felgen, die in guter Alfisti-Tradition wie Wählscheiben von alten Telefonen aussehen.

Dieses Detail erinnert sogar an Maserati
Soweit – so bello. Aber auch im Inneren weiß der Italiener zu gefallen. Hier und dort gibt es kleine optische Gags wie die eingeprägte italienische Flagge. Das Interieur ist gediegen und solide, die Bildschirmlandschaft digital und so wie bei allen anderen Herstellern mittlerweile auch. Ein zweigeteilter Tacho, der sich mit verschiedenen Layouts gestalten lässt (am besten hat uns die Retro-Variante mit den Rundinstrumenten gefallen) und ein zentraler Infotainment-Bildschirm, der als Touchscreen die wichtigsten Fahrzeugfunktionen verwaltet. Die Menüführung ist einfach, auch wenn sie ein wenig überfrachtet ist und zu viel Informationen auf zu wenig Platz darreicht. Trotzdem kommt man sofort damit zurecht. Zumindest hier hat Alfa einen technologischen Sprung hingelegt. Das Lenkrad ist sportlich griffig, an der linken Speiche klebt ungewöhnlicherweise der Start-Stopp-Knopf für die Zündung und hinter dem Lenkrad wölben sich uns zwei silberne Schaltwippen entgegen, die man – richtig – schon von einem anderen Auto kennt. Vom Maserati Grecale, der ja ebenfalls im Stellantis-Konzern produziert wird. Leider sind sie, ob Alfa oder Maserati, zu überdimensioniert, so dass man sich auf dem Weg zu den dahinter liegenden Blinker- und Scheibenwischer-Hebel immer wieder verheddert.

Hybrid-Antrieb: Leise flüstern wir um den See
Vom Aussehen her ein echter Romeo auf dem Laufsteg – aber kann aus diesem Alfa auch ein Alfa-Tier werden auf Asphalt? Das durften wir auf den engen Gebirgsstraßen am Comer See ausprobieren. Aber zunächst einmal müssen wir uns durch das Spalier der interessierten Einheimischen bugsieren. Was schon mal generell ein Ritterschlag ist. Beim jährlich stattfindenden „Concorso d´Eleganza Villa Este“ fahren hier schließlich die teuersten Oldtimer der Welt in ihren schicken Blechkleidern vor. Moltrasio, Carate Urio, Laglio – die alte Seestraße ist gerade so breit wie der Tonale. Würden wir hier dem Hollywoodstar George Clooney begegnen, der hier bekanntermaßen wohnt, wir müssten uns Gentleman-like darauf einigen, wer dem anderen die Vorfahrt lässt. Leise flüstern wir um den See. Denn das Testauto von Alfa ist ein Hybridfahrzeug. Mild-Hybrid um genau zu sein. Das heißt hier wird der 1,5-Liter-Turbo-Benziner von einer Elektromaschine unterstützt (Systemleistung 160 PS), die das Auto auch den ein oder anderen Meter selbst bewegen kann. Ansonsten treibt sie den Alfa sanft im Segelmodus an oder unterstützt als Booster, wenn es darum geht den Italiener auf Touren zu bringen. Hört sich gut an, in der Theorie ist aber in der Praxis eine mühselige Angelegenheit. Selbst auf der schärfsten Fahrstufe D wie Dynamic genehmigt sich die Antriebseinheit eine gefühlt Gedächtnissekunde, bis der Tonale endlich in leichten Trab fällt. Von Losgaloppieren kann keine Rede sein. Es sei denn man fährt mit den Schaltwippen oder gibt schon weit vor dem eigentlichen Beschleunigen Vollgas, damit das Getriebe schon mal vorsorglich in den kleineren Gang schaltet. Das ist, um es deutlich zu sagen, eines Alfas nicht würdig. Die Marke steht für Sportlichkeit und knackiges Beschleunigen.

Schade, dass es diesen Motor nicht gibt
Und das ist auch wirklich schade, weil Fahrwerk und Lenkung fein abgestimmt sein und richtig Laune auf die nächste Kurve machen. Die Rückmeldung von der Straße ist angenehm hart, die Gewichtsverteilung von 50:50 sorgt dafür, dass der Mini-SUV durch die steilen Gebirgsstraßen jagt wie ein Sportwagen. Leider jault der Motor im hohen Drehzahlbereich unangenehm dazu. Hier hätten wir uns entweder einen leistungsstarken Verbrenner gewünscht, wie den 265-PS-Benziner, der nur in den USA und den Emiraten angeboten wird. Oder konsequenterweise gleich ein reines Elektro-Auto. Denn ob die Top-Motorisierung, die Ende des Jahres kommen soll, mit 275 PS als Plug-In-Hybrid-Version so viel besser ist – das wagen wir zu bezweifeln.

Unser Fazit zum neuen Alfa Romeo Tonale
Vom Aussehen her ist der neue Tonale auf alle Fälle ein echter „Bellissimo“. Ein knackiger Italiener mit unwiderstehlichem Heck und einem Latin-Lover-Augenaufschlag in der Front-Ansicht. Kurvig in der Form kurvt er auch rasant durch die Kurven. Dass dieser Alfa jedoch nicht unbedingt ein Romeo ist, in den man sich sofort verliebt, das liegt am hybriden Antriebsstrang: Zu zaghaft und zögerlich reagieren Motor und Getriebe, um die Herzen der Autofahrer und Autofahrerinnen im Sturm zu erobern.
Technische Daten Alfa Romeo Tonale Veloce 1,5 l, Hybrid
- Motor: Vierzylinder-Turbo-Benziner
- Hubraum: 1469 ccm
- max.Leistung: 118 kW (160 PS) bei 5.750 U/min
- max.Drehmoment: 240 Nm bei 1.500 U/min
- E-Maschine:
- max. Leistung: 15 kW (20 PS)
- max. Drehmoment: 55 Nm
- Batterie: 0,77 kWh
- Antrieb: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Front
- 0-100 km/h: 8,8 Sekunden
- Spitze: 210 km/h
- Normverbrauch: 6,3 l/100 km
- CO2-Emission: 144 g/km
- Länge / Breite / Höhe: 4,53 / 1,84 / 1,60
- Kofferraum: 500 - 1.550 l
- Leergewicht / Zuladung: 1525 / 535 kg
- Anhängelast (gebr.): 1.500 kg
- Preis ab circa 44.500 Euro (Basismodell: 35.500)
Welche Neuheiten das Auto-Jahr 2022 noch zu bieten hat? Hier ein Ausschnitt.
Rudolf Bögel